Kaputte Beziehung

Manchmal will man als Taxifahrer lieber nicht dabei sein, wenn man mitkriegt, wie einige Fahrgäste miteinander umgehen. Es kann dann sehr unangenehm sein, aber flüchten ist nicht möglich. Also muss man da durch. Solch eine Situation hatte ich gestern Nacht, als ich ein Ehepaar nach Hause fuhr, beide um die 50 Jahre alt.
Nach dem Einsteigen sprachen sie mehrere Minuten lang kein Wort, ich fand das angenehm, denn trotz des Schweigens merkte ich, dass da irgendwas nicht stimmte. Und ich wollte im Auto möglichst keinen Streit. Aber es kam anders.

„Ich habe schon lange keinen Bock mehr auf Dich, Du kotzt mich schon seit Jahren an.“
Diesen Satz schlug mein Fahrgast seiner Frau völlig unvermittelt ins Gesicht. Wer weiß, was er sich gerade für Gedanken gemacht hatte, vielleicht fühlte er sich in der Midlife-Crises plötzlich verloren und gab seiner Frau die Schuld dafür.
Natürlich rechnete ich mit einem Streit, Schreien, Tränen, aber sie reagierte nur kühl: „Ich weiß“. Soweit ich das sehen konnte, schaute sie ihn dabei nicht mal an, sondern blickte weiter aus dem Fenster.
„Ich hätte Dich schon vor zehn Jahren verlassen sollen. Damals habe ich noch mehr Chancen gehabt, eine richtige Frau kennenzulernen. Nicht nur so ein exzentrisches Weib wie Dich.“
„Diese Chance hattest Du noch nie, seit Du bei Deiner Mutter ausgezogen bist.“
Die Kälte in ihrer Stimme war voller Hass. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn es nun eine Bluttat gegeben hätte, aber es geschah nichts. Wieder war Stille, ich machte das Radio an, einen Jazz-Sender.
„Geben Sie sich keine Mühe, mein Herr, auch diese Musik würde meine Frau nicht erweichen. Sie hat kein Herz in ihrem Körper, nur Eis.“
Ohne nachzudenken sagte ich: „Death Metal kommt leider selten im Radio.“
Er lachte. „Death Metal wäre genau das Richtige für meine Frau. Sie ist schon seit Jahren tot.“
„Ich will mich da lieber nicht einmischen“. Tatsächlich befürchtete ich, dass er mich auf seine Seite ziehen wollte, aber so ein Spiel mache ich nicht mit.
Nun reagierte sie: „Ich kann mir auch gerne ein eigenes Taxi nehmen, wenn Sie mich nicht mitnehmen wollen. Dann können Sie gerne mit dieser Flasche weiter reden.“
„Mich geht ihr Streit nichts an und ich will mich da auch nicht einmischen“, wiederholte ich. Aber das ließ sie nicht gelten: „Das ist kein Streit. Dieser Mann ist einfach ein Idiot und ich bin auch noch mit ihm verheiratet. Das ist alles. Ist das so schwer zu kapieren?“

Es nervte. Ich dachte, mit Schweigen könnte ich die restlichen Minuten überbrücken, aber nun hatte sie mich als Opfer auserkoren: „Ich hab sie etwas gefragt“, zischte die Frau mich an.
„Ich will damit nichts zu tun haben, lassen Sie mich einfach in Ruhe damit!“ Eigentlich wollte ich das sachlich sagen, aber ich wurde immer lauter. Die aggressive Stimmung im Taxi färbte anscheinend auch auf mich ab. Mich ärgerte das.
„Sie können meinen Mann gerne haben, wenn Sie möchten. Ich kann gut auf ihn verzichten. Er hat mir mein ganzes Leben versaut.“
„Was glaubst Du, was DU getan hast?“, hackte er jetzt zurück. „Ich habe Dir meine besten Jahre geschenkt, und was ist der Dank?“
„Dank? Ich war so blöd, Dich geheiratet zu haben!“
So ging das nun wieder los, allerdings immer in ruhigem, aber sehr scharfen Ton.

Etwa einen Kilometer vor dem Fahrziel, als wir gerade an einer Kreuzung warteten, öffnete sie die Tür: „Ich schlafe heute woanders, viel Spaß noch“, und schon war sie verschwunden.
Ich war echt perplex, der Mann aber auch. „So weit ist sie bisher noch nie gegangen. Aber wenn es so sein soll.“
In den zwei, drei Minuten sagte er kein Wort mehr und ich war froh, dass er am Ziel einfach nur zahlte und ausstieg. Was bin ich froh, dass ich so etwas nicht jeden Tag erleben muss. Und nicht selbst in einer solch kaputten Beziehung stecke.

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