Die Geschichte der Brunnenstraße ist auch die Geschichte von Pferden, Bussen und Bahnen. Von Anfang an war diese Straße ein Verkehrsschwerpunkt; noch heute sind ihre beiden Enden wichtige Knotenpunkte im öffentlichen Nahverkehr.
Und die Brunnenstraße hatte mehr zu bieten als irgendein anderer Punkt in Berlin. Oder wo sonst sollte in der Stadt schon eine Schwebebahn gebaut werden? Aber dazu später.

Denn viel früher, vor genau 200 Jahren, begann in der Brunnenstraße der reguläre Linienverkehr. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur die Möglichkeit, sich innerhalb der Stadtmauern eine Droschke zu nehmen, die einen dann zum gewünschten Ziel brachte. Es gab keine festen Linien, sondern nur die individuelle Beförderung. Selbst die Einführung der Pferdedroschken war nicht der Beginn der öffentlichen Nahverkehrs, denn schon im Jahre 1700 waren in Berlin zwölf Sänften zugelassen, die an drei Stellen (am Rathaus, am Schloss sowie in der Friedrichstadt) stationiert waren und von dort aus in Anspruch genommen werden konnten. Diese von jeweils vier Personen getragenen Sänften durften die Stadtmauern jedoch nicht verlassen.

Um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert kamen die so genannten Torwagen auf. Dies waren offene Pferdekutschen mit größerem Fassungsvermögen als die Droschken, in der Regel waren es einfache Korbwagen mit sechs Doppelsitzen. Ihr Name leitete sich von ihrer Funktion ab, denn die Torwagen durften nur den Verkehr von den Stadttoren in die Vororte Berlins bedienen. Eine Fahrt durch die Tore hindurch in das Stadtinnere war ihnen verboten. Der erste Linienverkehr Berlins entstand also außerhalb der Stadt, da hier auch größere Entfernungen zurückzulegen waren. Der Fahrpreis betrug 2 Silbergroschen, gegebenenfalls wurden aber auch unterwegs noch Fahrgäste zum Preis von einem Silbergroschen aufgenommen.

Gemessen an heutigen Verhältnissen waren diese Torwagen jedoch eine sehr unzuverlässige Fortbewegungsmöglichkeit, denn sie wurden nicht nur zur Personenbeförderung eingesetzt, sondern gleichzeitig auch noch für die Landwirtschaft genutzt! Während die Wagen sonntags in langen Reihen bereit standen, stand wochentags manchmal kein einziges Fahrzeug zur Verfügung. Ebenso hielten sich die Wagen nicht an feste Abfahrtzeiten, sondern fuhren erst dann ab, wenn alle Plätze besetzt waren. Trotzdem nahm dieses sich anscheinend lohnende Geschäft erheblich zu, so dass 1822 bereits die Höchstzahl von 550 Torwagen vorhanden war.
Am stärksten entwickelte sich der Torwagenverkehr zuerst zwischen Berlin und Charlottenburg, bald kamen aber auch Pankow, Wilmersdorf und Schöneberg hinzu.

Ab 1825 wurden zusätzlich die Wagen des Hofagenten Kremser eingesetzt. Dies waren Pferdewagen mit Eisenrahmen, die zwischen vier und acht Personen aufnehmen konnten. Eine Fahrt in den nach ihrem ersten Betreiber benannten Kremsern war zwar teurer als in den bisherigen Torwagen, aber sie hatten neben dem Komfort (Federung und Plüschsitze) den großen Vorteil, dass sie Fahrpläne hatten und sich auch daran hielten. Diese Kremser nahmen zuerst den Verkehr vom Brandenburger Tor nach Charlottenburg sowie vom Schönhauser und dem Rosenthaler Tor nach Weißensee und Pankow auf. Doch konnten die Berliner auch die Kremser nicht innerhalb der Stadt benutzen, sondern sie mussten, wenn sie nicht gerade nahe einem der Stadttore wohnten, erstmal eine Droschke zum Tor nehmen und dort umsteigen.
1829 wurde dann der »grenzüberschreitende« Linienverkehr eingeführt, und zwar mit sogenannten Omnibussen, also geschlossenen Wagen, die aber immer noch von Pferden gezogen wurden. Der Fuhrherr Pollmann aus der Grüntaler Straße 5-6 unterhielt z.B. eine Omnibusverbindung vom Gesundbrunnen zum Molkenmarkt im Herzen Berlins.

