Trauriger SEV

Seit 2010 bin ich ja „offizieller Fahrer“ für den BVG-Schienenersatzverkehr. Oft kommt es nicht vor, dass ich auch tatsächlich angefordert werde, das letzte Mal ist schon über ein Jahr her. Umso erfreuter war ich, als ich am frühen Abend zum Theodor-Heuss-Platz beordert wurde, als einer von sechs Taxifahrern. Vor Ort wartete bereits ein BVG-Mensch, der mir einen Platz zuwies. Auf meinem Display konnte ich im Auftrag lesen, dass ich vom Theo über U-Bhf. Neu-Westend zum Olympiastadion fahren sollte. Den letzten Teil der Strecke zum Bahnhof Ruhleben fuhren die U-Bahnen offenbar noch. Schon nach drei Minuten stiegen die ersten Fahrgäste ein. Der BVG’ler hat sie am Ausgang angesprochen, nachdem sie den Zug verlassen mussten. Es gab unten offenbar auch eine Ansage, dass man mit dem Schienenersatzverkehr per Taxi weiterfahren kann.
Um 21 Uhr sind die Bahnen ja nicht mehr so voll, deshalb nahm ich nur zwei Leute mit. Die Kollegen sollten ja auch noch was zu tun haben.

Als wir am Bahnhof Neu-Westend vorbei fuhren, sah es aus wie nach einer Katastrophe. Neben drei Krankenwagen standen rund zehn größere Feuerwehrwagen auf der Kreuzung, darunter Gerätewagen und andere Spezialfahrzeuge. Außerdem mehrere Polizeiwagen, überall zuckendes Blaulicht. Offenbar gab es im Bahnhof einen Unfall. An einen sogenannten „Menschenschaden“ (also einen Selbstmord) glaubte ich nicht, weil dafür nicht so viel Feuerwehrwagen kommen würden.

Nach einer halben Stunde Pendeln stieg mir am Theodor-Heuss-Platz eine Dame ins Taxi, die nur bis zum nächsten Bahnhof wollte. Auf der Fahrt erzählte sie, dass sie vorhin beobachtet hatte, wie jemand vor den Zug gesprungen ist. Man will sich nicht ausmalen, was genau passiert ist, wenn dann so viel Spezialkräfte der Feuerwehr gebraucht werden. Gerade als die Dame in Neu-Westend aus dem Auto stieg, wurde aus dem Bahnhof der Plastiksarg hoch getragen. Ich sah neben dem Polizeiwagen, dass sich dort vorher jemand übergeben hatte. Es muss ein schlimmer Anblick gewesen sein.

Als mein Einsatz nach einer Stunde beendet war hatte ich zwar fast 40 Euro Umsatz gemacht (den die BVG zahlt). Aber aufgrund der Umstände konnte ich mich nicht so richtig darüber freuen.

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4 Kommentare

  1. @ mime
    Sorry, aber: Falls Du damit den Menschen meinst, der vor den Zug gesprungen ist, halte ich den Kommentarfür ziemlich daneben.

  2. nee aro, das „sorry“ muss ich mal kurz zurückgeben.
    grundsätzlich bin ich der meinung, dass jeder das recht auf seinen tod hat und behandle solches auch als, sozusagen letzte „persönliche erklärung“; das wird weder kommentiert noch diskutiert! es gibt auch ausreichende möglichkeiten dies zu tun. vor aller augen vom bahnsteig zu hopsen ist allerdings mit die asozialste form der entleibung; in aller regel kennt dich zwar niemand der anwesenden, darf sich aber unter umständen noch sehr lange zeit mit dem gesehenen beschäftigen – nee, das ist einfach assimässig und darf auch kommentiert werden!

  3. Nicht das Kommentieren stört mich, sondern die Aussage „15 min. ein Star“. Es ging demjenigen sicher nicht darum, berühmt zu werden. Auch ich finde die Umstände ätzend, andererseits ist ein Mensch der sich selber das Leben nimmt, sicher völlig verzweifelt. Starambitionen hat er dabei sicher nicht.

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