Als Buffalo Bill nach Charlottenburg kam

23 Fakten über 300 Jahre Char­lot­ten­burg

  • Am 1. Februar 1705 wird der preu­ßi­schen Köni­gin Sophie Char­lotte in Hanno­ver eine verschleppte Erkäl­tung zum Verhäng­nis. Sie war dem drögen Berli­ner Hofle­ben entflo­hen, um dort mit ihrer Fami­lie Karne­val zu feiern.
  • Sophie Char­lot­tes Mann Fried­rich I. — wegen seines Buckels “der schiefe Fritz” gehei­ßen — ist von ihrem Tod tief getrof­fen und benennt den Neubau Schloss Liet­zen­burg (1699) in Char­lot­ten­burg um.
  • Schloss Lietzenburg/Charlottenburg war auf Anwei­sung von Sophie Char­lotte an einem Ort erbaut worden, den sie nach der geome­tri­schen baro­cken Zeichen­spra­che ausge­wählt hatte: Vom Stadt­schloss Unter den Linden immer gera­de­aus gen Westen und am Sophie-Char­lotte-Platz im rech­ten Winkel auf die Schloss­straße abbie­gen.
  • Der schiefe Fritz ist der erste Bürger­meis­ter von Char­lot­ten­burg, denn er hat der Sied­lung die Stadt­rechte verlie­hen.
  • Im Jahr 1770 wird an der Berli­ner Straße, heute Otto-Suhr-Allee, das Gast­haus Zum Golde­nen Hirschen eröff­net. Char­lot­ten­burg ist Ausflugs­ziel für die Bewoh­ner der Nach­bar­stadt Berlin.
  • Der Thea­ter­un­ter­neh­mer Kampf­hen­kel eröff­net 1872 sein Volks­thea­ter, das er bald darauf Stadt­thea­ter nennt. Dem zwölf­köp­fi­gen Orches­ter stehen 19 Schau­spie­le­rin­nen und Schau­spie­ler zur Seite.
  • Ein Pracht­bau mit 10.000 Plät­zen macht Kampf­hen­kel bald Konkur­renz. 1874 eröff­net in Schloss­nähe das Flora und bietet ein Palmen­haus, eine Roll­schuh­bahn und den Aufstieg von Heiß­luft­bal­lons. Buffalo Bill tritt dort mit seiner Wild­west-Show auf.
  • Wo die Tech­ni­sche Univer­si­tät (1878–84) gebaut werden soll, ist lange eine heiß umkämpfte Frage. Man entschei­det sich für die Gegend am heuti­gen Ernst-Reuter-Platz, in der die ange­peilte Studen­ten-Klien­tel wohnt. Werner von Siemens und die Fami­lie Warschauer (Dresd­ner Bank) haben dort u.a. ihre Villen.
  • Nach dem Vorbild der Champs Elysees in Paris wird 1883 bis 1886 mit dem Kurfürs­ten­damm der erste Boule­vard ange­legt, auf Geheiß des Reichs­kanz­lers Otto von Bismarck.
  • Groß­stadt Char­lot­ten­burg: Mit 100.000 Einwoh­nern erhält der Ort 1893 diesen Status. 1920 erreicht Char­lot­ten­burg mit 335.000 Einwoh­nern seine größte Bevöl­ke­rungs­dichte. In dem 2001 durch Fusion entstan­de­nen Groß­be­zirk Char­lot­ten­burg-Wilmers­dorf leben unge­fähr ebenso viele Menschen.
  • Erst ab 1. Okto­ber 1920 gehört Char­lot­ten­burg zu Berlin, das sich mit sieben umlie­gen­den Städ­ten, 59 Land­ge­mein­den und 27 Guts­be­zir­ken zu Groß-Berlin zusam­men­schließt.
  • Für Hitlers Welt­haupt­stadt Germa­nia werden 1938 die Flügel des 1908 erbau­ten Char­lot­ten­bur­ger Tors auf einen Abstand von 30 Metern ausein­an­der­ge­rückt.
  • Das Roma­ni­sche Café am Kurfürs­ten­damm 238 wird nach dem Ersten Welt­krieg zum bekann­tes­ten Lite­ra­ten- und Künst­ler­café der Weima­rer Zeit. Wer modern fühlt und denkt, lebt zu dieser Zeit im neuen Westen statt im alten Osten.
  • In den 20er Jahren wird Char­lot­ten­burg auch Char­lot­ten­grad genannt — wegen der vielen russi­schen Emigran­ten. Heute stel­len die Edel­ju­we­liere aufgrund der vielen Kundin­nen aus Russ­land nur noch Perso­nal mit russi­schen Sprach­kennt­nis­sen ein
  • Mit einem Ideen­wett­be­werb “Rund um den Zoo” wird 1947/48 der Wieder­auf­bau der Innen­stadt West-Berlins eröff­net. Char­lot­ten­burg gehört am Ende des Zwei­ten Welt­kriegs zu den am stärks­ten von den Bombar­de­ments betrof­fe­nen Bezir­ken.
  • Anfang der 50er strebt Char­lot­ten­burg wieder Welt­ni­veau an, zumin­des filmisch. Die 1951 im Steglit­zer Tita­nia-Palast gestar­te­ten Film­fest­spiele ziehen 1952 in das Delphi an der Kant­straße und das Capi­tol am Lehni­ner Platz (heute Schau­bühne). In den Folge­jah­ren kommen Gary Cooper, Sophia Loren, Errol Flynn, Fellini. 1957 wird der Zoo-Palast gebaut.
  • Am 1. Mai 1967 ziehen junge Leute, die sich von den SDS-Tref­fen kennen, in die Kaiser-Fried­rich-Straße 54a am Stutt­gar­ter Platz, besser bekannt als Kommune I.
  • Der Student Benno Ohnes­org wird am 2. Juni 1967 am Rand einer Demons­tra­tion gegen den Besuch des Schahs von Persien in der Krum­men Straße von einem Poli­zis­ten erschos­sen.
  • Jeanne Mammen stirbt 1976, sie hatte ihr Atelier am Ku’damm. Char­lot­ten­burg ist in den 70ern Berlins wich­tigs­tes Künst­ler- und Gale­rien­vier­tel.
  • Das erste Punk-Konzert Berlins mit den Vibra­tors findet am 25. Februar 1977 im Kant-Kino statt.
  • Am 1. Juli 1989 zieht die erste Love-Parade mit drei Wagen und 150 Teil­neh­mern über den Ku’damm; 1999 feiern 1,5 Millio­nen Raver im Tier­gar­ten.
  • In den 90er Jahren kann sich die Paris Bar als Promi­nen­ten­treff gegen die Ostkon­kur­renz behaup­ten. Zumin­dest bei der Gene­ra­tion 40+.
  • Zimmer­manns­ge­sel­len erzäh­len Monika Thie­men — seit Dezem­ber 2001 Bezirks­bür­ger­meis­te­rin von Char­lot­ten­burg -, dass sich das Tuch, in dem sie ihr Bündel schnü­ren, “Char­lot­ten­bur­ger” nennt. Ein kräf­ti­ger Schnäu­zer auf den Boden wird eben­falls “Char­lot­ten­bur­ger” genannt. Die Herkunft beider Begriffe bleibt unge­klärt.

Zusam­men­ge­stellt von Stefa­nie Dörre
Dank an das tip-Maga­zin für die Geneh­mi­gung zur Veröf­fent­li­chung!

(Dieser Text erschien hier erst­mals 2008)

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