Mit dem Abriss der Stadtmauer begann Mitte der 60er-Jahre des 19. Jahrhunderts, was die Verkehrsmittel angeht, in und um Berlin ein neues Zeitalter. Die Pferdebahn wurde eingeführt, die die Wagen auf Schienen quer durch die Stadt beförderte. Für eine von sechs Strecken wurden auch vom mittlerweile umbenannten Rosenthaler Platz die ersten Schienen Richtung Norden verlegt, der Bau begann im August 1872. Um Platz zu schaffen, musste aber erst einmal die Straße verbreitert werden. Dummerweise war die Brunnenstraße gerade in den Jahren zuvor neu bebaut worden, die neuen fünfstöckigen Wohnhäuser mit mehreren Hinterhöfen hatten zur Frontseite alle sogar Vorgärten bekommen. Diese mussten nun wieder dran glauben, weil sonst die Pferdebahn keinen Platz gehabt hätte. So wurde die Straße von 8-10 m auf 17 Meter verbreitert. Das konnte aber nur gegen den Willen der Hausbesitzer durchgesetzt werden, denn diese weigerten sich, die Gärten abzugeben. Schließlich wurden sie enteignet und entschädigt, und am 8. Juli 1873 fuhr dann die erste Pferdebahn über die Brunnenstraße bis zur Kreuzung Bad-Grüntaler Straße. Weiter konnten die Gleise vorerst nicht verlegt werden, denn an dieser Stelle gab es auf der Badstraße noch einen Bahnübergang. Damals führte nämlich die Eisenbahnverbindung vom Stettiner Bahnhof (später »Nordbahnhof«) noch quer über die Straße Richtung Nordosten nach Bernau und Stettin. Die »Berlin-Stettiner Eisenbahn-Gesellschaft« weigerte sich, den teuren Bau einer Schienenkreuzung zu finanzieren.
Allerdings hatte die damalige »Große Berliner Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft«, die 1871 gegründet wurde und für den Bau der ersten sechs Linien zuständig war, die Verpflichtung, auch die Linie 1 weiterzuführen. Und die sollte nun mal vom Rosenthaler Platz über den Gesundbrunnen und Pankow zum Schönhauser Tor führen. Also auch über die Badstraße. Erst im folgenden Jahr konnten die Schienen weiter verlegt werden. 1882 wurde die Strecke auch im Süden bis zum Hackeschen Markt verlängert.

Noch 1873 wurde auch die Linie 6 eröffnet, die sich vom Rosenthaler Platz ausgehend über Oranienburger Tor, Brandenburger und Hallesches Tor bis zum Schlesischen Tor – also entlang der ehemaligen Stadtmauer – hinzog. Die Strecke wurde aber später wieder abgebaut und teilweise (in Kreuzberg) durch die Hochbahn ersetzt.
Zur Unterbringung der großen Anzahl von Pferden und Wagen dienten damals spezielle Gebäude an den Bahnhöfen, ab 1882 auch am Bahnhof Gesundbrunnen. Da zu dieser Zeit durch die Industrialisierung die Bodenpreise schon sehr hoch waren, wurden die Pferde in mehreren Stockwerken übereinander untergebracht, mit steilen Rampen, die die Pferde dann erklimmen mussten.

