Auf der Suche

Die Einmün­dung der Liet­zen­bur­ger in die Martin-Luther-Straße ist etwa so fußgän­ger­freund­lich wie ein Auto­bahn­kreuz. Fünf Spuren breit ist sie in nur einer Rich­tung, links davon eine Verkehrs­in­sel, dahin­ter der Gegen­ver­kehr.

Ich kam von Süden und sah genau an dieser Insel eine ältere Frau stehen. An der großen Kreu­zung zur Kleist­straße wendete ich und stoppte 50 Meter weiter genau neben der Dame an der roten Ampel. Nicht, weil sie mich gewun­ken hätte, es war einfach nur das Gefühl, dass sie das wollte.

Tatsäch­lich aber igno­rierte sie mich erst­mal, schaute in die andere Rich­tung, um dann unver­mit­telt einzu­stei­gen. Auf Englisch fragte sie mich nach einem Hotel. Nicht nach einem bestimm­ten, sondern recht wirr, dass dort Leute mit langen Haaren arbei­ten würden. Ihr schlech­tes Englisch mit deut­schem Akzent machte mich stut­zig und ich fragte sie direkt, wieso sie nicht auf Deutsch mit mir spricht. Das tat sie dann zwar, aber klarer wurde mir trotz­dem nicht, wohin sie eigent­lich wollte.

Ich schätzte die Frau auf 60 bis 70 Jahre, die kurzen grauen Haare pass­ten nicht so recht zur sonst eher elegan­ten Erschei­nung. Es sah unecht aus, nicht passend. Etwa wie bei mir, wenn ich einen Anzug mit Krawatte tragen würde.

Sie stam­melte weiter herum, also stellte ich ihr Fragen, um zu helfen. Offen­bar wollte die Dame gar nicht in ein Hotel, sondern irgendwo hin, wo man “Spaß haben kann.” Damit sind in der Regel Nacht­clubs oder Bordelle gemeint. Ich frage sie ganz direkt: “Meinen sie eine Bar nur für Frauen?” Den Begriff Lesben­bar wollte ich nicht verwen­den, so scheu, wie sie war.

Ihre Antwort war wirk­lich lustig: “Also wissen Sie, Sie sind mir ja einer…” Dabei schaute Sie mich vermitzt an. “Aber ja, Sie haben recht.”
“Na, dann nicht so schüch­tern, gute Frau. Wir sind hier doch nicht in der Kirche”, sagte ich und fuhr sie ein paar hundert Meter weiter in die Kalck­reuth­straße. Dort ist die einzige Lesben­bar, die ich kenne.

Auf der kurzen Fahrt erzählte sie, dass es für sie alles sehr neu sei, Sie hätte noch nie ähnli­che Frauen kennen­ge­lernt. “Dann nutzen Sie Ihre Zeit”, antwor­tete ich ehrlich.

Am Club ange­kom­men bedankte sie sich über­schwäng­lich und wollte ausstei­gen. “Sie haben aber noch verges­sen zu bezah­len.” Lang­sam kramte sie Ihre Geld­börse raus und flüs­terte, dass das knapp werden könnte. Dabei war es ein Betrag noch unter­halb des Kurz­stre­cken­ta­rifs. Während sie noch suchte, sagte ich ihr, dass der Club aber auch nicht kosten­los wäre. “Kein Problem”, antwor­tete sie und reicht mir den gesam­ten Inhalt, genau passend.

Dann stieg die Dame aus und tippelte zur ande­ren Stra­ßen­seite. Ich musste eben­falls raus, um ihr zu zeigen, dass wir bereits direkt vor der Bar stan­den. Ob sie dann rein­ge­kom­men ist, weiß ich nicht, weil sie sich erst­mal nur davor stellte. Als ich losfuhr, winkte sie mir noch hinter­her.

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