…und ähnli­che Namen erhiel­ten die Plätze, auf denen sich das Hoch­ge­richt, also der Galgen­platz, befand. Die älteste Berli­ner Galgen­stätte lag inner­halb der ehema­li­gen Mauern am Neuen Markt. Schon früh wurde sie von dort auf einen Platz in die Gegend des heuti­gen Ostbahn­hofs verlegt. An diesem Ort hat unter ande­rem Hans Kohl­hase (bei Hein­rich Kleist “Michael Kohl­haas” genannt) 1540 sein Ende gefun­den. Dort ließ Fried­rich III., der letzte Kurfürst, den Galgen abbauen und bis 1698 stand die Anlage dann an dem Ort, wo heute in Mitte die Kraus­nick­straße auf die Orani­en­bur­ger Straße trifft. Doch schon 1708 musste sie wieder verlegt werden, da genau gegen­über das Schloss Monbi­jou errich­tet wurde und diesen Anblick konnte man den Herr­schaf­ten natür­lich nicht zumu­ten. So kam der Richt­platz an die später nach ihm benannte Berg­straße, etwa dort, wo sie heute an den Sophien­fried­hof grenzt.

Als nun Fried­rich der (angeb­lich) Große die Anlage der Kolo­nie Neu-Voigt­land plante, trat das Blut­ge­rüst 1753 seine letzte Wande­rung an, zu dem Ort, auf dem sich heute der Garten­platz befin­det. Die Galgen­an­lage kostete damals 1.175 Taler. Es war ein zwei Meter hoher, unge­fähr quadra­ti­scher Bau, aus Stei­nen errich­tet, mit einge­bau­ter Treppe und eiser­nem Gitter. Der hoch­ra­gende, drei­fü­ßige Galgen darauf bestand aus Holz, das zusätz­lich mit Blech verklei­det war. Diese Anlage war dann über 80 Jahre in Betrieb. Die letzte Hinrich­tung fand darauf am 2. März 1837 statt.
West­lich zwischen dem alten und dem neuen Stand­ort des Hoch­ge­richts am Galgen- oder Gerichts­platz befand sich die Scharf­rich­te­rei, in der Henker und Scharf­rich­ter nicht nur wohn­ten, sondern auch eine Abde­cke­rei (Besei­ti­gung von Tier­lei­chen) betrie­ben. Dieses Gewerbe gehörte im 18. Jahr­hun­dert noch sehr häufig zu den Aufga­ben des Scharf­rich­ters. Die große Entfer­nung von der Stadt und die freie Lage lassen sich aus dem unver­meid­li­chen Gestank erklä­ren, der mit einer Abde­cke­rei verbun­den ist. Diese Anlage blieb bis 1842 auf dem Grund­stück, dann musste sie dem Bau des Stet­ti­ner Bahn­hofs weichen.
Das Henken der Delin­quen­ten geschah auf mehrere Arten. Sie wurden erhängt, verbrannt oder gerä­dert, wobei ihnen in langer Proze­dur die Knochen gebro­chen wurden. Wenn ein Mensch öffent­lich hinge­rich­tet werden sollte, war dies immer ein großes Schau­spiel, an dem oft tausende Schau­lus­tige teil­ha­ben woll­ten. Es gibt mehrere Berichte über die Hinrich­tun­gen, hier einer aus dem Jahr 1799:

