Die Geschichte der Brun­nen­straße ist auch die Geschichte von Pfer­den, Bussen und Bahnen. Von Anfang an war diese Straße ein Verkehrs­schwer­punkt; noch heute sind ihre beiden Enden wich­tige Knoten­punkte im öffent­li­chen Nahver­kehr.
Und die Brun­nen­straße hatte mehr zu bieten als irgend­ein ande­rer Punkt in Berlin. Oder wo sonst sollte in der Stadt schon eine Schwe­be­bahn gebaut werden? Aber dazu später.

Denn viel früher, vor genau 200 Jahren, begann in der Brun­nen­straße der regu­läre Lini­en­ver­kehr. Bis zu diesem Zeit­punkt gab es nur die Möglich­keit, sich inner­halb der Stadt­mau­ern eine Droschke zu nehmen, die einen dann zum gewünsch­ten Ziel brachte. Es gab keine festen Linien, sondern nur die indi­vi­du­elle Beför­de­rung. Selbst die Einfüh­rung der Pfer­de­drosch­ken war nicht der Beginn der öffent­li­chen Nahver­kehrs, denn schon im Jahre 1700 waren in Berlin zwölf Sänf­ten zuge­las­sen, die an drei Stel­len (am Rathaus, am Schloss sowie in der Fried­rich­stadt) statio­niert waren und von dort aus in Anspruch genom­men werden konn­ten. Diese von jeweils vier Perso­nen getra­ge­nen Sänf­ten durf­ten die Stadt­mau­ern jedoch nicht verlas­sen.

Um die Wende vom 18. zum 19. Jahr­hun­dert kamen die so genann­ten Torwa­gen auf. Dies waren offene Pfer­de­kut­schen mit größe­rem Fassungs­ver­mö­gen als die Drosch­ken, in der Regel waren es einfa­che Korb­wa­gen mit sechs Doppel­sit­zen. Ihr Name leitete sich von ihrer Funk­tion ab, denn die Torwa­gen durf­ten nur den Verkehr von den Stadt­to­ren in die Vororte Berlins bedie­nen. Eine Fahrt durch die Tore hindurch in das Stadt­in­nere war ihnen verbo­ten. Der erste Lini­en­ver­kehr Berlins entstand also außer­halb der Stadt, da hier auch größere Entfer­nun­gen zurück­zu­le­gen waren. Der Fahr­preis betrug 2 Silber­gro­schen, gege­be­nen­falls wurden aber auch unter­wegs noch Fahr­gäste zum Preis von einem Silber­gro­schen aufge­nom­men.

Gemes­sen an heuti­gen Verhält­nis­sen waren diese Torwa­gen jedoch eine sehr unzu­ver­läs­sige Fort­be­we­gungs­mög­lich­keit, denn sie wurden nicht nur zur Perso­nen­be­för­de­rung einge­setzt, sondern gleich­zei­tig auch noch für die Land­wirt­schaft genutzt! Während die Wagen sonn­tags in langen Reihen bereit stan­den, stand wochen­tags manch­mal kein einzi­ges Fahr­zeug zur Verfü­gung. Ebenso hiel­ten sich die Wagen nicht an feste Abfahrt­zei­ten, sondern fuhren erst dann ab, wenn alle Plätze besetzt waren. Trotz­dem nahm dieses sich anschei­nend lohnende Geschäft erheb­lich zu, so dass 1822 bereits die Höchst­zahl von 550 Torwa­gen vorhan­den war.
Am stärks­ten entwi­ckelte sich der Torwa­gen­ver­kehr zuerst zwischen Berlin und Char­lot­ten­burg, bald kamen aber auch Pankow, Wilmers­dorf und Schö­ne­berg hinzu.