Mit der Eröffnung der Stadtbahn (S-Bahn) und deren Bahnhof Gesundbrunnen entwickelte sich diese Gegend ab 1882 zu einem neuen Verkehrsschwerpunkt. Der Bahnhof diente gleichzeitig der Stettiner Bahn als Regionalbahnhof und zunehmend führten auch neue Pferdebahn-Linien von dort in viele Richtungen, wie nach Charlottenburg, Moabit, Reinickendorf, Niederschönhausen und zum Vinetaplatz.
Zu diesem Zeitpunkt arbeitete ein Mann schon daran, die Pferde vor den Bahnen künftig zu ersetzen, nämlich durch den elektrischen Strom. Werner von Siemens plante bereits eine »elektrische Personenbahn«, von der er 1879 das erste Exemplar vorstellte. Auf der »Berliner Gewerbeausstellung« im Mai dieses Jahres konnte Siemens am Lehrter Bahnhof eine 300 Meter lange Rundstrecke präsentieren, auf der die Ausstellungsbesucher in der ersten elektrischen Bahn der Welt fahren konnten. Damit war Berlin zur Geburtsstätte des elektrischen Bahnbetriebs geworden. Von diesem Zeitpunkt an ließ Siemens nicht mehr von seiner Idee ab, ganz Berlin mit einem Netz elektrisch betriebener Bahnen zu überziehen. Seine Chance bekam er 1896, wiederum zur Gewerbeausstellung, die diesmal weit außerhalb Berlins stattfand – in Treptow. Die Berliner Pferdebahn-Gesellschaft erhielt den Zuschlag, das Gelände mit elektrisch betriebenen Strecken an Berlin anzubinden. Am 1. Mai 1896 wurden die neuen Linien in Betrieb genommen, die teils Oberleitungen hatten, teils aber auch – in einer Schiene versteckt – Unterleitungen. Die Erfahrungen waren so überzeugend, dass innerhalb von nur sechs Jahren fast das gesamte Pferdebahnnetz elektrifiziert wurde!

Nach der Umwandlung der Pferdebahn in eine elektrische Straßenbahn ging Werner von Siemens an die Umsetzung eines weiteren Plans: Nun wollte er quer durch die Stadt ein Netz von Schnellbahnen errichten, die aber unabhängig vom übrigen Verkehr über oder unter den Straßen fahren sollten. Schon lange vorher (1880) war er mit seiner Firma Siemens & Halske gescheitert, der Stadt eine elektrische Hochbahn für die Friedrichstraße anzubieten. Doch durch seinen Erfolg mit der Straßenbahn hatte er nun bessere Karten. Gleichzeitig war aber auch eine Konkurrenz herangewachsen, unter anderem die AEG, die im Gegensatz zu Siemens auf unter der Erde geführte Bahnen setzte, so wie es sie damals schon in London gab.
Überall in der Stadt wurden Hoch- und U-Bahnen entworfen und gebaut. Busse und Straßenbahnen waren für weite Wege zu langsam und zu ineffektiv, und gerade die Industrialisierung machte den schnellen Transport großer Menschenmassen nötig. So entstand auch der Plan, die beiden bevölkerungsstarken Wohn- und Industriegebiete des Gesundbrunnens und Neuköllns (das frühere Rixdorf) mit einer Bahnstrecke zu verbinden. 1902 meldete zusätzlich die »Continentale Gesellschaft für elektrische Unternehmungen« aus Nürnberg ihr Interesse an, Berlin mit einer Schwebebahn nach Wuppertaler Vorbild zu beglücken. Dort wurde schon am Ende des 19. Jahrhunderts eine Schwebebahn gebaut, die damals eine revolutionäre Neuigkeit darstellte und bis heute ein wichtiges Massentransportmittel innerhalb der Stadt ist.
Die Trasse dieser Schwebebahn sollte vom dichtbesiedelten Wohnviertel um den Gesundbrunnen über Alexanderplatz und Hermannplatz nach Neukölln führen. An den Endstationen der zwölf Kilometer langen Strecke waren Wendeschleifen vorgesehen. Doch gab es viele Schwierigkeiten, mit denen die Bauherren zu kämpfen hatten. Vor allem wurde befürchtet, die Trasse würde den tiefergelegenen Wohnungen Luft und Licht nehmen und außerdem den Straßenverkehr zu sehr beeinträchtigen. Daher verlangten die Behörden erstmal den Bau einer Probestrecke und zwar an der engsten Stelle des vorgesehenen Streckenverlaufs. Und dies war die Brunnenstraße vor dem Rosenthaler Platz, wo der Abstand zwischen den Häusern nur 22 Meter beträgt.

