Gerechte Strafe?

Als im vergan­ge­nen Sommer allnächt­lich Autos brann­ten, war auch der 28-jährige André Hauser1 daran betei­ligt. Drei Monate lang, von Juni bis August, zündete er über­all in der Stadt Autos der eher teuren Marken an. Auslö­ser war vermut­lich der Frust über sein eige­nes Leben. Da es zu dieser Zeit viele poli­ti­sche Brand­an­schläge gab, wollte er sich betei­li­gen, auch ohne poli­ti­schen Hinter­grund.
Aber ist es wirk­lich so? Sind die Anschläge von Hauser nicht auch poli­tisch, selbst wenn er selber es nicht so sieht?
Letzt­end­lich sind sie eine Reak­tion auf die Verhält­nisse in denen er steckte. Trotz Ausbil­dung bekam er keinen Job, die Mutter schwer krank, wenig Perspek­ti­ven. Sicher ist das keine Entschul­di­gung für die Brand­stif­tun­gen, das sagt er ja auch selber. Aber als unpo­li­tisch möchte ich das trotz­dem nicht bezeich­nen.

Und nun das Urteil: Sieben Jahre Haft. Mögli­cher­weise hat die Hetze in einige Medien (“Sozi­al­neid!”) einen Teil dazu beigetra­gen, dass das Urteil so hoch ausfiel. Während erst vor eini­gen Tagen ein Mann auf Bewäh­rung verur­teilt wurdem der in Char­lot­ten­burg einen Jugend­li­chen in den Tod gejagt hatte, muss André Hauser für Jahre hinter Gitter blei­ben. Und das, obwohl niemand verletzt wurde und der all seine Taten offen­ge­legt hat. Sind deut­sche Autos mehr wert, als Jugend­li­che, deren Eltern einst in Deutsch­land einge­wan­dert sind?

Ohne seine ausführ­li­chen Aussa­gen hätte man André Hauser keinen einzi­gen dieser Anschläge nach­wei­sen können, betonte der Kripo-Vertre­ter vor Gericht. Doch es wurde ihm nicht gedankt. Offen­bar wollte die Rich­te­rin ein Abschre­ckungs­ur­teil spre­chen, was schon sehr der Recht­spre­chung in Dikta­tu­ren erin­nert. Nicht die indi­vi­du­elle Schuld ist wich­tig, sondern die allge­meine poli­ti­sche Lage. Mit Gerech­tig­keit hat das nichts zu tun. Und es wird künf­tige Täter lehren, bei der Poli­zei lieber kein Geständ­nis abzu­le­gen.

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Fast im Jahr 2020 ange­kom­men gibt es wieder alle mögli­chen Jahres­rück­bli­cke. Einer davon ist der des Pots­da­mer Hasso-Plat­t­­ner-Insti­­tuts. Und wie jedes Jahr steht darin das belieb­teste Pass­wort bei den Deut­schen. Es lautet: 123456, gleich danach […]

6 Kommentare

  1. Als ich von dem Urteil hörte, hab ich an dich gedacht und was du dazu schrei­ben wirst.
    Einer­seits 7 Jahre Haft für einen hohen Sach­scha­den mit abstrak­ter Gefähr­dung von Menschen­le­ben, ande­rer­seits 4 Jahre Bewäh­rung (?) für eine Schlä­ge­rei mit Todes­folge (“wäre das Opfer halt lang­sa­mer wegge­lau­fen”).
    Es ist immer proble­ma­tisch über Urteile zu urtei­len, wenn man die Details nur aus den Medien kennt, aber das Mißver­hält­nis wird hier wirk­lich deut­lich.

  2. Aro, das Gejam­mer “die Umstände sind schuld” kann ich nicht mehr hören. Wer irgend­wel­che Taten mit den Umstän­den entschul­digt, spricht dem Täter damit seine geis­tige Mündigkeit/Selbststeuerungsvermögen ab. Und nur die Fähig­keit zur eige­nen Entschei­dung ist das, was einen Menschen zum Menschen macht. Schiebt man es auf die Umstände, spricht man ihm hinten­rum das Mensch­sein ab (“Die Wesen, deren Dasein zwar nicht auf unse­rem Willen, sondern der Natur beruht (Anmer­kung von mir: den Umstän­den), haben dennoch, wenn sie vernunft­lose Wesen sind, nur einen rela­ti­ven Wert, als Mittel, und heißen daher Sachen, dage­gen vernünf­tige Wesen Perso­nen genannt werden…” — Kant).

