Eingesperrt und ausgesperrt

Mit dem Bau der Mauer am 13. August 1961 wurde auch die Versöh­nungs-Gemeinde zerris­sen. Fast alle Gemeinde-Mitglie­der lebten im Wedding, aber die Kirche, das Gemeinde- und Pfarr­haus befan­den sich im Ostsek­tor.

Durch den Mauer­bau verschärfte sich die Grenz­si­tua­tion der Versöh­nungs-Gemeinde dras­tisch. Der Zugang zum Kirchen-Grund­stück Bernauer Straße 4 stand zunächst am 13. August 1961 noch allen Gemeinde-Mitglie­dern offen. Am 20. August wurde dann das Haupt­por­tal der Kirchen­mauer, etwa zehn Meter vor dem Gebäude, vier Meter hoch zuge­mau­ert.
Von nun an war es den West-Gemeinde-Mitglie­dern nicht mehr möglich, ihre Kirche zu besu­chen, statt­des­sen durf­ten die weni­gen Ost-Mitglie­der herein, die in den angren­zen­den Häusern lebten. Aber auch diese hatten nur noch wenige Wochen die Möglich­keit, ihre Kirche zu besu­chen. Denn am 23. Okto­ber 1961 mußte auch der Pfar­rer Helmut Hilde­brandt seine Sachen packen, er wurde “umge­sie­delt”. Die Kirchen­glo­cken und die Kirch­turm­uhr wurden abge­schal­tet, das Gemein­de­haus geräumt.

Die Versöh­nungs-Kirche stand, für nieman­den erreich­bar, von viel­fa­chen Siche­run­gen wie Panzer­sper­ren und Hunde-Lauf­an­la­gen umge­ben, als einsa­mes Mahn­mal gegen die Unmensch­lich­keit zwischen Vorder-und Hinter­land­mauer, mitten im Todes­strei­fen. Ihr Kirch­turm diente eine Zeit lang als Wach­turm, kein Flüch­ten­der sollte in ihrem Schat­ten über den Elisa­beth-Kirch­hof in den West­sek­tor gelan­gen können. Ein gespens­ti­scher Anblick.

Die unbe­hauste Gemeinde hatte gegen­über, Bernauer Straße 111, 1965 ein schnell errich­te­tes Gemeinde-Zentrum erhal­ten und damit einen Ort, sich im Ange­sicht ihrer eige­nen Kirche zu versam­meln.
Das “Mahn­mal Versöh­nungs­kir­che” im Todes­strei­fen der Staats­grenze war der DDR-Regie­rung ein Dorn im Auge. Syste­ma­tisch wurde auf den Abriss der Kirche hinge­ar­bei­tet. Nach einem Deal zwischen dem ostber­li­ner Magis­trat und dem Konsis­to­rium, mit dem durch Tausch gegen ein Gemeinde-Zentrum in Hohen­schön­hau­sen-Nord der Magis­trat in den Besitz der Kirche gelangte, war das Ziel erreicht, möglichst ohne viel Wirbel die Kirche zu besei­ti­gen.
Am 22. Januar 1985 wurde das Kirchen­schiff gesprengt, sechs Tage später auch der Turm. Nicht nur in der Bundes­re­pu­blik, sondern welt­weit waren die Bilder des Abris­ses der Versöh­nungs-Kirche auf den Titel­sei­ten der Zeitun­gen.

Versöh­nungs­kir­che (5) — Bernauer 111

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