“Früh um vier waren die Stra­ßen schon lebhaft — alles drängte sich nach der Gegend des Rathau­ses hin, wo über die Unglück­li­che noch unter freiem Himmel ein pein­li­ches Hoch­ge­richt gehal­ten werden sollte. Um sechs Uhr waren bereits alle Stra­ßen, welche dahin führ­ten, mit Menschen ange­füllt, daß man Mühe hatte, sich durch­zu­drän­gen. Ein Kommando Husa­ren, welches die Delin­quen­tin beglei­tete, ritt mitten in den Volks­hau­fen hinein und sprengte ihn mit Gewalt ausein­an­der, um einen Weg nach dem Ort des Gerichts zu bahnen.
Von hier ging der Zug durch verschie­dene Stra­ßen zum Hoch­ge­richt, das eine ziem­li­che Stre­cke von der Stadt entfernt ist. Auf den Stra­ßen stan­den dichte Reihen von Zuschau­ern, alle Türen, Fens­ter, selbst Dach­fens­ter, waren besetzt. Das Wetter war außer­or­dent­lich schön und daher kein Wunder, daß vor dem Tor und um das Hoch­ge­richt her sich eine unüber­seh­bare Volks­menge versam­melt hatte. Um das Gericht hatte das Mili­tär einen großen Kreis geschlos­sen. Um die Zuschauer, die aus allen Stän­den und Volks­klas­sen und ebenso viel Weibern als Männern bestan­den, drängte sich eine zahl­lose Menge Marke­ten­der mit Likör und Brannt­wein herum und wurden ihre Ware häufig los. Man hatte geglaubt, die Exeku­tion würde ganz früh voll­zo­gen werden — es wurde Mittag und die Lange­weile wurde mit Trin­ken verscheucht. Es konnte nicht fehlen, daß eine große Menge sich als berauscht ausge­zeich­net, sich geprü­gelt, gezankt, geschrien — kurz alles getan hätte, was ein ausge­las­se­ner Pöbel nur immer tun kann. Niemand war bei dieser Gele­gen­heit geschäf­ti­ger als die Freu­den­mäd­chen, die über­all zu tref­fen waren, um Geschäfte zu etablie­ren. Die reiche­ren in Manns­klei­dern zu Pferde, die übri­gen zu Wagen, zu Fuß, wie sie konn­ten.
Endlich kam die Unglück­li­che an, und die Exeku­tion ward voll­zo­gen. Ein junger Mann, der Sohn des hiesi­gen Scharf­rich­ters, voll­streckte sie. Der Tod durchs Rad — von oben herab — war gewiß für die Unglück­lich weni­ger grau­sam als schau­der­haft für den gefühl­vol­len Zuschauer — den gefühl­vol­len sag ich; aber hier schien kein solcher zu sein. Man spot­tete, zankte und lachte, während sie den Geist aufgab.
Zu einer Hinrich­tung durchs Rad sind sieben Scharf­rich­ter nötig, die sich dann an diesem Tage aus der ganzen Gegend einge­fun­den hatten. Jeder dersel­ben hatte seine Kinder mitge­bracht, alle stan­den oben auf dem Scha­fott und bilde­ten einen Kreis umher. Nach den ersten drei Schlä­gen in den Nacken muß der Körper des Delin­quen­ten herum­ge­wor­fen werden. Diese kleine Pause benutzte der alte Scharf­rich­ter, der seinen Sohn, welcher die Exeku­tion voll­zog, unter­wies und ihm jedes­mal mit dem Finger die Stelle zeigte, wohin er schla­gen sollte.”

Die öffent­li­chen Hinrich­tun­gen ließen aber die Zuschauer nicht etwa in sich gehen, sondern gerie­ten immer mehr zu großen Volks­fes­ten, zu denen auch Auswär­tige anreis­ten. Bis in die Nacht hinein wurde danach getrun­ken, gefei­ert und aller­lei Unfug getrie­ben. Dadurch gingen aber dem Akt der nötige Ernst und die beab­sich­tigte Wirkung verlo­ren. Aus der Sühne der Tat entstand ein Hohn auf die Gesetze. Deshalb sah man dann ab 1837 von öffent­li­chen Hinrich­tun­gen ab.

Die Galgen­an­lage stand noch bis 1842/43, danach wurde sie einem lebens­lus­ti­gen Menschen verkauft, der daraus das Funda­ment und Gerüst für seine neue Kneipe in der Acker­straße baute. Auf dem Platz befin­det sich heute die katho­li­sche St. Sebas­tian-Kirche sowie ein Kinder­spiel­platz. Übri­gens war die letzte Hinrich­tung die der Witwe Meyer. Die Frau hatte ihren Ehemann umge­bracht (worauf hin sie zur Witwe wurde).
Zwar gibt es zu der Vorge­schichte, die zu diesem Mord führte, keine Infor­ma­tio­nen, dafür bildete sich aber eine Spuk­ge­schichte heraus, die bis heute bei den Menschen kursiert, die in der Nähe des Garten­plat­zes wohnen: Wer um Mitter­nacht dort vorbei­kommt, kann manch­mal im Innern der Kirche ein flackern­des Licht sehen, das mal an einem, mal an einem ande­ren Fens­ter erscheint. Dieses Licht kommt von der Laterne, die die alte Meyern in der Hand trägt. Die Unglück­li­che kann nämlich im Grab, das sich eben­falls auf dem Platz befin­det, keine Ruhe finden und steigt dann und wann aus der Gruft auf. Seit aber diese Kirche gebaut wurde, sieht dort alles anders aus als früher. Darum kann die alte Frau die Grab­stätte manch­mal nicht wieder­fin­den, und dann wandelt sie mit der Laterne auf und ab und sucht…

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