1908 wurde dann ein 42 Meter langes Teilstück der geplanten Schwebebahn montiert und dieses Ding stand doch ziemlich verloren zwischen den Fassaden der Mietskasernen herum. Dort sollte es dann auch noch fünf Jahre stehen bleiben, bis zur Entscheidung des Magistrats – gegen die Schwebebahn und für die Stärkung der einheimischen Wirtschaft. Denn obwohl sie ein viel teureres Angebot gemacht hatte, bekam schließlich die »AEG Schnellbahn AG« den Zuschlag für den Bau einer Untergrundbahn. Die Bayern konnten 1913 ihre Schwebebahn einpacken und wieder mitnehmen.
Aber das böse Erwachen kam einige Jahre später: 1924 ging die AEG-Schnellbahn infolge des Ersten Weltkriegs und daraus entstandener wirtschaftlicher Schwierigkeiten pleite. Eine neu gegründete »Nordsüdbahn AG« übernahm den Auftrag zur Fertigstellung der Linie, die dann 1930 endlich eröffnet werden konnte.
Nach den Plänen der AEG sollte die U-Bahn übrigens kurz vor dem Bahnhof Gesundbrunnen aus der Erde herauskommen, den Bahnhof bereits als Hochbahn überqueren und bis zur Christianiastraße (heute Osloer Straße) weitergeführt werden. Doch dazu kam es nicht, die Verlängerung zur Osloer Straße fand sogar erst 1977 statt. Die Idee, die Bahn über statt unter dem Bahnhof Gesundbrunnen entlang zu führen, war eigentlich nur logisch. Denn schon die Fernbahn befand sich einige Meter unter dem Straßenniveau und es war technisch sehr schwierig, darunter auch noch eine U-Bahn-Station zu bauen. Letztendlich kam der U-Bahnhof dann aber doch 14 Meter unter die Erde. Er erhielt einen direkten Zugang zum Fernbahnsteig sowie einen südlichen Ausgang, der sich unmittelbar gegenüber der Himmelfahrtkirche befand, die bis zur ihrer Zerstörung im Krieg an der Brunnenstraße im Humboldthain stand. Um die U-Bahn zu erreichen, wurde damals die längste Rolltreppe Deutschlands installiert. Während des Zweiten Weltkriegs sind in die südlichen Zwischenetagen des Bahnhofs Bunker eingerichtet worden, die bis heute erhalten sind.

In der Zwischenzeit wurde der Bus- und Straßenbahnverkehr weiter ausgebaut. An der Swinemünder Ecke Ramlerstraße errichtete man einen Straßenbahnhof, von dem aus insgesamt acht Linien Richtung Norden und Süden führten. Schon ab 1899 war auch ein Omnibushof in der Usedomer Straße in Betrieb, und ab 1911 ein weiterer in der Jasmunder Straße. Als dort am 15. Januar 1905 der erste Omnibus mit Vergasermotor eingesetzt wurde, ging durch die raue Fahrtechnik gleich die Frontscheibe zu Bruch. Ein zweiter Wagen wurde von begeisterten Fahrgästen gestürmt, so dass er ebenfalls beschädigt liegen blieb.

Durch den Zweiten Weltkrieg sind auch die Bahnanlagen der U-Bahn und der Straßenbahn beschädigt oder zerstört worden. Doch schon am 25. Mai 1945 konnte ein provisorischer U-Bahn-Betrieb aufgenommen werden, vom 28. Juni an fuhr die Bahn wieder regelmäßig. Bereits drei Tage vor der U-Bahn kamen auch die Straßenbahnen wieder ins Rollen. Am 13. Mai ’45 erließ der sowjetische Stadtkommandant Generaloberst Bersarin den Befehl, in dem es hieß:
»Zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung und zwecks Herstellung einer normalen Arbeit der Berliner städtischen Wirtschaftsunternehmen befehle ich, […] die Linie Gesundbrunnen, Rosenthaler Str., Alexanderpl., Klosterstr. wieder in Betrieb zu nehmen.«
Die Wagenbeschilderung musste auf Russisch und Deutsch erfolgen. Durch die Kriegszerstörungen, durch Engpässe bei der Stromversorgung und auch durch die Reparationszahlungen (z.B. wurden intakte Straßenbahnwagen nach Warschau gebracht) war aber an einen reibungslosen Ablauf noch lange nicht zu denken.

