Behinderte in Schulen

Darf man eigentlich noch „Behinderte“ sagen? Oder heißt das heute ganz p.c. „Menschen mit Handicap“? So wie bei den Golfern? Egal, ich bleibe beim Wort „behindert“, weil es die Situation der betreffenden Menschen am besten beschreibt.
Lange gab es die Diskussion, ob geistig behinderte Kinder an normalen Grundschulen mit unterrichtet werden sollten. „Inklusionsschulen“ heißen die, in denen „Inklusionsunterricht“ gegeben wird.

Die ganze Diskussion finde ich wirklich lächerlich und an den Haaren herbeigezogen. Denn das, was da diskutiert wird, gab es vor einigen Jahrzehnten schon längst. Als ich um 1970 herum in meiner Kreuzberger Grundschule war, gab es dort mehrere behinderte Kinder. Die meisten waren körperbehindert, hauptsächlich Contergan-Opfer. Aber es waren auch mehrere geistig Behinderte dabei, allerdings nicht mehr als einer pro Klasse, wenn ich mich richtig erinnere. Sie nahmen zwar am Unterricht teil, begriffen aber vieles nicht. Manchmal wurden ihnen deshalb während des Unterrichts parallel Sachen beigebracht, das alles war nichts Besonderes. Natürlich wurden sie von uns anderen gehänselt, weil sie anders waren. Dieses Schicksal hatten aber auch andere, das schwarze Mädchen aus der Nebenklasse, der ewig lange und dürre Manfred, Brillenträger usw. Es war keine spezielle Diskriminierung und selbstverständlich waren auch Gesunde mit den Behinderten befreundet.
Wir haben damals gelernt, dass sie genauso dazu gehören wie die alle anderen, die Behinderungen waren bald unwichtig, sie waren normal, wie rote Haare oder so. Im Nachhinein finde ich das ganz gut, und ich kann bis heute nicht nachvollziehen, warum viele Menschen im Umgang mit geistig oder körperlich Behinderten Berührungsängste oder Unsicherheiten haben. Vielleicht hätte ich sie auch, wenn ich nicht schon früh damit konfrontiert worden wäre, keine Ahnung.

Mir war nicht mal bewusst, dass Behinderte heute gar nicht mehr in die normalen Grundschulen gehen und ich finde es fatal, dass das so ist. Auch innerhalb der nicht behinderten Kinder gibt es ja riesige Unterschiede, da ist das Behindert-sein doch nur noch ein Aspekt.
Jedenfalls halte ich die jetzige Diskussion für überflüssig. Selbstverständlich gehören auch geistig und körperlich behinderte Kinder in die regulären Schulen. Und natürlich brauchen sie eine spezielle Förderung, aber das betrifft auch andere.
Sicher gibt es eine Grenze von Behinderung, bei denen das nicht mehr möglich ist, aber ich spreche nicht von den Extremfällen, sondern von ganz normalen geistigen Behinderungen. Am besten lernen diese Kinder das Überleben in der Gesellschaft, wenn sie frühzeitig ein Teil dieser Gesellschaft werden. Das sollte schon vor der Schule anfangen, aber spätestens dann.

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2 Kommentare

  1. Aro du kannst ruhig weiterhin den Begriff Behinderter benutzen. Ich kenne viele „Behinderte“ die damit weniger ein Problem haben wie mit dem Umgang der Menschen mit ihnen.

    Und eine Behinderung zu haben kann auch ganz schnell einem Nichtbehinderten passieren, den nicht jede Behinderung ist oder muss angeboren sein.

    Gruß aus Franken

    Ortwin

  2. Ja, das mit den Umgang kenne ich gut. Ein Freund, mit dem ich öfter unterwegs ist, ist ebenfalls geistig behindert. Ich spüre oft die Unsicherheit, ob in der U-Bahn oder wenn wir zusammen einkaufen gehen. Das ist wohl das Ergebnis davon, dass Behinderte so wenig Kontakt zu anderen haben und in der Öffentlichkeit zu wenig präsent sind.

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