Schnarch-Taxi

Vier Autos stan­den an der Taxi­halte auf dem Mittel­strei­fen des Kudamms. Mitter­nacht war längst vorbei, eigent­lich sprach nichts dafür, mich dort als Fünf­ter anzu­stel­len. Ich tat es trotz­dem, wollte nicht noch weiter sinn­los leer herum fahren. Nach ein paar Minu­ten fuhr der erste Wagen los, der zweite rückte nach vorn. Aber der dritte, der jetzt Zwei­ter war, bewegte sich nicht. Das Taxi hinter ihm fuhr kurz danach an ihm vorbei und setzte sich vor hin. Offen­bar war der Fahrer der 3. Posi­tion einge­schla­fen. Wieder einige Minu­ten später war er wach und merkte, dass plötz­lich ein ande­res Auto vor ihm stand. Der Kollege stieg aus und stellte den Fahrer zur Rede, der ihn über­holt hatte. Obwohl zehn Meter zwischen uns waren und rechts und links die Autos vorbei fuhren, hörte ich einige sehr unfreund­li­che Worte. Der frisch Erwachte zog sich dann aber wieder in sein Auto zurück.

Zehn Minu­ten später: Eine kleine Gruppe Jugend­li­cher enterte die ersten beiden Wagen, aber wieder zog der Kollege nicht nach vorn, obwohl nun niemand mehr vor ihm stand. Ich hupte ihn an, doch er reagierte nicht. Ich bin dage­gen, solche Situa­tio­nen zum eige­nen Vorteil auszu­nut­zen, aber in einem solchen Fall halte ich es doch für besser, dass er seinen Schlaf hat, anstatt während einer Tour mit Fahr­gäs­ten einzu­ni­cken. Bevor ich jedoch über­haupt den Motor ange­las­sen habe, um an ihm vorbei­zu­fah­ren, wachte er auf und fuhr nach vorn, ich hinter­her. Dann stieg er aus, kam zu mir nach hinten und brüllte mich an, dass wir doch alles Kolle­gen­schweine wären, und ihn nur fertig­ma­chen woll­ten. Offen­sicht­lich war er ziem­lich frus­triert, deshalb ging ich nicht weiter darauf ein, sondern bat ihn nur darum, sich zu beru­hi­gen. Wütend stieg er wieder in sein Auto.

Wieder dauerte es einige Minute, bis sich ein älte­rer Herr näherte, in das Auto des Kolle­gen schaute und vorsich­tig an die Seiten­scheibe klopfte. Dann kam er zu mir, stieg ein und nannte sein Fahr­ziel. “Ihr Kollege schläft wohl schon”, meinte er, als wir lang­sam an ihm vorbei fuhren. Tatsäch­lich hatte der seinen Kopf nach hinten und man sah förm­lich sein Schnar­chen.
Man sollte wissen, wann es Zeit ist, Feier­abend zu machen. Ande­rer­seits weiß ich auch, dass man bei schlech­ten Umsät­zen oft verzwei­feln kann und dann lieber noch ein paar Stun­den hinten ranhängt. Aber klug ist das nicht.

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2 Kommentare

  1. Da muss ich dir Recht geben. So sehr ich auch Mitleid mit Kolle­gen hab, die das auf sich nehmen — bzw. glau­ben, dass zu müssen — so sehr würde ich doch sagen dass jeder Taxi­fah­rer, der schläft, einer zu viel auf der Straße ist.
    Ich hab natür­lich auch schon mal die Augen am Stand zuge­macht. Ist ja auch eine schön entspan­nende Sache. Aber ich hätte mich anders­rum auch nie aufge­regt, wenn dann nach länge­rer Zeit ein Kollege vorbei­ge­zo­gen wäre.
    Mal ehrlich: Wenn nicht einmal mehr der Kaffee hilft, den wir offen­bar alle in absur­den Mengen konsu­mie­ren, dann soll­ten wir wohl auch nicht mehr am Stra­ßen­ver­kehr teil­neh­men.

  2. In meinen Augen ist der Schnar­cher ein glück­li­cher Mensch! Das meine ich abso­lut nicht hämisch. Ich selbst wäre froh, wenn ich es hinbe­käme, in Totzei­ten ein Nicker­chen zu halten. Bei mir funk­tio­niert das aber nicht. Dabei erfor­dert es noch nicht mal ein Geräusch, um mich auf den Plan zu rufen. Es reicht schon zu denken, es könnte jemand kommen! Wenn man so will, bin ich auch ein glück­li­cher Mensch, denn ich habe immer­hin noch die Hoff­nung, es könnte etwas passie­ren.

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