Jetzt war wieder die Zeit der Abi-Bälle. In Hotels, in Konzertsälen oder auch in Läden wie der Moabiter Universal Hall, wo sonst Boxkämpfe stattfinden. Dort stand ich, um eine sehr aufgetakelte, sehr betrunkene Lady nach Hause ins Westend zu fahren. Sie trug ein goldfarbenes Satinkleid, das nicht weit unterhalb des Bauchnabels endete und selbst wenn sie noch in der Lage gewesen wäre, hätte sie damit nachts lieber nicht auf der Straße rumlaufen sollen. Tat sie auch nicht, sondern sie setzte sich zu mir ins Taxi, flüsterte mir lallend ihren Straßennamen ins Ohr und machte es sich dann auf dem kompletten Rücksitz bequem. Am Ziel angekommen stieg sie aus und wankte zur Haustür.
Ich ging ihr hinterher und sagte, dass sie wohl noch was vergessen hätte. „Scheiß Typen, man. Ich hab kein Geld, ey.“ Das war mir egal, ihre Fahrt hatte sie zu bezahlen, trotz ihres Schmollmunds und treudoofen Dackelblicks.
Da ich sie nicht ins Haus ließ, ohne dass sie bezahlte, war sie ratlos, klingelte dann aber Sturm. Nach ein, zwei Minuten die genervte Stimme von oben, was denn los sei. „Mama, bring mal Geld runter, für Taxi!“ Mama tat’s, Taxifahrer war zufrieden, und Tochter kotzte während des Bezahlens ins Gebüsch. Wenigstens hat sie solange gewartet.
Abi-Bälle sind komisch, jedenfalls ihre Besucher. Sie sind alle um die 18, 19 Jahre alt, brezeln sich jedoch auf, als hätte sie schon die doppelte Zeit hinter sich. Schmale Jungs in Anzügen, die nicht wirklich passen. Mädels in Abendkleidern, in diesem Jahr mit auffallend vielen Turmfrisuren. Sie spielen eine Erwachsenengesellschaft, wie man es sonst eher von Sechsjährigen kennt. Ich finde es unnötig, affig und peinlich. Vielleicht ist es für mich auch nur so befremdlich, weil die Klamotten in so einem Kontrast zu den jungen Gesichtern stehen. Es unterstreicht das Gekünstelte, das offensichtliche Noch-nicht-erwachsen-sein.
Am Liebsten würde ich ihnen sagen, dass sie sich ihre Jugendlichkeit noch bewahren sollen, die verschwindet irgendwann von ganz allein. Und dann beginnen sie plötzlich sich wieder jünger zu stylen. Aber vielleicht wollen sie ja gar keine Jugendlichen mehr sein.
Das Schlimme ist ja, daß sie das selbst vielleicht gar nicht so richtig wollen. Nur „Die Gesellschaft“ suggeriert ihnen, daß gerade dieses „in“ ist. Wenn sie dann irgendwann Studenten sind, wird´s noch krasser. Dann bekämpft man mit Vehemenz Lebensmodelle, die man bereits 10 Jahre später für das Non plus Ultra hält.
Ein schöner Artikel – wunderbar beobachtet.Ansonsten sind Kleider, Frisuren und auch das Catering alles Geschmacksache und das kann und soll auch nur jeder für sich selbst entscheiden! Künftige Abiball Organisatoren sollte sich mal die Möglichkeit des „Home-Shuttle-Service“ der Abiball Planer anschauen. Die junge Frau wäre da, ohne Kleingeld im Satin-Kleid vorhalten zu müssen, nach Hause gekommen.