Getroffen!

Es ist doch immer wieder das Gleiche: Pärchen allerlei Geschlechts sind unterwegs und winken sich schließlich ein Taxi. Im Gespräch über den vergangenen Abend streiten sie sich, beleidigen sich, brüllen sich an. Alles schon oft erlebt, bis hin zum theatralischen Beenden der Beziehung und dem symbolischen Verlassen des Autos. Nur zu körperlichen Auseinandersetzungen ist es bei mir im Wagen noch nicht gekommen. Bis heute Nacht. Und dann auch noch von unerwarteter Seite.
Wenn es in der Stadt große Messen gibt, finden parallel dazu manchmal noch Kongresse statt. So auch während der Internationalen Tourismusbörse, die bis zum kommenden Wochenende läuft. Im Interconti war gleichzeitig ein Hotelkongress, es wurden massig Taxis gebraucht. Meine beiden Fahrgäste kannten sich nicht, sie wollten sich jedoch etwas Geld sparen, und weil sie das gleiche Fahrziel hatten, teilten sie sich die Tour. Es ging zu einem Hotel in Friedrichshain, in dem eine größere Veranstaltung stattfand.
Die Fahrt verlief erst ganz normal, Small talk, bis er sie fragte, für wen sie denn arbeite. Sie wollte das nicht sagen und auch nicht, in welchem Bereich der Hotelbranche genau. Offenbar nahm er das persönlich, denn er reagierte sehr scharf. Man hätte es auf sich beruhen lassen können, vielleicht noch ein Witzchen und gut ist. Er aber fing nun an zu sticheln, dass es sich ja nur um wenige Möglichkeiten handeln könne. »Ich möchte nicht darüber sprechen, könnten Sie das bitte akzeptieren?«
Nein, das konnte er nicht, er gab keine Ruhe und spekulierte vor sich hin. Als Ergebnis seines Denkversuchs fragte er: »Geheimdienst oder Puff?« Jetzt reichte es mir, ich trat auf die Bremse, und fuhr rechts an: »15 Euro!« Er weigerte sich zu zahlen, da ich meinen Fahrauftrag nicht erfüllt hätte, er außerdem nur die Hälfte zahlen müsse, weil sie sich die Fahrt ja teilen wollten, und so weiter. Die Frau holte ihr Handy raus und wollte die Polizei rufen. Er brüllte jetzt was von Schlampe und dass er sich das nicht bieten lassen müsste. Plötzlich klatschte es zweimal recht laut und er saß mit erschrocken aufgerissenen Augen still da. Dann zückte er seinen Geldbeutel, reichte mir einen Zwanziger und verließ schweigend das Auto.
Auch ich war überrascht, aber durchaus positiv.
Auf dem letzten Kilometer zu unserem Ziel erklärte mir die Dame, dass sie genau an dem Hotel, zu dem wir jetzt fuhren und zu dem er auch noch wollte, die Security leitet. Sie grinste mich an: »Ich freue mich schon auf sein Gesicht, wenn er mich dort wiedererkennt.« Leider konnte ich am Hotel nicht auch auf ihn warten, weil mir gleich ein neuer Fahrgast ins Auto stieg.

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6 Kommentare

  1. Auch wenn ich kein Freund von Gewalt bin: hier war sie (in milder Form) wohl unumgänglich. Die paar Zellen in seinem Kopf hatten vermutlich anderes zu tun als einen klaren Gedanken zu produzieren.

    Vielen Dank für diese Geschichte!

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