Ein Apartment für Zwei

Im Taxi bekommt man natürlich das meiste mit, was die Fahrgäste miteinander reden. Das ist fast alles uninteressant und in den meisten Fällen plätschert es so an einem vorbei, dass man schon eine Minute später nichts mehr sagen könnte über den Inhalt des Gesprochenen.
Manchmal ist es mir auch peinlich, was ich da höre. Seien es die plumpen Anmachversuche (meist von Mann zu Frau), oder Rumgeprolle, was man doch für ein toller Kerl sei (meist Mann zu Mann). Aber auch Frauen können es mir als Zuhörer unangenehm machen. Diesmal aber war ich eher belustigt als fremdbeschämt, weil der Mann, in dem Fall das „Opfer“, sich so naiv verhalten hat. Im Nachhinein habe ich noch darüber nachgedacht, ob es ein Rollenspiel gewesen ist, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es alles echt war.
Begonnen hat es in der Oranienburger Straße in Mitte. Die Frau stand dort leicht lederbekleidet an Ihrem Arbeitsplatz, ich kenne sie schon seit ein paar Jahren. Als sie mich herangewunken hat und mit dem etwas untersetzten Mann einstieg, begrüßte sie mich lieb.

„Gib dem Mann einen Fünfer“, sagte sie zu ihrem Freier, was der auch brav tat. Er tat mir schon in diesem Moment leid. Offensichtlich eine Unschuld vom Lande, etwa 30 Jahre alt, Typ Bauer ohne Frau, in den lang fingerbenagelten Krallen einer Großstadthure, die ihn eingefangen hat und nicht mehr los ließ.
Ich wusste schon in etwa, wo es hingehen sollte. Die Damen haben eine Adresse direkt am S-Bahnhof sowie eine in der Auguststraße. Dort fuhren wir hin.

Er: „Was ist das für ein Haus?“
Sie: „Das ist ein Apartment. Da sind wir ungestört.“
Er: „Wohnst du da?“
Sie: „Ja, klar. Ich muss ja auch irgendwo wohnen.“
Er: „Das finde ich aber toll, dass du mich gleich in deine Wohnung mitnimmst.“
Sie: „Ich vertraue dir eben.“
Er: „Danke, das kannst du auch. Meine Mutter sagt immer, Vertrauen ist sehr wichtig.“
Sie: „Ja, das sehe ich genauso.“
Er: „Ich freue mich schon, deine Wohnung kennenzulernen.“
Sie: „Aber ich teile mir das Apartment mit einer Freundin.“
Er: „Ach so, aber das macht nichts. Seit Ihr zusammen?“
Sie: „Ja, es ist ja meine Freundin. Aber wir stehen auch auf Männer. So wie auf dich.“
Er: „Und die stört es nicht, wenn du einfach einen anderen Mann mitbringst?“
Sie: „Nein, ganz bestimmt nicht. Sie ist sehr tolerant.“
Er: „Ist sie denn jetzt auch da?
Sie: „Nein. Aber wenn du willst, kann ich sie anrufen, dass sie hinkommt. Sie ist in der Nähe.“
Er: „Das würde mich schon interessieren. Aber nicht, dass sie dann eifersüchtig wird. Oder du.“
Sie: „Ach, da mach dir mal keine Sorgen, Schätzchen. Ich rufe sie mal an, ja?“

Wir standen bereits vor dem Haus, als sie die „Freundin“ am Handy hatte: „Du, ich habe hier einen ganz Süßen, der dich mal kennenlernen will. Kannst du gleich in die August kommen?“
Beim Rausgehen grinste ich ihr noch hinterher und sie zwinkerte mir zu.

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