Schnapsidee 23%

Der Taxiverband Berlin-Brandenburg hat gefordert, dass die Tarife bis zum Jahr 2016 in zwei Stufen um durchschnittlich 23 Prozent angehoben werden sollen. Als Grund wird angegeben, dass zum 1. Januar 2015 auch für das Taxigewerbe ein Mindestlohn von 8,50 EUR pro Stunde gilt und die Unternehmer ihre Fahrer dann nicht mehr kostendeckend beschäftigen könnten. Auch zwei der drei weiteren Verbände stehen dem Vorschlag nicht ablehnend gegenüber. Dabei sollte klar sein, dass eine Preiserhöhung in diesem Ausmaß vor allem eine Auswirkung haben wird: Mehr Fahrgäste werden auf die öffentlichen Verkehrmittel oder Mietwagen umsteigen, zumal die BVG ab diesem Herbst zahlreiche Linien ausbaut und in kürzerer Frequenz fahren will. Die gewonnenen Mehreinnahmen dürften sich durch die ausbleibenden Fahrgäste wieder auffressen und es wäre nichts gewonnen.

Nun muss man wissen, dass die Taxiverbände nicht die Interessen der Taxifahrer vertreten, sondern die der Unternehmer. Jeder halbwegs seriös arbeitende Taxibetrieb macht derzeit ausreichend Gewinne, um seinen Fahrern den Mindestlohn zahlen zu können. Das Problem besteht also nicht im Allgemeinen, sondern nur in Einzelfällen. Trotzdem jammern die Unternehmer darüber, weil ihnen natürlich weniger Gewinne übrig bleiben und der Chef sich nicht mehr seine dritte Eigentumswohnung kaufen kann.
Was sich durch die beschriebene Konsequenz höhere Tarife = weniger Fahrgäste = gleicher Umsatz ändert ist, dass die Taxis mehr Standzeiten haben und somit weniger Betriebskosten verursachen. Das ist also im Sinne der Unternehmer.

Die Verbände hätten durchaus Alternativen zu einer Tariferhöhung. So könnten sie beim Senat Druck machen, dass weniger schwarze Schafe den Ruf der Taxibranche ruinieren und sie aus dem Verkehr ziehen. Damit sollten sie sogar erstmal in den eigenen Reihen anfangen, denn es gibt zahlreiche Taxifahrer, die sich z.B. an Bahnhöfen weigern, kurze Strecken zu fahren oder die offensichtlich gar keine Ortskundeprüfung absolviert haben, also auch ohne Personenbeförderungserlaubnis fahren. Stattdessen aber stinken sie gegen neue Konkurrenten wie Uber Pop (zu Recht) und Mietwagen an und fordern um 23 Prozent höhere Tarife.
Und natürlich muss auch die Reduzierung der Taxikonzessionen ein Thema bleiben, selbst wenn das schon einmal schiefgegangen ist. Was in anderen Bundesländern geht, kann ja in Berlin nicht illegal sein. Vor 25 Jahren gab es in der wiedervereinigten Stadt rund 5.000 Taxis. Damals fuhren täglich noch tausende Allierte damit, auch viele Firmen spedierten ihren leitenden Angestellten die Taxifahrten. Heute sind es über 50% mehr, aktuell 7.600 Wagen, von denen die meisten jeden Tag und fast jede Nacht unterwegs sind. Eine deutliche Reduzierung würde das Problem auf einen Schlag entspannen. Sie könnte auch auf formalem Wege erreicht werden, z.B. indem man Konzessionen an Bedingungen knüpft wie den Einbau eines Fiskaltaxameters, der Betrug verhindert, Kartenlesegeräte, Klimaanlage usw. Damit würde die Zahl der Taxis in Berlin vermutlich schon stark reduziert.

Stattdessen aber ist zu befürchten, dass die Unternehmer ab dem kommenden Jahr eine andere Strategie fahren werden: Schon jetzt berichten Kollegen, dass sie ab Januar nicht mehr die tatsächliche Arbeitszeit aufschreiben sollen, sondern eine „dem Umsatz angemessene“. Das bedeutet, dass für eine 9-Stunden-Schicht z.B. nur sechs Stunden registriert werden, so dass sich der Mindestlohn dann nur auf diese bezieht. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Entlohnung und auch die Rentenansprüche der Angestellten. Außerdem ist eine Entlassungswelle gegenüber denjenigen Fahrern zu erwarten, die nicht die geforderten hohen Umsätze einfahren. Diese Strategie – Betrug an den Fahrern, Ausplündern der Fahrgäste – ist für die Unternehmer der einfachste Weg und es ist leider zu erwarten, dass viele ihn einschlagen.
Für die Fahrer kann das nur bedeuten, sich dagegen zu wehren. Sie dürfen sich nicht bereiterklären, den Betrug mitzumachen. Unternehmer, die von ihren Fahrern die Manipulationen verlangen, müssen belangt werden, indem der Senat ihnen die Konzessionen wegnimmt.