Ab 1825 wurden zusätz­lich die Wagen des Hofagen­ten Krem­ser einge­setzt. Dies waren Pfer­de­wa­gen mit Eisen­rah­men, die zwischen vier und acht Perso­nen aufneh­men konn­ten. Eine Fahrt in den nach ihrem ersten Betrei­ber benann­ten Krem­sern war zwar teurer als in den bishe­ri­gen Torwa­gen, aber sie hatten neben dem Komfort (Fede­rung und Plüsch­sitze) den großen Vorteil, dass sie Fahr­pläne hatten und sich auch daran hiel­ten. Diese Krem­ser nahmen zuerst den Verkehr vom Bran­den­bur­ger Tor nach Char­lot­ten­burg sowie vom Schön­hau­ser und dem Rosen­tha­ler Tor nach Weißen­see und Pankow auf. Doch konn­ten die Berli­ner auch die Krem­ser nicht inner­halb der Stadt benut­zen, sondern sie muss­ten, wenn sie nicht gerade nahe einem der Stadt­tore wohn­ten, erst­mal eine Droschke zum Tor nehmen und dort umstei­gen.
1829 wurde dann der »grenz­über­schrei­tende« Lini­en­ver­kehr einge­führt, und zwar mit soge­nann­ten Omni­bus­sen, also geschlos­se­nen Wagen, die aber immer noch von Pfer­den gezo­gen wurden. Der Fuhr­herr Poll­mann aus der Grün­ta­ler Straße 5–6 unter­hielt z.B. eine Omni­bus­ver­bin­dung vom Gesund­brun­nen zum Molken­markt im Herzen Berlins.

Mit dem Abriss der Stadt­mauer begann Mitte der 60er-Jahre des 19. Jahr­hun­derts, was die Verkehrs­mit­tel angeht, in und um Berlin ein neues Zeit­al­ter. Die Pfer­de­bahn wurde einge­führt, die die Wagen auf Schie­nen quer durch die Stadt beför­derte. Für eine von sechs Stre­cken wurden auch vom mitt­ler­weile umbe­nann­ten Rosen­tha­ler Platz die ersten Schie­nen Rich­tung Norden verlegt, der Bau begann im August 1872. Um Platz zu schaf­fen, musste aber erst einmal die Straße verbrei­tert werden. Dummer­weise war die Brun­nen­straße gerade in den Jahren zuvor neu bebaut worden, die neuen fünf­stö­cki­gen Wohn­häu­ser mit mehre­ren Hinter­hö­fen hatten zur Front­seite alle sogar Vorgär­ten bekom­men. Diese muss­ten nun wieder dran glau­ben, weil sonst die Pfer­de­bahn keinen Platz gehabt hätte. So wurde die Straße von 8–10 m auf 17 Meter verbrei­tert. Das konnte aber nur gegen den Willen der Haus­be­sit­zer durch­ge­setzt werden, denn diese weiger­ten sich, die Gärten abzu­ge­ben. Schließ­lich wurden sie enteig­net und entschä­digt, und am 8. Juli 1873 fuhr dann die erste Pfer­de­bahn über die Brun­nen­straße bis zur Kreu­zung Bad-Grün­ta­ler Straße. Weiter konn­ten die Gleise vorerst nicht verlegt werden, denn an dieser Stelle gab es auf der Badstraße noch einen Bahn­über­gang. Damals führte nämlich die Eisen­bahn­ver­bin­dung vom Stet­ti­ner Bahn­hof (später »Nord­bahn­hof«) noch quer über die Straße Rich­tung Nord­os­ten nach Bernau und Stet­tin. Die »Berlin-Stet­ti­ner Eisen­bahn-Gesell­schaft« weigerte sich, den teuren Bau einer Schie­nen­kreu­zung zu finan­zie­ren.
Aller­dings hatte die dama­lige »Große Berli­ner Pferde-Eisen­bahn-Gesell­schaft«, die 1871 gegrün­det wurde und für den Bau der ersten sechs Linien zustän­dig war, die Verpflich­tung, auch die Linie 1 weiter­zu­füh­ren. Und die sollte nun mal vom Rosen­tha­ler Platz über den Gesund­brun­nen und Pankow zum Schön­hau­ser Tor führen. Also auch über die Badstraße. Erst im folgen­den Jahr konn­ten die Schie­nen weiter verlegt werden. 1882 wurde die Stre­cke auch im Süden bis zum Hacke­schen Markt verlän­gert.

