Noch vor 40 Jahren galten Computer für viele Menschen generell als Bedrohung. Sie dienten der Überwachung der Bürger, eigentlich verband man mit ihnen nur Böses. Die Skeptiker von damals haben Recht behalten, aber weil Microsoft und Apple dafür gesorgt haben, dass Computer auch positiv genutzt werden, wird die Bedrohung nicht mehr als so schlimm empfunden. Dabei sind die Auswirkungen heute viel weitgehender, als man es in den 80er Jahren befürchtete. Bewegungsprofile der einzelnen Bürger sind längst erstellbar, biometrische Daten wie Fingerabdrücke, Augenscan und individuelle Gesichtsmerkmale zu sammeln, wird derzeit gerade normal. Dazu kommen die zahlreichen Daten, die viele freiwillig herausrücken, bei Facebook, an der Supermarktkasse oder bei Gewinnspielen.
Natürlich kann man sich auch heute noch in einem gewissen Rahmen davor schützen, aber auch das wird künftig schwieriger. Der Schlüssel für die ganze Entwicklung heißt IPv6 und ist der Nachfolge-Standard von IPv4. Das hört sich nicht so schlimm an, aber die Änderungen sind vergleichbar mit dem Schritt von der Kutsche zum Auto.
Es geht um eine neue, unvorstellbar große Internetstruktur. Deren Endgeräte waren bisher PCs, Laptops, Smartphones. Diese haben eigene Adressen, sogenannte IP-Nummern: Immer wenn man eine Verbindung ins Internet herstellt, bekommt man für diese paar Minuten oder Stunden eine IP-Nummer1 zugeteilt. Damit weiß z.B. ein Internetserver, wohin er eine aufgerufene Webseite oder eine E-Mail schicken soll.
Mit der Umstellung auf den neuen Standard gibt es nun jedoch so viel neue IP-Adressen, dass jedes einzelne Sandkorn auf der Erde eine eigene bekommen könnte: 340 Sextillionen (also eine 34 mit 37 Nullen). Doch nicht Sandkörner sind es, die diese Adressen erhalten, sondern künftig jede mögliche Form von Produkten. Jetzt erst ist der viel zitierte „intelligente Kühlschrank“ möglich, der selbstständig erkennt, dass die Milch alle ist und der sie online nachbestellen kann. Das ist keine Zukunftsmusik mehr, sondern seit dem 6. Juni 2012 Realität. So wie auch andere Anwendungen:
Software und DVDs mit eigenen IP-Adressen werden mit einem Gerät verknüpft und so kann der Hersteller überprüfen, ob sie auch nur auf diesem einen Gerät laufen.
Autos, Motorräder, Baumaschinen sind über die IP-Adresse jederzeit ortbar, unabhängig von GPS.
Fernseher melden an einen Server, welches Programm wie lange läuft und welche Sendungen angeschaut wurden.
Voraussetzung dafür ist, dass all diese Geräte entsprechende Chips haben, die über eine eigene IP verfügen. Künftig wird es unzählige Waren mit diesen Chips geben und je nach Aufbau und Konfiguration können sie von der Herstellerfirma beeinflusst und verändert werden. Was teilweise heute schon als Service angepriesen wird („Wir überprüfen und reparieren Ihr Gerät per Fernwartung!“), funktioniert dann auch für andere Anwendungen. Uns wird damit die absolute Kontrolle über unser Eigentum genommen. So kann ein Computerdrucker einfach online stillgelegt werden, wenn der Toner eines anderen, billigeren Herstellers eingebaut wird. Unsere Monatskarte bei den Verkehrsbetrieben meldet, wann wir welchen Bus genommen und wann wir von wo wieder zurückgekommen sind.
Sicher, die Übermittlung der einzelnen Daten ist nicht das Problem, sondern dass daraus ein gutes Bild unseres Tagesablaufs und Lebensgewohnheiten gezeichnet werden kann. Staatliche Stellen werden sich einen Zugriff auf diese Daten sichern, was in einer Demokratie unangenehm, aber nicht dramatisch ist. Aber Gesellschaften und mit ihnen die politische Führung ändern sich und eine faktische Diktatur (wie z.B. derzeit in Weißrussland oder Ungarn) wird solche Alltagsprofile ihrer Bürger intensiv nutzen. Bei uns wird es wohl zuerst die Wirtschaft sein, über die wir merken, dass sie ein deutlicheres Bild von uns hat, als wir selber.
Computerhacker können einen immensen Schaden anrichten, wenn sie per einfachem Skript Millionen von Handys sabotieren, Ampeln, Supermarktkassen oder Navigationsgeräte. Das ist keine abstrakte Bedrohung, sondern teilweise bereits geschehen. Doch erst die Einführung der IPv6-Adressen machte es möglich, dass fast alles mit eigenem Chip online gehen kann – und damit auch überwacht und manipuliert werden kann. Neben der staatlichen Überwachung wird die Gefahr durch Online-Betrüger und Erpresser in einem Maß wachsen, wie sie heute durch die Mail-Abzocke gar nicht möglich ist. Ein Schutz dagegen wird kaum möglich sein, denn die Chips sind zwar von Herstellern und Betrügern erreichbar, jedoch kaum von den eigentlichen Nutzern. Eine Anti-Viren-Software oder gar Firewall können wir in Alltagsgegenstände nicht einbauen. Dies wäre aber der einzige Schutz gegen die Spionage und Sabotage.
Es ist wichtig, sich das klarzumachen, aber zu verhindern ist die Entwicklung wohl nicht mehr. Das IP-System ist in Betrieb, die nächsten Schritte werden folgen.
- Internet Protocol [↩]
…und dann nicht zu vergessen, dass alle Geimpften ja jetzt auch bereits gechipt sind… ;-)
Genau, und deshalb sind wir auch alle zu Echsenmenschen mutiert :-D