    Deswei­te­ren: man sollte doch mal über­le­gen, welche Werte er mutwil­lig vernich­tet hat. Ein Neuwa­gen kostet unge­fähr ein Jahres­ein­kom­men. Ein guter Gebrauch­ter (im Schnitt 3 Jahre) 2/3 eines Jahres­ein­kom­mens. Bei 100 ange­zün­de­ten Autos haben da also 60 Menschen jeweils ein Jahr ihres Lebens umsonst gear­bei­tet. Nur weil jemand Frust schob.

    Man hat die Frei­heit, etwas zu tun. Man hat aber auch die Frei­heit, etwas zu lassen.
    Und wer meint, daß es ihm an Perspek­ti­ven mangelt, der soll sich Perspek­ti­ven schaf­fen. Dazu muß er aller­dings Opfer brin­gen, gebra­tene Tauben flie­gen einem aber hier für gewöhn­lich nicht in den Mund.

  3. @ Bernd K.
    Was Andrés Prozess betrifft, kenn ich das nicht nur aus den Medien.

    @ Zero the Hero
    Wo siehst Du eine Entschul­di­gung aufgrund der Umstände? Davon habe ich nichts geschrie­ben. Natür­lich ist André H. für seine Taten verant­wort­lich und das sieht er auch selber so. Und ich auch.
    Aber: Es geht hier nur um Autos, nicht um Menschen­le­ben! Das recht­fer­tigt keine so lange Haft­strafe.

    Was soll der Spruch mit den gebra­te­nen Tauben? Du kennst André nicht, saonst wüss­test Du, dass das nicht stimmt. Das ist die glei­che Hetze wie in den Boule­vard­me­dien, die mal wieder jeman­den über die Klinge sprin­gen lassen wollen, wie sie es auch bei ihm gemacht haben.

  4. Zur “Entschul­di­gung” zitier ich Dich mal:
    “Letzt­end­lich sind sie eine Reak­tion auf die Verhält­nisse in denen er steckte. ”

    Und ich sehe die Haft­strafe durch­aus als gerecht­fer­tigt an, es war geziel­tes, dauer­haf­tes Handeln (kein “Augen­blicks­ver­sa­gen”) im Spiel.
    Brand­stif­tung ist eben rechts­ge­schicht­lich eine sehr verwerf­li­che Straf­tat und steht übri­gens in der Schwe­re­ka­te­go­rie gleich neben “Taxi­fah­rer ausrau­ben”.
    Jugend­strafe (wie bei den “Tothet­zern”) kam auch nicht mehr in Betracht (für Tothet­zen gibts tradio­nell nur Bewäh­rung als Jugend­strafe, siehe 99 in Guben).
    Der 21jährige hat eben massi­ves Glück gehabt, daß er so unge­recht güns­tig mit wegge­kom­men ist.

  5. Nein, das ist keine Entschul­di­gung, sondern eine Erklä­rung. Entschul­di­gung bedeu­tet, die Schuld zu nehmen und das tu ich nicht.
    Und dieje­nien, die Taxi­fah­rer ausrau­ben, kommen meist mit weni­gen Mona­ten Knast weg.

  6. Moin, moin,
    unser Straf­recht ist da schon ziem­lich merk­wür­dig. Gene­rell werden Straf­ta­ten gegen das Eigen­tum bzw. Vermö­gen mit rela­tiv höhe­ren Stra­fen bedroht, als Straf­ta­ten gegen Leben und Gesund­heit.
    Hier zeigt sich, dass das StGB schon eine sehr lange Geschichte hat. Die dama­li­gen (Feudal)Herren hatten eben deut­lich mehr Angst um ihr Eigen­tum als um ihr Leben. Das spie­gelt sich eben in den entspre­chen­den Geset­zen.
    Die Gerichte haben dann wenig Wahl, die müssen das umset­zen.

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