Noch 1873 wurde auch die Linie 6 eröff­net, die sich vom Rosen­tha­ler Platz ausge­hend über Orani­en­bur­ger Tor, Bran­den­bur­ger und Halle­sches Tor bis zum Schle­si­schen Tor — also entlang der ehema­li­gen Stadt­mauer — hinzog. Die Stre­cke wurde aber später wieder abge­baut und teil­weise (in Kreuz­berg) durch die Hoch­bahn ersetzt.
Zur Unter­brin­gung der großen Anzahl von Pfer­den und Wagen dien­ten damals spezi­elle Gebäude an den Bahn­hö­fen, ab 1882 auch am Bahn­hof Gesund­brun­nen. Da zu dieser Zeit durch die Indus­tria­li­sie­rung die Boden­preise schon sehr hoch waren, wurden die Pferde in mehre­ren Stock­wer­ken über­ein­an­der unter­ge­bracht, mit stei­len Rampen, die die Pferde dann erklim­men muss­ten.

Mit der Eröff­nung der Stadt­bahn (S‑Bahn) und deren Bahn­hof Gesund­brun­nen entwi­ckelte sich diese Gegend ab 1882 zu einem neuen Verkehrs­schwer­punkt. Der Bahn­hof diente gleich­zei­tig der Stet­ti­ner Bahn als Regio­nal­bahn­hof und zuneh­mend führ­ten auch neue Pfer­de­bahn-Linien von dort in viele Rich­tun­gen, wie nach Char­lot­ten­burg, Moabit, Reini­cken­dorf, Nieder­schön­hau­sen und zum Vineta­platz.
Zu diesem Zeit­punkt arbei­tete ein Mann schon daran, die Pferde vor den Bahnen künf­tig zu erset­zen, nämlich durch den elek­tri­schen Strom. Werner von Siemens plante bereits eine »elek­tri­sche Perso­nen­bahn«, von der er 1879 das erste Exem­plar vorstellte. Auf der »Berli­ner Gewer­be­aus­stel­lung« im Mai dieses Jahres konnte Siemens am Lehr­ter Bahn­hof eine 300 Meter lange Rund­stre­cke präsen­tie­ren, auf der die Ausstel­lungs­be­su­cher in der ersten elek­tri­schen Bahn der Welt fahren konn­ten. Damit war Berlin zur Geburts­stätte des elek­tri­schen Bahn­be­triebs gewor­den. Von diesem Zeit­punkt an ließ Siemens nicht mehr von seiner Idee ab, ganz Berlin mit einem Netz elek­trisch betrie­be­ner Bahnen zu über­zie­hen. Seine Chance bekam er 1896, wiederum zur Gewer­be­aus­stel­lung, die dies­mal weit außer­halb Berlins statt­fand — in Trep­tow. Die Berli­ner Pfer­de­bahn-Gesell­schaft erhielt den Zuschlag, das Gelände mit elek­trisch betrie­be­nen Stre­cken an Berlin anzu­bin­den. Am 1. Mai 1896 wurden die neuen Linien in Betrieb genom­men, die teils Ober­lei­tun­gen hatten, teils aber auch — in einer Schiene versteckt — Unter­lei­tun­gen. Die Erfah­run­gen waren so über­zeu­gend, dass inner­halb von nur sechs Jahren fast das gesamte Pfer­de­bahn­netz elek­tri­fi­ziert wurde!

