Endlich Weihnachten!

Seit Mitte Dezember lief das Taxigeschäft extrem bescheiden. Vor allem nach Silvester ist nichts mehr drin, da lohnt es sich kaum noch, überhaupt zu fahren. Wartezeiten von einer Stunde sind die Regel, es können auch mal zwei sein. Und dann freut man sich schon, wenn der Umsatz einer Tour 5 Euro übersteigt.
Aber es passt ja: Draußen ist es diesig, die Sonne kommt so gut wie nie hervor und am Nachmittag wird’s schon wieder dunkel. Finster ist dann auch die Stimmung, nur die Sitzheizung gibt sich Mühe, einem wenigstens ein bisschen Wärme zu spenden.

Das alles aber ändert sich schlagartig, wenn die Fashion Week beginnt. Die Modemesse, die zweimal jährlich am Flughafen Tempelhof und an etwa 50 weiteren Orten stattfindet, ist für uns Taxifahrer wie Weihnachten. Nur besser. Der Umsatz ist rund doppelt so hoch wie an einem durchschnittlichen Arbeitstag, Zeit zum Lesen, Essen oder Pinkeln gibt es kaum.

Natürlich ist gerade in diesen wenigen Tagen wichtig, einigermaßen flexibel zu sein. Wer jetzt an seiner Stammhalte klebt, wird von dem Boom nicht viel merken.
Spätestens wenn die Bread & Butter im Flughafen am frühen Abend schließt, beginnt die Jagd. Man muss rauskriegen, wo denn an diesem Tag die wichtigsten Partys sind, und vor allem wann. Denn anders als sonst beginnen manche schon am Nachmittag und enden bereits um 19 Uhr, wie heute z.B. im Tresor, wo ansonsten die Messe „Show&Order“ läuft. Andere öffnen erst morgens um Eins. Und praktisch keine von denen ist vorher angekündigt, so dass man sich kaum vorbereiten kann. Also habe ich mir angewöhnt, meine Fahrgäste entsprechend auszufragen. Immerhin hatte ich von 22 Fahrten 90 Prozent Mode-Kundschaft und die haben mir einige gute Tipps gegeben.
Natürlich gibt’s auch Gegenden, in denen man einfach nur herum fahren muss, um Kundschaft zu finden. Heute Nacht war das rund um die Münzstraße, morgen kann es aber auch die Schönhauser Allee sein oder die Oranienstraße. Mal schaun.

Das Schönste aber war, dass ich praktisch nur nette, freundliche und fröhliche Fahrgäste hatte. Ich habe richtig gemerkt, wie positiv sich das auf die eigene Stimmung auswirkt.
Als ich zwei Fahrgäste zum Sage Restaurant brachte und gerade wieder wegfahren wollte, kam der Chef mit einem Tablett raus und bot mir einen Expresso an. Erst lehnte ich ab, aber er schaute mich so lieb an, dass ich doch einen nahm. Dabei hatte ich erst eine halbe Stunde zuvor meinem Kollegen Sash erklärt, dass ich nachts niemals Kaffee trinke. Tja, so schnell geht das manchmal mit dem Über-Bord-schmeißen von Prinzipien. Aber egal, es ist ja Weihnachten :-)

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4 Kommentare

  1. Also ich als Tagfahrer kann Dir sagen, die Mode-Woche ist bisher sehr entäuschend. Immer nur der Taxi-Shuttle von Premium zur B&B bzw. umgekehrt. (Heute sechs Mal) Und je nach Tageszeit braucht man dafür rund 20 Minuten. Höllischer Verkehr. Bis jetzt weit unter den Vorjahresumsätzen.
    Wenn ich heute nicht die zwei Fahrten nach SXF gekriegt hätte, wäre es ganz traurig geworden.

  2. Heute Nacht war’s bei mir auch etwas klebriger.
    Allerdings hat „mein“ Tagfahrer gestern auch mehr als das Doppelte eines normalen Tags eingefahren.
    Das zeigt wieder: Es ist immer auch Glück (oder Pech) dabei.

  3. Hey Aro. Ich finde Deine Beschreibung gut. Ein Taxifahrer muß eben flexibel sein. So wie ein Jäger der weiß wann und wo das Wild ist.

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