Kurz nachdem ich an der Taxihalte Nollendorfplatz angelegt hatte, stellte sich ein weiteres und kurz darauf noch ein Taxi hinter mich. Der recht junge Fahrer des letztes Wagens kam zu mir und sagte, ich soll ihn bei der nächsten Gelegenheit vorlassen.
“Wieso?”
“Das weißt du ganz genau!”
“Dann würde ich wohl nicht fragen.”
“Du hast dich eben vorgedrängelt, das ist nicht korrekt.”
Nun gehöre ich wirklich nicht zu den Typen, die die Unaufmerksamkeit eines Kollegen ausnutzen, um sich an der Halte weiter nach vorn zu schummeln. Ich musste also erst mal einen Moment nachdenken, war mir aber keiner Schuld bewusst. Wo könnte ich an ihm vorbei gefahren sein?
“Du hast mich auf dem Hohenzollerndamm überholt.”
Stimmt, ich war am HZD, kam gerade von der Argentinischen Allee. Zwischen Roseneck und Elsterplatz habe ich einen freien Kollegen überholt, der mit etwa 30 km/h vor sich hin schlich.
“Das ist fast eine Viertelstunde her”, antwortete ich, “in Schmargendorf. Und jetzt regst du dich am Nolli darüber auf? Außerdem sind dort 50 Stundenkilometer erlaubt, da musst du nach Mitternacht nicht im Schritttempo fahren.”
Der Kollege sah das nicht ein, obwohl ich ihn noch darauf hin wies, dass wir an der Autobahnauffahrt noch zusammen an einer roten Kreuzung standen und er dann wieder so langsam weitergefahren ist.
“Das ist egal. Du musst hinter mir fahren, überholen ist verboten!” Das letzte Wort sprach er in einer Inbrunst aus, dass es eine Freude war. Bestimmt ist es sein Lieblingswort.
Bis zu diesem Zeitpunkt war ich ja noch auf eine Verständigung mit dem Kollegen aus, nun aber konnte ich ihn nicht mehr ernst nehmen. Es kam mir vor, als wäre er auf einem Kreuzzug gegen das Böse — und hat sich auf dem Weg dummerweise verlaufen.
Dann holte er zum großen Schlag aus: “Das gibt eine Meldung beim Labo1!”
Diesmal lachte ich ihn richtig aus. “Na, dann mal los, die kennen dich dort bestimmt schon gut.”
“Das ist nicht zum Spaßen, es ist eine ernste Sache. Verstoß gegen die Taxi-Ordnung Berlin, das wird dich deinen P‑Schein kosten!”
Es war nur lächerlich, wie er sich aufplusterte. Ich lachte wieder und antwortete: “Schätzchen, wenn du mir das in der Taxi-Ordnung zeigst, dann lasse ich dich sofort vor!”
Ohne eine Antwort lief er zurück zu seinem Wagen. Und obwohl ich es nicht sehen konnte, bin ich mir sicher, dass er die TaxO sofort von vorn bis hinten nach dem entsprechenden Paragrafen durchsucht hat. Dann allerdings erfolglos, denn es gibt keine offizielle Bestimmung, die das Überholen eines leeren Taxis verbietet. Unabhängig davon hält man sich natürlich trotzdem daran, sofern der Kollege in angemessener Geschwindigkeit fährt. Doch diese Rücksichtnahme hat Grenzen, wenn man mitten in der Nacht von dem Kollegen unnötigerweise zum Schleichen gezwungen wird.
Am Nolli jedenfalls habe ich vergeblich darauf gewartet, dass der Kollege mit der Taxi-Ordnung in der Hand nach vorn kommt, um seinen Platz einzufordern.
- Behörde, die u.a. die Genehmigungen zur Personenbeförderung vergibt [↩]
Lustige Geschichte. Wobei mir der arme Mann ja fast schon ein bisschen Leid tut, wenn er sich mitten in der Nacht noch so aufregen muss :-)