Tod der letzten Mohikaner

Der 30. Januar 2012 wird ein histo­ri­sches Datum. Ab diesem Tag wird es keinen nennens­wer­ten Musik-Club im Prenz­lauer Berg mehr geben, weil nun auch noch der Klub der Repu­blik schlie­ßen muss. Die schwä­bi­sche Inva­si­ons­macht hat es geschafft. Zahl­rei­che kleine und große Clubs wurden in der vergan­ge­nen Jahren verdrängt, Namen wie Knaack, Magnet oder Icon waren nur die bekann­tes­ten. Die unbe­kann­te­ren in den Kellern des Pfef­fer­bergs oder den Hinter­häu­sern der Kasta­ni­en­al­lee sind schon viel länger tot. Geop­fert dem Profit­stre­ben von Immo­bi­li­en­haien und der Spie­ßig­keit zuge­zo­ge­ner Dorf­ies, die in einer leben­di­gen Stadt wohnen, aber trotz­dem um 22 Uhr die Bürger­steige hoch­klap­pen wollen.

Der Klub der Repu­blik gehörte zu denje­ni­gen, die wirk­lich offen waren. Keine arro­gan­ten Türste­her, die einen Dress­code durch­setz­ten oder dafür sorg­ten, dass keine Migran­ten “wegen Über­fül­lung” hinein­kom­men, wie es mitt­ler­weile sogar in Kreuz­ber­ger Clubs vorkommt. Die lockere Atmo­sphäre im Gebraucht­de­sign war ein Spie­gel­bild der gespiel­ten Musik. Keine edle Hoch­kul­tur der Besser­ver­die­nen­den, die den Kiez mitt­ler­weile prägen.
Die Entwick­lung des alter­na­ti­ven, lebens­of­fe­nen Bezirks zur bürger­li­chen Klein­stadt ist abge­schlos­sen, die letz­ten Mohi­ka­ner aus einer ande­ren Zeit sind fast ausge­rot­tet. Die Vertrei­bung aus den Grün­der­zeit­bau­ten war erfolg­reich, wer sich keine Eigen­tums­woh­nung leis­ten kann, hat hier keine Chance mehr. Oder er muss Mieten zahlen, die das Doppelte von vergleich­ba­ren Wohnun­gen in ande­ren Stadt­tei­len kosten. Altein­ge­ses­sene Mieter gibt es zwischen Wiechert- und Torstraße kaum noch. Mit dem Abräu­men der letz­ten Clubs werden nun auch die Über­bleib­sel einer Kultur besei­tigt, die den Prenz­lauer Berg erst geprägt haben. Übrig bleibt ein Disney­land, in dem sogar die Graf­fi­ties von Maler­fir­men mit Spezi­al­farbe behan­delt werden, damit niemand etwas drüber­spü­hen kann. Diese Reali­tät ist nur noch ein Potem­kin­sches Dorf.

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Zufallstreffer

Moabiter Orte

Die Polizei

„Der Poli­zei­prä­si­dent in Berlin“ war über Jahr­zehnte auch in Moabit sehr präsent. Wachen und andere Stütz­punkte findet man in der Perle­ber­ger Straße, Inva­li­den­straße, Krupp­straße, im Neuen Ufer und zwei­mal Alt-Moabit. Dazu kommt die Bundes­po­li­zei am […]

Berlin

Liebe Touristen

Ich freue mich sehr, wenn Ihr unsere Stadt besucht. Schon allein deshalb, weil Ihr so dafür sorgt, dass ich einen Teil meiner Miete zahlen kann. Aber: Weil es natür­lich schwer ist, sich in frem­den Städ­ten […]

Berlin

Denk mal

Berlin ist nicht gerade arm an Denk­mä­lern. Am Großen Stern im Tier­gar­ten steht beson­ders prot­zig der Eiserne Kanz­ler Bismarck, am Olym­pia­sta­dion werden die stol­zen Recken des groß­deut­schen Reichs­sports in Stein geehrt, und dann gibt es […]

5 Kommentare

  1. Ich wünschte mir einen Mann vom Format eines Siefried Kracauer der all den Gentri­fi­zie­rungs­ver­nied­li­chern, z.B. auch und gerade beim Tages­spie­gel eine fundierte Analyse der Gegen­wart vorle­gen könnte. Nein alle geiern, ob sie nicht vom Kuchen der Schwa­ben etwas abbe­kom­men können.… Kriegs­ge­winn­ler, während sie durch die Asche ihrer eige­nen Vergan­gen­heit stap­fen und Apps unter das Volk werfen und um ein “gefällt mir” winseln.

