
In den 1970er und 80er Jahren betrieb die DDR-Regierungspartei SED im Marzahner Stadtteil Biesdorf eine ganz besondere Schule: Die Parteischule Franz Mehring. Aber es waren nicht DDR-Bürger, die diese Schule besuchten, sondern die Genossen aus der BRD. Und dort natürlich Mitglieder der DDR-treuen “Deutschen Kommunistischen Partei” (DKP), die Nachfolge-Organisation der 1956 verbotenen KPD.
Im Juli 1969 beauftragte das Sekretariat des ZK der SED den Ministerrat der DDR, einen Beschluss über den Aufbau einer Parteischule zu fassen, ursprünglich als Außenstelle des Franz-Mehring-Institutes der Karl-Marx-Universität Leipzig. Noch im selben Jahr fand die Gründungsveranstaltung statt. Im März 1975 erhielt sie den Namen von Franz Mehring (1918 Mitbegründer der KPD). Organisatorisch war sie als weitgehend selbständige Einrichtung der Sonderschule der SED in Kleinmachnow zugeordnet. Die politisch-ideologische Anleitung übernahm die Westabteilung des ZK der SED. Die Entsendung der Parteischüler erfolgte auf Vorschlag des Parteivorstandes der DKP.
“Die zentrale Aufgabe an der Schule besteht darin, die Rolle der DDR allseitig und offensiv darzulegen und die Schüler mit den Grundfragen des Sozialismus anhand des sozialistischen Aufbaus in der DDR und der Politik der SED auszurüsten.”
Eine Partei wie die DKP legt viel Wert auf die Ausbildung und Disziplinierung ihrer Mitglieder und besonders ihrer Kader. So bot die SED sozialistische Bruderhilfe an: In den Räumen einer ehemaligen “Irrenanstalt” auf dem Gelände des Wilhelm-Griesinger-Krankenhauses wurde ein Internat eingerichtet, nahe der Otto-Buchwitz-Straße (heute Blumberger Damm) die Parteischule. Das gesamte Areal war durch eine Mauer und Wachschutz gesichert — vor wem auch immer.
Es waren vor allem zwei Arten von DKP-Mitgliedern, die hier untergebracht wurden: Zum einen Funktionäre, die meist drei Monate hier lebten und eine theoretische Ausbildung in marxistisch-leninistischer Philosophie, der politischen Ökonomie des Kapitalismus und des Sozialismus, des Wissenschaftlichen Kommunismus, der Geschichte der Arbeiterbewegung und Informationen zu aktuellen politischen Entwicklungen in der BRD und der DDR erhielten.
Die anderen Besucher waren Wackelkandidaten, also Mitglieder, bei denen die Partei Zweifel hatte an der festen Gesinnung. Vor allem zu Zeiten der aufkeimenden Bürgerbewegungen gab es immer wieder auch DKP-Leute, die sich Gedanken machten, ob der dogmatische Weg wirklich der richtige ist. Sie wurden gleich für ein ganzes Jahr in der Parteischule einquartiert, schließlich mussten sie ja wesentlich intensiver bearbeitet werden. Und dass sie hier in der Höhle des Löwen nicht einfach raus spazieren konnten, war ihnen auch klar.
Mancher der hier geschulten Genossen hat sich nach der Rückkehr in die Bundesrepublik von der DKP abgewandt. In den 20 Jahren ihres Bestehens haben etwa viertausend Menschen die Parteischule besucht.
Doch mit dem Umbruch in der DDR war sie eine der ersten Institutionen, die aufgelöst wurden. Schon im Dezember 1989 stellte sie ihren Betrieb ein. Dass der realsozialistische Staat DDR auch an sein Ende kommen könnte, das war im Lehrplan offenbar nicht vorgesehen.
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