Waldsiedlung Karlshorst

Den meisten Berlinern ist Karlshorst nur durch die Trabrennbahn bekannt, vielleicht auch noch durch die ehemalige Russenkaserne.
Uns interessiert diesmal aber die andere Seite, die ein wenig versteckt liegt zwischen den großen Rennstrecken des Stadtteils, der Treskowallee und der Rummelsburger Landstraße. Wer diese stadtauswärts fährt hat gute Chancen, die Zufahrt zur Siedlung zu verpassen. Gegenüber des ehemaligen Rundfunkgebäudes des Fernsehens der DDR führt ein schmaler Weg durch die Bäume hindurch, zu eng, als dass zwei Autos nebeneinander fahren könnten: „Nur für Anlieger“ steht am Beginn des Hegemeisterweges, der – zuerst noch durch eine Kleingartenanlage führend – zur „Hauptstraße“ der Waldsiedlung wird.
Hier empfängt einen eine Atmosphäre der Beschaulichkeit und Naturnähe. Das Dorf hat einen sehr prominenten Baumeister: Peter Behrens, der sonst große Industriehallen und Geschäftshäuser baute, wie das Alexander- und das Berolinahaus am Alex.

Die Idee zu der Waldsiedlung entstand während des 1. Weltkrieges. Den „Helden des Vaterlandes“ sollte nach der siegreichen Rückkehr aus dem Krieg ein neues Heim geboten werden. Nun, die Heimkehr war, wenn es sie denn überhaupt gab, nicht besonders ruhmvoll. Trotzdem sollte der als „Gartenstadt Lichtenberg“ projektierte Stadtteil errichtet werden. Vor allem Arbeiterfamilien sollten hier günstig im Grünen wohnen.
Behrens achtete darauf, dass das Neubaudorf sehr platzbewusst gebaut wurde, die Grundstücke waren schmal und gingen weit in die Tiefe. Während zur Straße zweistöckige 1- bis 4-Familien-Häuser entstanden, kamen in die Gärten kleine Stallungen für die Kleintierhaltung. Schmale Gänge durchschnitten die Blöcke zwischen den Grundstücken.
Peter Behrens hatte die Waldsiedlung für 500 Familien geplant, davon sollten 400 in Einfamilienhäusern leben. Die Realisierung des Projektes lag in der Hand von Rudolf Gleye, dem damaligen Lichtenberger Baustadtrat. Erst 1920 begannen die Bauarbeiten, die sich – trotz des überschaubaren Umfangs des Dorfes – über mehrere Jahre hinzogen. Die Weltwirtschaftskrise stoppte das Projekt, so dass einige Infrastrukturbauten wie das Volkshaus, die Post, die Gärtnerei sowie der große Spiel- und Sportplatz nicht mehr gebaut werden konnten.

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Die Idee der Gartenstadt, die einfachen Arbeitern ein Leben im Grünen ermöglichen sollte, geriet ins Vergessen. Erst 1937, als schon ganz andere gesellschaftliche Verhältnisse herrschten, erinnerte man sich wieder daran. Eine neu gegründete Gesellschaft schloss die Baulücken, am Hegemeisterweg entstand ein kleiner Platz mit einer achteckigen Brunnenanlage. Diese wurde jedoch in den 60er Jahren wieder abgerissen, weil sie dem Straßenverkehr im Wege stand.
Im Krieg wurden einige Gebäude in der Waldsiedlung zerstört, die in der Nachkriegszeit dort hingesetzten Häuser passten sich aber leider kaum an ihre Umgebung an. Erst in den 70er Jahren stellte der Berliner Magistrat die gesamte Siedlung unter Denkmalschutz, ohne dass das jedoch nennenswerte Auswirkungen gehabt hätte. Eine Sanierung der Gebäude erfolgte nicht, so dass es – bis heute – eine Menge sichtbarer Schäden allein durch Witterungseinflüsse gegeben hat. Nach der Wende wurde viele Häuser an die bisherigen Mieter verkauft, doch nur wenige von ihnen konnten ihr Gebäude sanieren. Und so wartet die Waldsiedlung Karlshorst wieder mal auf bessere Zeiten – wie schon früher, als sie viele Jahre unvollendet da stand.

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