Ostern am Brandenburger Tor

Der Nachmittag ist wunderschön sonnig, ich stehe mit dem Taxi schon früh auf dem Pariser Platz. Es war schwierig, überhaupt bis zur Halte zu kommen, so voll ist der Platz mit Touristen und Ausflüglern. Dick eingepackt sind die meisten, nur einige Jogger dazwischen in leichter Kleidung.

Wie immer ist das Brandenburger Tor Magnet des Platzes, ständig hält sich jemand seine Digitalkamera vor’s Gesicht, ob er etwas auf seinem Display erkennen kann, wenn er so direkt gegen die Sonne fotografiert? Von irgendwo erklingt Musik, lateinamerikanische, aber ich sehe keine Musiker. Neben der Taxihalte ist ein Stand aufgebaut, Falun Gong, ein großes Transparent im Hintergrund klagt Todeslager in China an. Während zwei Leute Flugblätter an die Passanten verteilen, sitzen fünf ihrer Anhänger daneben und meditieren mit zu einer offenen Blüte gefalteten Händen. Die Touristen interessieren sich nur für dieses Bild, die Flugblätter nehmen sie nicht.
In der Mitte des Platzes fährt eine Pferdekutsche vor, auch sie wird gleich als Attraktion bestaunt und fotografiert. Ich höre jemanden sagen „Scheiß Taxis“: Er will das Tor fotografieren, aber unsere Autos stehen im Weg. Ich wünsche mir, dass ich ihn heute nochmal wiedersehe, wenn er vielleicht ein Taxi braucht.
Mitten auf dem Pariser Platz steht ein Gestell, mit dem der Senat für seine be-Berlin-Kampagne wirbt. Dahinter Schauspieler in Uniformen der NVA, sie lassen sich ebenfalls fotografieren. Eben kommt eine Gruppe von etwa 20 Männern an, alle in schwarzem Leder. Zu Ostern ist in Berlin immer das schwule Ledertreffen, dort haben sie wohl gerade Pause. Dazwischen zahlreiche zahnspangige Jungs und Mädchen, allerdings mit Eltern und nicht im Rudel wie sonst. Jetzt sind ja Ferien, da kommen keine Schulklassen nach Berlin.
In der Zwischenzeit geht es am Halteplatz langsam vorwärts. Alle fünf Minuten rücke ich ein paar Meter vor, als etwa 10. Wagen kann ich mir ausrechnen, wann ich hier weg komme.
Neben mir plötzlich Geschrei. Ein Tourist ist einem Kollegen beim Fotografieren rückwärts ins Taxi gelaufen und beschimpft ihn jetzt, anstatt sich zu entschuldigen. Der Kollege brüllt zurück, hier haben sich ja die Richtigen gefunden. Noch während ich mir den Streit anhöre, macht es „Ding dong“ und die Zentrale schickt mir einen Auftrag aufs Display. Als ich zwei Stunden später wieder am Adlon vorbeikomme ist der Pariser Platz halb leer, es dämmert schon, die Touristen gehen jetzt zum Abendessen. Und meine Nacht fängt nun erst richtig an.

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