Der nächste Dämpfer kam 1949 mit der Spaltung der Stadt und der Blockade West-Berlins. In dieser Zeit fuhren S- und U-Bahnen noch durch beide Teile der Stadt, während die meisten Straßenbahnlinien getrennt wurden. Immer weniger Linien verbanden seit 1949 den sowjetischen mit den drei westlichen Sektoren. Die Fahrgäste mussten ihre Fahrscheine immer mit der Währung bezahlen, die bei ihrem Einsteigepunkt gültig war. Gerade in grenznahen Bereichen wie der Brunnenstraße gingen die West-Fahrgäste ein paar Schritte über die Grenze und stiegen dann eine Station entfernt ein – zum weitaus niedrigeren Fahrpreis konnten sie nun durch die gesamte Stadt fahren.
Beim Grenzübertritt wurden auch das Personal ausgewechselt, so dass die Schaffner der BVG-Ost nur im Ostteil der Stadt fuhren und die der BVG-West nur im Westen. Allerdings gab es zwei Ausnahmen, die Linien 47 und 96. Durch einen Vorfall kam dann im Oktober 1950 auch der gemeinsam betriebene Straßenbahnverkehr zum Erliegen: An diesem Tag wurde ein Schaffner der Linie 47 durch die Ost-Polizei vorübergehend festgenommen, was West-Alliierte und BVG-West mit einer zeitweiligen Stilllegung des gesamten grenzüberschreitenden Bus- und Bahnverkehrs beantwortete.
Das Liniennetz wurde immer weiter in zwei Teile zerschnitten; wo es möglich war, also gerade bei Bus- und einigen Straßenbahnlinien, endeten die Verbindungen kurz vor dem Grenzbereich. Zum Beispiel wurde die Straßenbahnlinie, die einst vom Rosenthaler Platz aus die Brunnenstraße hinauf fuhr, an der Invalidenstraße Richtung Chausseestraße weggeführt und endete dort (bis heute). Im Wedding wurde der Straßenbahnhof in der Swinemünder Straße zum Endbahnhof, genauso wie der Busbahnhof in der Usedomer Straße.

Die endgültige Trennung aber kam dann in der Nacht zum 13. August 1961. Mit dem Mauerbau wurden einerseits natürlich die straßenabhängigen Linien getrennt, aber man musste sich auch für die U-Bahn etwas einfallen lassen. Das Ergebnis war, dass die Strecken, die zwar Ostberlin unterquerten, aber im Westen begannen und endeten, für die Bewohner von Ostberlin ab sofort gesperrt waren. Die beiden U-Bahnlinien Seestraße-Tempelhof sowie Gesundbrunnen-Leinestraße hatten plötzlich lauter funktionslose Bahnhöfe.
Der Bahnhof Gesundbrunnen war ja als Endbahnhof nicht nur für die U-Bahn wichtig, sondern hatte bis zu diesem Zeitpunkt auch noch seine Funktion als Regional- und S-Bahnhof. Doch da die meisten seiner Verbindungen nach Ostberlin oder in die DDR führten, waren sie mit dem Mauerbau abgeschnitten. Die Linien Richtung Norden (Bernau, Oranienburg) und Osten (Treptow, Köpenick) konnten nicht mehr befahren werden.
Der nächste U-Bahnhof (Voltastraße) war ursprünglich einer der ersten, die fertiggestellt wurden. Schon 1915 trugen seine Granitsäulen die Bahnhofsdecke, aber es sollte noch 15 Jahre dauern, bis er endlich in Betrieb gehen konnte. Ab 1961 war er dann viele Jahre das, was bei jeder Einfahrt eines Zuges durch Lautsprecher angesagt wurde: »Letzter Bahnhof in Berlin West!«
Der Bahnhof Bernauer Straße war zu dieser Zeit ein Geisterbahnhof, er lag direkt unter dem Grenzstreifen, sein nördlicher (zugemauerter) Ausgang beschrieb gleichzeitig die Grenze zwischen Ost- und Westberlin. Ebenfalls 28 Jahre verschlossen blieb der Bahnhof am Rosenthaler Platz.
Während die Menschen im Westteil Berlins die Linie 8 wenigstens noch eingeschränkt nutzen konnten, war es für die im Osten völlig unmöglich. Die U-Bahn war passé, man musste Umwege fahren und improvisieren, um z.B. wieder von der Jannowitzbrücke zum Rosenthaler Platz zu kommen.

