Der Alexanderplatz

Dem „Alex“ geht es wie dem Potsdamer Platz: Er wird größer geredet, als er in Wirklichkeit ist. Selbst so manche Taxifahrer rechnen noch den Fernsehturm zum Alexanderplatz, sogar der Neptunbrunnen gegenüber des Roten Rathauses wurde schon dazu gezählt. Aber der Alexanderplatz ist nur dort, wo auf der großen Betonfläche der Brunnen der Völkerfreundschaft und die Weltzeituhr stehen.

Kaum ein anderer Platz in Berlin spiegelt in seinem Wandel die gesellschaftliche Entwicklung so wider, wie der „Alex“. Bereits im Mittelalter hatte sich im Nordosten Berlins, wo die Landstraßen aus Prenzlau, Bernau und Landsberg in die Stadt einmündeten, ein Platz ausgeprägt. Aus der Zeit um 1272 stammt die Kunde, dass dort ein dem heiligen Georg gewidmetes Hospital für Aussätzige angelegt worden war. So erhielt dann auch das an dieser Stelle errichtete Stadttor den Namen Georgentor und die außerhalb gelegenen Ländereien wurden Georgenvorstadt genannt. Weil innerhalb der Residenz der Viehhandel verboten war, fand er auf dem Platz vor dem Georgentor statt, der deshalb bald den Namen Ochsenplatz trug.
Als 1701 der erste preußische König an dieser Stelle in Berlin einzog, wurde das Tor zum Königstor und das Gebiet Königsvorstadt genannt. Später entstanden hier mehrere Manufakturen. 1758 ließ der König am Ochsenplatz das erste amtliche Gebäude errichten – ein Arbeitshaus zur Unterbringung „arbeitsscheuer Personen“, das man Ochsenkopf nannte. Bald gab es in der Umgebung auch Kasernen und der Platz wurde zum Exerzier- und Paradegelände. 1805 wurde er sogar hoffähig. Der russische Zar Alexander I. besuchte Berlin und ihm zu Ehren wurde durch „Allerhöchste Cabinettsordre“ dem Ochsenmarkt der Name Alexanderplatz verliehen.
Ende des 19. Jahrhunderts begannen erste größere und planmäßige Umgestaltungen des Platzes. Die Stadtbahn wurde 1882 gebaut; der Alex, auf dem auch Linien der Pferdebahn und ab 1896 der elektrischen Straßenbahn einmündeten, erhielt einen Bahnhof und wurde zu einem der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte, der 1913 durch die neue U-Bahn noch an Bedeutung gewann. Dabei war der Alexanderplatz stets ein Bereich der Arbeiter, die ringsum in dicht besiedelten Vierteln lebten. Wohl gerade deswegen war er um die vorletzte Jahrhundertwende der am stärksten vom städtischen Leben durchpulste Ort der Stadt. Dem Beschauer bot sich ein quirlender, brodelnder Kessel voller hastender Menschen.
Am Ende der Zwanziger Jahre waren städtebauliche Lösungen unumgänglich geworden. Unter Leitung des Berliner Stadtbaurats Martin Wagner begann 1927 die Umgestaltung des Platzes. Die Verkehrswege wurden neu geordnet, geplant waren auch zeitgemäße architektonische Lösungen für die Bebauung des Platzes. Wilde Bodenspekulationen verhinderten jedoch ab 1931 die Verwirklichung der umfassenden Pläne. Nur das Alexander- und das Berolinahaus wurden noch fertiggestellt. Der Zweite Weltkrieg zerstörte den Platz dann fast vollständig.
Erst 1966 konnte mit dem begonnenen Neuaufbau auch eine neue Platzkonzeption verwirklicht werden. Städtebaulich an der sozialistischen Architektur anderer Metropolen des Ostblocks orientiert, präsentierte sich der Alexanderplatz großzügig, modern – und als zugige Steinwüste, in der der Einzelne sich verliert. Der Individualverkehr war herausgenommen, der große Platz als Aufmarschgebiet und Touristenmagnet konzipiert. Erst nach der Wende wurde in den 90er Jahre eine Umgestaltung vorgenommen, die einzelne Bereiche abtrennte, die Straßenbahn wieder auf den Platz brachte und das Konsum- und Kulturangebot insgesamt verbreiterte.
Der Platz ist weiterhin eine große Fußgängerzone. Es ist heute kaum vorstellbar, dass hier vor einigen Jahrzehnten stündlich 136 Straßenbahnen den Platz passierten, dazu rund 3600 Autos und etwa 60 Doppelstockbusse.

Noch immer steht der Brunnen der Volkerfreundschaft von 1969 auf dem Alexanderplatz, vor dem mittlerweile vergrößerten Kaufhaus, an dessen Stelle schon bis zu seiner Kriegszerstörung ein Warenhaus mit der bronzenen Berolina davor stand. Der Brunnen war als Zentrum einer sich über den ganzen Platz ziehenden, ins Pflaster geprägten Spirale angelegt worden. Auch er selbst bekam einen ebenfalls spiralförmig geführten Brunnenring aus farbiger Emaille und Kupfer.
Etwas weiter östlich davon: Die Weltzeituhr von 1970. Verabredet man sich am Alex, dann ist sie oft der Treffpunkt. Die zehn Meter hohe Stahlkonstruktion, ausgestattet mit künstlerischen Elementen aus geätztem Aluminium und farbiger Emaille, zeigt nicht nur die Uhrzeit in Berlin an, sondern auch die an 24 anderen Orten der Erde.

Bis heute ist der Alexanderplatz, ob mit Ochsen, Berolina oder Weltzeituhr, einer der beliebtesten und belebtesten Plätze Berlins. Ob unter Kaiser, König oder Führer, ob Sozialismus oder Kapitalismus – stets hat er sich als ein Zentrum der Stadt behauptet. Und immer wieder war er auch im Wandel begriffen. In den 1990er Jahren sollte er von neun Hochhäusern, jeweils 150 Meter hoch, umstellt werden. Soweit ist es nicht gekommen, aber seine Entwicklung ist sicher noch nicht am Ende angelangt.

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2 Kommentare

  1. ich denke die Pläne mit den Hochhäusern sind noch nicht vom Tisch. Am Alex, dort wo jetzt das Kaufhaus steht, befand sich das Kaufhaus „Tietz“. Ungefähr dort wo jetzt das Kino steht gab es das Kaufhaus „Wertheim“ und das Polizeipräsidium un der Otto-Braun-Str. war Büro und Lagerhaus der Fa. Wertheim.

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