Weihnachtsfeiern

Sie sind ab Anfang Dezember sehr wichtig für’s Geschäft. Durch die Weihnachtsfeiern von Betrieben, Vereinen und Behörden steigen die Umsätze um schätzungsweise 20-30 Prozent – vorausgesetzt, man fährt zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Weihnachtsfeiern bedeuten meist gut gelaunte Fahrgäste und oft auch längere Touren, wenn man gleich mehrere der Kollegen nacheinander nach Hause bringt. Mir kommt es vor, als gab es in diesmal mehr Weihnachtsfeiern, als in den vergangenen Jahren. Definitiv weniger sind es in dem Betrieb, in dem ich arbeite. Seit 2006 habe ich gerade zwei erlebt, also durchschnittlich alle drei Jahre. Das ist sehr schade, aber offenbar will der Chef damit die gestiegenen Spritpreise wieder wettmachen.

Bei meinen Fahrgästen merke ich jedenfalls, dass solche Feiern sehr wichtig sein können für das Klima unter den Kollegen. Für den Taxifahrer sind vor allem die Beobachtungen interessant, die er auf der Fahrt macht. Da hat man den – meist sehr lauten – „tollen Hecht“ im Auto, der die Kolleginnen anbaggert und vermeintlich coole, tatsächlich aber bekloppte Sprüche macht. Oder die schüchterne Sekretärin, die selbst angetrunken noch darauf achtet, stets seriös und zurückhaltend zu wirken. Standard sind auch die Frauen Typ „Sachbearbeiterin“, die im Firmenalltag durchblicken und das Gros der Arbeit machen. Sie kennen alle Angestellten und haben zu jedem eine Meinung, die im Taxi ausführlich diskutiert wird.
Als Taxifahrer erfahre ich so, dass der Abteilungsleiter Krüger schwul ist, wenn er zu viel getrunken hat. Dass der Chef der Buchhaltung was mit einer Türkin hat, obwohl er noch gar nicht richtig geschieden ist. Und auch, dass sich der neue Azubi ziemlich dämlich anstellt und sich jeden Tag im Klo einen runterholt. „Aber süß ist er ja.“

Am Schlimmsten ist es jedoch, wenn sie über die Kolleginnen herziehen mit denen sie eben noch zusammen gefeiert haben. Ohne mich dagegen wehren zu können muss ich mir anhören, wie dick doch die Heidi geworden ist, wie alt die Steffi und dass Susanne auch immer zickiger wird – „dabei hat die es gerade nötig!“ Ich versuche bei solchen Hinrichtungen immer, mich ausschließlich auf’s Fahren und das Radio zu konzentrieren. Kürzlich aber wurde ich von einer dieser Bestien gebeten, das Radio auszuschalten, obwohl es wirklich nicht laut war. Die Damen wollten wohl, dass ich leide.
Mittlerweile sind die Feiern schon wieder passé und die normale Weihnachtsflaute setzt ein. Und schon vermisse ich die beschwippsten Ladys. Beziehungsweise ihr Fahrgeld.

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4 Kommentare

  1. und in den einschlägigen Frauenzeitschriften heisst es immer, dass Männer gerne wüssten worüber sich Frauen unterhalten, wenn sie mit „Freundinnen“ (ab)quatschen. Die Antwort ist so einfach.

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