Mittlerweile ist es schon Routine, vor der Taxi-Schicht wird recherchiert: Welche Mannschaften spielen heute bei der Europa-Meisterschaft, ist bei einem Sieg eventuell ein Autocorso zu erwarten? Im Moment ist fast jede Nacht eine Fanparty, meistens auf Tauentzienstraße, Breitscheidplatz und Kudamm beschränkt. Anders wenn die Türken gewinnen, dann läuft zwischen Adenauerplatz und Schlesischem Tor gar nichts mehr. Ausnahmezustand für zwei bis drei Stunden.
Heute hat’s mich in den Autocorso der russischen Fans verschlagen. Auf dem Kudamm fuhren sie brav auf der linken Seite, die Busspur blieb frei, so viel Disziplin beim Feiern habe ich hier noch nicht erlebt. Ansonsten das gleiche Bild wie immer: Laute, Fahnen schwingende Fans, meist jung, diesmal viele sehr kurzhaarig. Einige stehen in ihren Autos, den Oberkörper mangels Cabrio durch das Fenster gezwängt. Autohupen, Fußballtröten, Gesänge, Jubeln. Die vielen fröhlichen Gesichter lassen mich seltsam kalt, man wird offenbar gleichgültig, wenn man diese Freude jeden Tag sieht. Dazu kommt, dass ich Massenfeiern sowieso nicht mag, sie geben mir immer so etwas Reichsparteitaghaftes.
Außerdem muss ich mich natürlich extrem konzentrieren, um nicht über feiernde Fans oder auf der Straße stehende Flaschen zu fahren. Deshalb halte ich mich lieber fern von der Party, weiche nach Tempelhof aus oder in den Wedding, bis das Schlimmste vorbei ist. Und wundere mich wieder, wieviel Fußballfans aller möglichen Nationalitäten es doch in Berlin gibt.
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