Sarahs schwerer Weg

Schon als Kind war es für Sarah* schlimm: Die Mutter früh gestorben, zwangsweise ins Heim gesteckt, von den Geschwistern getrennt, wegen Aufsässigkeit mit Psychopharmaka abgefüllt. Der Selbstmordversuch war nicht überraschend, aber er führte zur Einweisung in die geschlossene Abteilung.
Dann endlich 18 Jahre alt, volljährig, aber eine Befreiung war das nicht: Der Vater wurde vom Gericht als „Betreuer“ eingesetzt, der gleiche Mann, der bereits zwei seiner Stiefsöhne sexuell missbraucht hatte. Ihm fiel nichts anderes ein, als Sarah in der Wohnung einzusperren. Anfang Mai gelingt ihr die Flucht, sie geht zu ihrem Halbbruder nach Berlin, der sie bei sich aufnimmt. Auch seine Freundin kümmert sich um Sarah, das alles trotz der kleinen Wohnung, trotz Geldsorgen.
Sarah lernt in den nächsten Tagen Freunde ihres Bruders kennen, wird sofort aufgenommen, es gibt keine Vorurteile gegen sie. Zusammen überlegen sie, wie sie Sarah helfen können, vielleicht eine betreute Wohngemeinschaft oder so etwas. Doch dann macht sie einen Fehler, ruft ihren Vater an um zu sagen, dass sie nicht mehr zurück kommt. Er überredet sie zu einem Treffen in Spandau und trotz aller schlechten Erfahrungen lässt sie sich rumkriegen und willigt ein. Sie geht zu diesem Treffen, Bruder und seine Freundin warten etwas abseits. Plötzlich kommt die Polizei, vom Vater benachrichtigt. Sie packen Sarah in den Streifenwagen wie eine Verbrecherin und bringen sie in ein Krankenhaus in der Nähe. Die anderen fahren mit dem Bus hinterher, versuchen mit ihr oder den Angestellten zu sprechen, aber sie dürfen nicht rein. Doch sie lassen nicht locker, warten am Eingang, bis endlich jemand herauskommt: Sarah wird nicht mehr freigelassen, sondern noch heute in die Psychiatrie nach Brandenburg gebracht. Ein Treffen mit den Verwandten ist auch nicht möglich, sie wird sofort von den Geschwistern isoliert. Die bleiben ratlos zurück.
Wem nützt das? Sarah bestimmt nicht. Sie hat einige Tage gehabt, in denen sie akzeptiert wurde und nicht mit Medikamenten ruhig gestellt wurde. Aber man lässt ihr keine Chance. Psychiatrie, Polizei und ein Missbraucher bestimmen über ihr Leben, als wäre sie ein Haustier. Ihr Wille und ihre Gefühle interessieren nicht. Was ist das für ein Sozialsystem, das so etwas an einem jungen Menschen zulässt?

*Name geändert

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1 Kommentar

  1. Leider kann ich vieles hier nachvollziehen, weil ich es selbst erlebt habe. Ich habe sehr lang gebraucht bis ich mein Trauma erkannt habe. Es war verdeckt, so sehr, daß ich es selbst nicht mehr wußte. Traurig, aber leider war. Deswegen tut mir die hier erwähnte Person sehr leid. Sie ist auch ein Opfer wie ich. Die Psychiatrie reagiert sehr oft falsch. Bei mir haben sie auch viele Fehler gemacht.

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