Doch merkwürdigerweise unternahm der Magistrat in all den 28 Jahren nach dem Mauerbau nichts, um die Spuren der für DDR-Bürger unerreichbaren U-Bahnhöfe zu tilgen. Die alten Eingänge wurden nur zugemauert, durch eine einzige Stahltür konnten die Grepos diese »verbotene Stadt« betreten. Und doch standen sie überall im Weg, diese Zeugnisse dessen, dass es ein gemeinsames Leben vor dem Mauerbau gegeben hatte. Allein am Rosenthaler Platz führten fünf Treppen ins Nichts. Jeder, der diesen belebten Platz zu Fuß überquerte, musste aufpassen, nicht an die stählernen Umrandungen zu stoßen, die wie zum Trotz den Bürgersteig blockierten, mit ihren leeren Räumen hinter zugeschlossenen und zugeschweißten Gittern. Im Haus Brunnenstr. 10 gab es noch einen speziellen Eingang, der wegen der geringen Straßenbreite einst in das Wohnhaus integriert worden war. An dieser Stelle betraten die »Grenzorgane« ihren Arbeitsplatz, durch eine unauffällige Tür unter dem Schild mit dem »U«.

Der Dornröschenschlaf endete erst kurz vor Weihnachten 1989. Sechs Wochen nach dem Fall der Mauer war schon längst wieder Ordnung eingekehrt im Verhältnis zweier Staaten. Statt der anfänglichen Anarchie war wieder Kontrolle angesagt, und da man in der DDR-Hauptstadt eine andere, nicht frei konvertierbare Währung benutzte, musste man das Volk auch kontrollieren. So öffnete der U-Bahnhof Rosenthaler Platz am 22. Dezember 1989 wieder – als Grenzübergangsstelle. Je ein Eingang wurde zur »Einreise« und »Ausreise« geöffnet, die restlichen blieben teilweise noch bis Ende 1992 geschlossen. Wie der, der direkt in der Brunnenstraße herauskommt und wo man bis zur Renovierung noch den alten Hinweis lesen konnte: »Zum HO-Möbelhaus«. Erst zur Währungsunion am 1. Juli 1990 wurde der U-Bahnhof Rosenthaler Platz dann endlich wieder eine ganz normale Station.
Seitdem ist sehr viel passiert. Die Bahnhöfe wurden größtenteils saniert, die Straßenbahngleise erneuert, Buslinien fahren wieder von Ost nach West. Für die Zukunft ist sogar eine Weiterführung der Straßenbahnlinie 20 geplant, die dann von der Eberswalder Straße (Ost) über die Bernauer Straße (West) zum Nordbahnhof (Ost) führen und dabei die Brunnenstraße kreuzen soll. Und noch später soll sie dann vielleicht sogar über die Invalidenstraße (Ost und West) zur Turmstraße (West) in Moabit ausgebaut werden. Träume.

Realität dagegen ist die Entwicklung am Bahnhof Gesundbrunnen, der seit dem Baubeginn, der zuerst mal ein Abriss war, sein Gesicht schon sehr verändert hat. Wenn man da überhaupt noch von einem Gesicht sprechen kann, denn viel ist von dem alten Bahnhof nicht mehr übrig. Das Eingangsgebäude und der Vorplatz mit seinen Läden und Kneipen standen einst dort, wo einen heute dezent das Gesundbrunnen-Center erschlägt. Sämtliche Gebäude auf dem S-Bahnhof und auch die restlichen alten Bahnanlagen wurden abgerissen. Übrig geblieben sind nur der U-Bahnhof und seine Eingänge.
Der Bahnhof Gesundbrunnen und das daneben liegende Gelände wurden zu einem Schwerpunkt des Umbaus der Berliner Fernbahn. Mit der Entscheidung für das »Pilzkonzept«, nach dem eine Ost-West-Verbindung im Norden Berlins gebraucht wird, wird der Bahnhof Gesundbrunnen bald wieder zu einem der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der Stadt. Direkt östlich des Bahnhofs wird das »Nordkreuz« komplett neu gebaut, das sich dann bis zum S-Bahnhof Bornholmer Straße hinziehen wird. Nach der Fertigstellung soll dann auch die S-Bahn wieder vom Gesundbrunnen über Moabit Richtung Westen führen, also der S-Bahn-Ring im Norden geschlossen werden. Und wenn die Behmstraßenbrücke wieder eröffnet ist, dann wird auch der Platz am Bahnhof Gesundbrunnen endlich wieder Weltstadtflair verbreiten – umnebelt von den Abgasschwaden der sich stauenden Autos an den vier Einmündungen der Kreuzung.

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