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3 Kommentare

  1. Ich weiß ja nicht, was es mit dem „Fiskaltaxameter“ auf sich hat, aber loggt ein Taxameter nicht sowieso Beginn und Ende einer Schicht jeweils mit Zeitstempel mit? Dann wäre doch ein derartiger Betrug zu Ungunsten der Produktivkraft gar nicht mehr möglich. Und wenn das bei normalen Taxametern nicht geht, und die zudem auch noch von kriminellen Fahrern zum Betrügen manipuliert werden können (ein Kumpel hat auch mal erzählt, dass er für 1x Wisbyer Straße von Anfang bis Ende 9€ bezahlen sollte…), warum sind dann Fiskaltaxameter noch nicht die einzigen für Taxis zugelassenen Taxameter, also zwingende Vorschrift? Eigentlich bedeutet das Ausbleiben dieser Vorschrift doch nur „wir möchten weiter betrügen können“, oder welchen Nachteil (außer einer Umrüstung) bieten diese Taxameter sonst noch?

  2. Im Taxameter melde ich mich nicht an oder ab, insofern kann dort meine Arbeitszeit ja nicht erfasst werden. Dass es die Zeit des Ein- und Ausschalten dokumentiert, glaube ich eher nicht.

    Die Einführung Fiskaltaxametern wäre auf jeden Fall eine wichtige Sache. Allerdings sollen die sehr teuer sein und deshalb schrecken die Unternehmer natürlich davor zurück. Andere wollen es vermeiden, weil sie dann nicht mehr so leicht betrügen können.
    Ohne einen gesetzlichen Zwang wird es die also vermutlich nicht geben.

  3. Hmm, ich meinte, bei Sash einmal gelesen zu haben, dass sein Taxameter mit irgend so einer Art Chipspeicher-Schlüssel arbeitet, d.h. sobald der da drinsteckt, ist die Schicht „aktiv“ (das ließe sich mit geringem technischem Aufwand auch um die GPS-Koordinaten und einen Zeitstempel erweitern). Aber es gibt ja verschiedene Taxameter, andere können das vielleicht noch nicht, und oft steckt in so „proprietären“ Teilen ja auch noch Technik der 80er oder 90er Jahre, weil sie so billig herzustellen aber mit hoher Marge zu verkaufen ist…

    Und der gesetzliche Zwang ist das eine. Da kommt dann als zweiter Faktor hinzu, ein Standard für Fiskaltaxameter sollte ja offen spezifiziert sein, so dass jeder Hersteller ein solches bauen kann. Nun fehlt als Komplementär zum gesetzlichen Zwang also noch die wirtschaftliche Lösung: Elektronik ist so verdammt billig geworden, dass ein findiger Entwickler die Specs nehmen und ein günstiges Fiskaltaxameter entwickeln könnte, was sich durch einen geringeren Preis, als die bisherigen Taxameter, auszeichnen könnte. Im Grunde steckt in jedem Smartphone bereits die Technik, die man dafür braucht (außer dem Tachowellen-Abnehmer, bzw. CAN-Bus-Interface, aber auch das ist Standardhardware von der Stange). Es wäre also durchaus möglich, sowas in preisgünstig zu entwickeln. Scheint aber ein Problem zu sein, dass die bisherigen Hersteller lieber gut an ihren Geräten verdienen wollen, die in der Herstellung einen Fünfer kosten, und im Verkauf dann mehrere Hunderte von Euros….

    Und wenn plötzlich zertifizierte Fiskaltaxameter zum halben Preis von normalen Standard-Geräten auf dem Markt sind, dann wird nach und nach jedes neue Taxi damit ausgerüstet, weil es eben billiger ist. Wenn der gesetzliche Zwang dann auch noch vorschreibt, ab dem 1.1. jedes neu zugelassene Taxi damit auszustatten, wäre das die Komplettierung.

    Aber die billige Hardware scheint zu fehlen, und dementsprechend bleiben weiterhin Betrugsmöglichkeiten. Da denkt man sich als vernünftig denkender Mensch doch nur „WTF?“

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