  2. Das grenzt ja hier an Frem­den­feind­lich­keit, die Südwest­men­schen tun nichts ande­res, eher sanf­ter, als das was ganze Scha­ren von Altbun­des­bür­gern (mit Hilfe der Treu­hand) vor 20 Jahren flächen­de­ckend auf dem Gebiet der Ex-DDR mit zum Teil wesent­lich bruta­le­ren Metho­den (z.B. der Markt­be­rei­ni­gung durch Kali & Salz) mit freund­li­cher Unter­stüt­zung der Poli­tik und der Gewerk­schaf­ten vorge­nom­men haben.
    Die Gentri­fi­zie­rung ist nicht aufzu­hal­ten, genauso wenig wie es Ebbe und Flut sind.
    Man sollte damit seitens der Kommu­nal­po­li­tik aber besser umge­hen, d.h. der Passi­vi­tät des “ewigen” Wowe­reit-Senats bezgl. des Mieter­schut­zes ein wenig Feuer unterm A. machen.

  3. @ Tom
    Nee, Frem­den­feind­lich ist das nicht — mir geht es ja nicht darum, dass keine “Frem­den” nach Berlin kommen dürfen.
    Und natür­lich bezieht es es nicht nur auf die “Südwest­men­schen” (schö­nes Wort!), sie stehen eher als Synonym. Außer­dem kenne ich selber ein paar ganz nette Schwa­ben, die aller­dings nicht versu­chen, die Stadt zu einem Dorf zu machen.
    Ansons­ten sehe ich Gentri­fi­zie­rung nicht als Natur­ge­setz an, sie wird schließ­lich sehr bewusst von Menschen gemacht.

    Die Ankün­di­gung von Wowe­reit, 30.000 Wohnun­gen bauen zu lassen, die nicht im Hoch­preis­seg­ment liegen, ist ja ganz schön — aber das verhin­dert nicht, dass immer mehr Menschen sich die Stadt nicht mehr leis­ten können. Das beob­achte ich zurzeit auch in meinem eige­nen Umfeld.

  4. & Aro
    Berlin ist nun mal ein Dorf, und ein sehr klei­nes.
    Ich wohne in jwd (Köpe­nick) und bin trotz­dem in 30 Min. am Pots­da­mer Platz, hier gibt es bezahl­bare Mieten aber junge Leute wollen hier nicht hin. Viel­leicht weil sie keine frische Luft mögen.
    Den Ankün­di­gun­gen von Hr. Wowe­reit traue ich schon lange nicht mehr. Es ist aber nun mal Fakt, dass das (ehem. zerstörte und durch die Mauer kaputt gemachte und jetzt lang­sam wieder entste­hende) Berlin-Zentrum attrak­ti­ver wird. Selbst Neukölln wird “entmie­tet” durch ETW. (Grae­fe­vier­tel)
    Ich finde diese Entwick­lung eigent­lich nicht schlecht, jeden­falls viel viel besser als solche Geschich­ten mit Satel­li­ten-Städ­ten a la Paris oder anderswo. Wir werden uns schon zusam­men­kle­ben lassen. Ein viel größe­res Problem ist, dass durch ALGII viele ihr Einkom­men verlie­ren (und ihre Erspar­nisse) und aus diesen Grün­den ihre Wohnung verlas­sen müssen. Wenn wir die Sozi­al­struk­tur von Stutt­gart hätten würden wir als “Wutbür­ger” evtl. um jeden Baum um Ostkreuz strei­ten aber nicht um jede Bar oder Disko und erst Recht nicht um unsere Wohnung.
    Wir sind aber nun mal arm — und da kommen die (vermeint­lich) Reichen und nehmen uns unse­ren Heimat­bio­top — können sie nicht — weil sie begrei­fen ihn nicht, irgend­wann sind sie auch wieder weg. Haupt­sa­che sie finan­zie­ren zwischen­zeit­lich unsere 3 Opern. Viel­leicht findet sich auch einer, der das Schloss Belle­vue kauft, um eine Vernis­sage zu zele­brie­ren — das wäre ein Feier­tag!

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