Mein Arbeitsplatz ist sehr eng. Vielleicht vier oder fünf Kubikmeter, die ich mir zwischendurch jedoch immer wieder mit bis zu drei Personen teilen muss. Dazu kann es sehr laut und auch in anderer Hinsicht unangenehm werden, vor allem im Winter, wenn alle Fenster geschlossen sind.
In meinem Taxi kenne ich mich ganz gut aus, die meisten Schalter und Regler erreiche ich, ohne hinzusehen. Die Blicke zu den verschiedenen Displays – Radio, Taxameter, Tacho, PDA für die Funkaufträge, Handy für mytaxi – laufen automatisch, alles vertraut. Es ist meine kleine Welt, in der ich stundenlang Radio höre, lese oder aus dem Fenster schaue. Hier kenne ich die Geräusche, die Bewegungen und beim Rangieren weiß ich genau, ob eine Lücke noch breit genug ist. My cab ist my castle.
Dann gibt es aber noch die andere Welt, die da draußen, die nur ein paar Zentimeter neben mir beginnt. Ich sehe sie die ganze Zeit über, bewege mich ja in ihr – und doch gehört sie nicht wirklich zu mir. Feindesland ist vielleicht ein zu starkes Wort dafür, aber in diese Richtung geht es schon. Da draußen sind all die Dinge und Situationen, die ich nicht mag. Verstopfte Straßen, trantütige Autofahrer, Baustellen, rücksichtslose Radler, asoziale Kollegen.
Und natürlich diejenigen, die irgendwann bei mir einsteigen. Dann zeigt sich, ob sie zu der Welt da draußen gehören oder zu meiner. Manche Fahrgäste sind ja echt lieb und nett, während man anderen am Liebsten den Hals umdrehen würde. Aber sowas gehört sich ja nicht und deshalb bin ich zu allen freundlich, erstmal jedenfalls. Es ist die professionelle Freundlichkeit des Dienstleisters, der nicht ausspricht, was er denkt. Bei vielen Fahrgästen ist sie aber auch ehrlich.
Die Distanz zwischen innen und außen ist manchmal extrem, aber je nach Gegend unterschiedlich. Teilweise fahre ich schon neugierig in eine Straße hinein, gute Erfahrungen geben ein gutes Gefühl. Aber auch, wenn ich mal in eine mir unbekannte Gegend komme, fühle ich mich dort erstmal wohl. Das ist spannend, weil ich endlich mal wieder was Neues kennenlerne, leider kommt das ja kaum noch vor. Versöhnt bin ich auch mit den Stadtteilen, die am Wasser liegen. Rund um Köpenick natürlich, am Wannsee oder an der oberen Havel.
Der absolute Kontrast dazu sind die nervigen Orte, Badstraße im Wedding, Sonnenallee oder der Friedrichshainer Ballermann. Manchmal schalte ich dort sogar das Taxischild aus, um keinen dieser Leute mitnehmen zu müssen, die ich dort sehe. Das ist sicher weniger professionell, aber besser für die Psyche.
Mag sein, dass das arrogant klingt, aber schlechte Erfahrungen und Gefühle will ich nicht immer ignorieren, auch wenn es natürlich überall nette und ätzende Menschen gibt. Manche Kollegen haben auch kein Problem damit, kreischende Klassenreisende mitzunehmen, bei denen nicht sicher ist, dass ihr Magenverschluss Richtung Norden wirklich dicht ist. Nach einem Dutzend Jahren im Taxi bin ich vielleicht auch schon zu lange dabei, als dass meine Toleranzgrenze noch so flexibel ist.
Im Alter wird man eben ruhebedürftiger :-)
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