Kollegiker

Es gibt einige Taxihalten in Berlin, die etwas kompliziert oder gewöhnungsbedürftig sind. Vor allem, wenn die Nachrücken in mehreren Reihen nebeneinander liegen, wie am Hauptbahnhof oder an den Flughäfen, bedeutet das eine gewisse Einschränkung der Bewegungsfreiheit.

Darunter litt offenbar der Kollege von „Speed-Taxi“, was bei dem Namen nicht verwundert. Er stand unter den Gleisen vom Hauptbahnhof, ziemlich genau in der Mitte der Rücke, und wollte raus. Links zwei Reihen anderer Taxis, rechts noch eine, plus massive Säulen. Vor und hinter ihm standen ebenfalls mehrere Autos, es gab kein Entkommen. Er versuchte es trotzdem. Zuerst legte der Fahrer einfach nur den Rückwärtsgang und fuhr demonstrativ ruckartig nach hinten, bis er fast den Hintermann berührte. Nach einer halben Minute begann er zu hupen. Falls irgend einer der rund 80 anwesenden Kollegen das Theater noch nicht bemerkt hätte – ab diesem Moment nahmen wir alle interessiert Platz.

Natürlich konnte das Taxi hinter dem Speedler nicht wegfahren, da er ja selber eingekeilt war. Daraufhin stieg der gestresste Kollege vorn aus und schrie nach hinten: „Fahrt doch mal raus. Seht Ihr denn nicht, dass ich hier raus will? Ich habe einen Funkauftrag!“
Man kann sicher prima darüber streiten, wie sinnvoll es ist, in dieser Situation einen Auftrag anzunehmen. Stattdessen riefen aber gleich mehrere Kollegen in Richtung des Cholerikers: „Wir wussten gar nicht, dass Speed-Taxi einen Kunden hat!“, und ähnliche Sprüche. Das beruhigte die Lage natürlich nicht, sorgte aber für viel Gelächter bei uns anderen.

Als die rechts von ihm stehende Reihe langsam vorrückte, stieß er mit seinem Wagen rüber und etwas zu schnell auf den doch recht hohen Bürgersteig. Das Geräusch war sehr hässlich. Unbezahlbar aber der Blick dieses Kollegen, als er merkte, dass er dort massiven Säulen, vorn und hinten großen Pollern und auf der anderen Seite weiteren Taxireihen gegenüber stand.

Natürlich ist Schadenfreude böse, aber manchmal doch angebracht. Wenigstens konnte er wieder rückwärts in die Reihe, wo er auch bald bis an die zweite Stelle aufrückte. Sein Funkauftrag dürfte schon eine Viertelstunde alt gewesen sein, trotzdem fing er wieder an. Diesmal wollte er den Wagen vor ihm zur Seite hupen, doch der Kollege stellte sich stur. Man hätte auch aussteigen können und ihn bitten, das Auto raus zu lassen, aber gleich zu hupen ist keine feine Art.

Die rund 20 Kollegen, die in Grüppchen zwischen ihren Wagen herum standen, protestierten jetzt lautstark gegen den Krach des Cholerikers. Das störte den jedoch nicht, erst nach ein, zwei Minuten gab er auf.
Als das Taxi vor ihm endlich nach vorne fahren konnte, gab der Speedtaxler Gas, mit quietschenden Reifen verschwand er Richtung Alt-Moabit. Damit hat er es uns aber gezeigt. Wir waren alle tief beeindruckt…

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