Radrenner

Heute ist es mir zum ersten Mal aufgefallen. Während der Rückfahrt von Zehlendorf in die City kamen mir ständig Radfahrer entgegen. Aber nicht normale, sondern fast alle auf Rennrädern und im bunten, hautengen Radlerdress. Sie sehen aus wie Radrennsportler, aber da sie überall waren und auch in alle Richtungen fuhren, gehörten sie sicher nicht zusammen. In Dahlem überholten sie mich, in Schöneberg kamen sie mir entgegen und in Mitte schnitten sie mich ich so knapp, dass ich eine Vollbremsung hinlegen musste und einen der herrlichsten Flüche der letzten Monate abließ.
Im Laufe der Schicht waren es so viel, dass ich schon Studien betreiben konnte. Also: Es handelt sich zu 99 Prozent um zwei Arten von Radlern:
Gruppe A: Mitte bis Ende Zwanzig, schlank , sportlich, ohne Gepäck, ohne Helm, oft zu zweit oder dritt.
Gruppe B: Über 40, meist mit Bauch, immer mit Rucksack, in dem ich den Anzug vermute, den er tagsüber in der Firma trägt. Außerdem immer mit Helm, „sicher ist sicher“.
Die erste Kategorie kümmert sich auch nicht um Vorfahrt, rote Ampeln oder Radwege. Und jetzt im Dunkeln auch nicht um eine eigene Beleuchtung. Aber das kenne ich ja, in Berlin sind Fahrradscheinwerfer offenbar Mangelware.
Interessant finde ich vor allem die Rückkehr der Rennräder. Das sind die Teile, die es vor 20 Jahren in Massen auf der Straße gab, mit den dünnen Reifen und der Gangschaltung auf der oberen Stange. Die sind jetzt wieder total in Mode, obwohl es doch gerade für die Berliner Straßen kaum etwas unpraktischeres gibt. Aber Moden folgen ja auch nicht der Logik. Andererseits ist Retro ja gerade schwer angesagt.
Wenn man davon ausgeht, dass Moden von der Industrie gemacht werden und außerdem ein paar Jahre Vorlauf brauchen (schließlich müssen z.B. die Rennräder erstmal alle produziert werden), erklärt es sich: Vor zwei Jahren war der Radsport in Deutschland noch richtig populär und die Fahrer nicht alle potenziell drogenabhängig. Dass in der Zwischenzeit T-Online als Apotheke entlarvt wurde, war damals noch nicht absehbar. Aber so wie manche der jetzigen Radler hier auf der Straße fahren, habe ich auch den Verdacht, dass bei denen einiges an chemischen Substanzen in den Adern schwimmt. Damit passt es ja dann doch wieder.

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