Der Türsteher

Der Supermarkt hat außer sonntags rund um die Uhr geöffnet. Es war aber ein Mittwoch, schon nach Mitternacht. Die Taxihalte voll, durch die Straße, die gerade in eine „Begegnungszone“ umgebaut wird, kommt der Durchschnitt dieses Kiezes. Viele Schwule, Pärchen, kleine Gruppen, ausgemergelte Leute mit dünnen Hunden, vollbärtige Hipster, junge Türkinnen und einige Jung-Rambos.

Vor der Kaufhalle liegen Kohlköpfe in den Auslagen, niemand kauft einen davon. Vermutlich liegen sie nur deshalb dort, damit es etwas bunter ist und weil die eh keiner klaut.
Wer in den Laden möchte, muss an ihm vorbei: Der Türsteher schaut vermutlich weniger auf die modischen Referenzen der Gäste als darauf, ob sie seinem Auftraggeber Schaden zufügen könnten. Er steht direkt neben der Eingangstür, breit schnauzbärtig, Lederweste mit „Security“-Aufdruck. Allein sein Auftreten soll abschrecken. Wen auch immer. Aber irgendwie verfehlt er diese Wirkung.

Er passt da gut hin. Dieser rauhe Ort braucht richtige Männer, die das Gesetz durchsetzen, das Böse bekämpfen. Zwischendurch bekämpft er aber erstmal vor den Augen der Passanten das Jucken an seinem Hintern, falsche Scham kennt er nicht.
Ich bin rund 20 Meter entfernt, kann sein Gesicht nicht gut erkennen. Aber ich stelle mir vor, dass es ein bisschen Teddy-mäßig aussieht. Wie eben das Antlitz eines gutmütigen Menschen, der gefährlich wirken möchte. Aber vielleicht ist es auch andersrum: Er möchte tapsig erscheinen, wenn jedoch ein Verbrecher kommt, dann zeigt er, was in ihm steckt. Während ich hier warte, kommt aber keiner, die Frage bleibt unbeantwortet.

Für die Teddy-Theorie spricht, dass er sich die ganze Zeit mit jemandem unterhält, den andere Wachleute, z.B. in der U-Bahn, gleich rausschmeißen würden. Der schmale ältere Mann hat Obdachlosenzeitungen in der Hand, aus einem alten Rucksack schaut eine Plastikflasche. Seine Zeitungen hält er nur hin, spricht niemanden an. Vielleicht ist dies die Vereinbarung zwischen den beiden, du tust nichts, dann tu ich auch nichts.

Dann aber zeigt der Securitist doch noch seine harte Seite: Ein sehr alter, sehr betrunkener Mann torkelt auf den Eingang zu. In der Hand hat er ein paar Flaschen, vermutlich will er sie drinnen abgeben und neue kaufen. Doch der Hüter der Glastür lässt ihn nicht eintreten. Der Alte lallt, immer lauter, der Aufpasser stellt sich quer. Nun kommt niemand mehr rein oder raus. Ein paar Jugendliche machen sich einen Spaß daraus und versuchen, an ihm vorbei zu kommen. Sie lachen auch den Alten an oder aus. Dann aber reicht ihm jemand ein Geldstück und nimmt seine Flaschen, der Mann schleicht weiterhin schimpfend davon. Der Chef den Weg wieder frei. Recht und Ordnung haben gesiegt!

print

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*