Taxifahrerchefs Probleme

Als ich neulich meinem Chef sagte, dass ich kurz­fris­tig eine Woche frei haben möchte, obwohl erst in einem Monat mein Urlaub beginnt, fand er das nicht so gut. Er beschwerte sich, dass es sowas in keinem ande­ren Beruf gäbe. Norma­ler­weise kommt der Ange­stellte zum Chef und bittet um Urlaub, anstatt ihm mitzu­tei­len, wann er zu Fahren geruht und wann nicht. Aber im Taxi­ge­werbe sei das ganz anders, hier müsse der Unter­neh­mer froh sein, wenn die Ange­stell­ten arbei­ten.

Ich habe zwar drüber gelacht, aber Recht hat er schon, was aus seiner Sicht natür­lich unbe­frie­di­gend ist. Immer­hin muss er zuse­hen, dass die Autos möglichst gleich­mä­ßig ausge­las­tet sind. Und er muss sicher­stel­len, dass jeder Fahrer auch ein Auto zur Verfü­gung hat, das ist das Recht des Ange­stell­ten. Dass er als Chef das weni­ger gut findet, ist also klar. Auf der ande­ren Seite stehen die ange­stell­ten Taxi­fah­rer, und anders als in ande­ren Gewer­be­be­rei­chen gibt es bei denen — also bei uns — eine anar­chis­ti­sche Grund­ein­stel­lung, die besagt, dass man dann fährt, wenn man möchte. Manche Taxi­be­triebe, die in den 70er oder 80er Jahren als Kollek­tive gegrün­det wurden, haben das sogar zum Prin­zip erho­ben, einige Firmen suchen mit diesem Argu­ment noch heute in Stel­len­an­zei­gen nach Fahrern. Viele Taxi­fah­rer hat das damals geprägt und das hat sich bis heute gehal­ten bzw. an die Nach­fol­gen­den vererbt.
Doch seit damals hat sich im Gewerbe vieles geän­dert, beson­ders die Umsätze. Weder Unter­neh­mer noch Taxi­fah­rer können heute mal locker auf ein paar Tage verzich­ten. Die Kutscher leben eh vom Port­mon­naie in den Mund und der Chef hat wegen stei­gen­der Diesel- und ande­rer Preise keine Lust auf leer herum­ste­hende Wagen.
Zwar könnte er mit der Keule kommen und die Fahrer zwin­gen, täglich zu fahren und nicht selber über ihre Urlaubs­zei­ten zu bestim­men, und tatsäch­lich läuft das auch bei manchen Betrie­ben so. Aber das ist auch für ihn ein Risiko. Als ange­stell­ter Fahrer darf ich z.B. nicht länger als neun Stun­den täglich fahren, nicht zu verges­sen die vorge­schrie­be­nen Pausen — das Warten am Halte­platz gehört nicht dazu. Wenn ich also brav nach Vorschrift fahre, verdient auch der Unter­neh­mer weni­ger. Auch Fahr­ten zur Werk­statt oder zum Eich­amt sind im Arbeits­ver­trag nicht vorge­se­hen, werden von uns aber natür­lich mitge­macht. Zufrie­dene Ange­stellte sind bessere Ange­stellte, das kann jeder Psycho­loge bestä­ti­gen. Sie gehen sorg­fäl­ti­ger mit dem Arbeits­ge­rät um und betrü­gen den Chef nicht, indem sie z.B. Schwarz­fahr­ten ohne Abrech­nung machen. Und wenn doch, dann haben sie wenigs­tens ein schlech­tes Gewis­sen.
Und weil mein Chef schlau ist, versucht er nicht, gegen­über seinen Ange­stell­ten bestimmte Forma­lien durch­zu­set­zen. Natür­lich weiß er auch, dass man als Fahrer schnell zu einem ande­ren Betrieb wech­seln kann, auch wenn er behaup­tet, dass es nirgendwo mehr so schön sein wird wie bei ihm. Aber das ist natür­lich nicht der Grund für sein Entge­gen­kom­men. Gerade in klei­ne­ren Betrie­ben mit weni­gen Autos ist ein vertrau­ens­vol­les Verhält­nis notwen­dig.
Also tole­riert der kluge Unter­neh­mer die klei­nen Eska­pa­den seiner Fahrer, wie eine liebende Mutter über die kind­lich-anar­chis­ti­schen Verfeh­lun­gen ihrer Brut hinweg­sieht. So fühlen wir Fahrer uns gebor­gen und der Chef kommt mit dem Haus­halts­geld klar.

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1 Kommentar

  1. Dein Arti­kel ist durch­aus verständ­niss­voll, herz­li­chen Dank. Leider hast du verges­sen, daß in den 70er und 80er Jahren die meis­ten Fahrer Studen­ten waren und das Taxi­fah­ren als Neben­job betrie­ben haben. Leider haben die selben Fahrer verges­sen, daß das Studium zu Ende ist . Heute fahren so gut wie keine Studen­ten Taxi, nur die ehema­li­gen von damals tun noch so, als wäre das ein Job ohne jegli­che Verpflich­tung gegen­über der Firma. Aller­dings haben auch die dama­li­gen was dazu gelernt. Es gibt Lohn­fort­zah­lung bei Urlaub und Krank­heit.

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