Nach der Umwand­lung der Pfer­de­bahn in eine elek­tri­sche Stra­ßen­bahn ging Werner von Siemens an die Umset­zung eines weite­ren Plans: Nun wollte er quer durch die Stadt ein Netz von Schnell­bah­nen errich­ten, die aber unab­hän­gig vom übri­gen Verkehr über oder unter den Stra­ßen fahren soll­ten. Schon lange vorher (1880) war er mit seiner Firma Siemens & Halske geschei­tert, der Stadt eine elek­tri­sche Hoch­bahn für die Fried­rich­straße anzu­bie­ten. Doch durch seinen Erfolg mit der Stra­ßen­bahn hatte er nun bessere Karten. Gleich­zei­tig war aber auch eine Konkur­renz heran­ge­wach­sen, unter ande­rem die AEG, die im Gegen­satz zu Siemens auf unter der Erde geführte Bahnen setzte, so wie es sie damals schon in London gab.
Über­all in der Stadt wurden Hoch- und U‑Bahnen entwor­fen und gebaut. Busse und Stra­ßen­bah­nen waren für weite Wege zu lang­sam und zu inef­fek­tiv, und gerade die Indus­tria­li­sie­rung machte den schnel­len Trans­port großer Menschen­mas­sen nötig. So entstand auch der Plan, die beiden bevöl­ke­rungs­star­ken Wohn- und Indus­trie­ge­biete des Gesund­brun­nens und Neuköllns (das frühere Rixdorf) mit einer Bahn­stre­cke zu verbin­den. 1902 meldete zusätz­lich die »Conti­nen­tale Gesell­schaft für elek­tri­sche Unter­neh­mun­gen« aus Nürn­berg ihr Inter­esse an, Berlin mit einer Schwe­be­bahn nach Wupper­ta­ler Vorbild zu beglü­cken. Dort wurde schon am Ende des 19. Jahr­hun­derts eine Schwe­be­bahn gebaut, die damals eine revo­lu­tio­näre Neuig­keit darstellte und bis heute ein wich­ti­ges Massen­trans­port­mit­tel inner­halb der Stadt ist.
Die Trasse dieser Schwe­be­bahn sollte vom dicht­be­sie­del­ten Wohn­vier­tel um den Gesund­brun­nen über Alex­an­der­platz und Hermann­platz nach Neukölln führen. An den Endsta­tio­nen der zwölf Kilo­me­ter langen Stre­cke waren Wende­schlei­fen vorge­se­hen. Doch gab es viele Schwie­rig­kei­ten, mit denen die Bauher­ren zu kämp­fen hatten. Vor allem wurde befürch­tet, die Trasse würde den tiefer­ge­le­ge­nen Wohnun­gen Luft und Licht nehmen und außer­dem den Stra­ßen­ver­kehr zu sehr beein­träch­ti­gen. Daher verlang­ten die Behör­den erst­mal den Bau einer Probe­stre­cke und zwar an der engs­ten Stelle des vorge­se­he­nen Stre­cken­ver­laufs. Und dies war die Brun­nen­straße vor dem Rosen­tha­ler Platz, wo der Abstand zwischen den Häusern nur 22 Meter beträgt.

1908 wurde dann ein 42 Meter langes Teil­stück der geplan­ten Schwe­be­bahn montiert und dieses Ding stand doch ziem­lich verlo­ren zwischen den Fassa­den der Miets­ka­ser­nen herum. Dort sollte es dann auch noch fünf Jahre stehen blei­ben, bis zur Entschei­dung des Magis­trats — gegen die Schwe­be­bahn und für die Stär­kung der einhei­mi­schen Wirt­schaft. Denn obwohl sie ein viel teure­res Ange­bot gemacht hatte, bekam schließ­lich die »AEG Schnell­bahn AG« den Zuschlag für den Bau einer Unter­grund­bahn. Die Bayern konn­ten 1913 ihre Schwe­be­bahn einpa­cken und wieder mitneh­men.
Aber das böse Erwa­chen kam einige Jahre später: 1924 ging die AEG-Schnell­bahn infolge des Ersten Welt­kriegs und daraus entstan­de­ner wirt­schaft­li­cher Schwie­rig­kei­ten pleite. Eine neu gegrün­dete »Nord­süd­bahn AG« über­nahm den Auftrag zur Fertig­stel­lung der Linie, die dann 1930 endlich eröff­net werden konnte.
Nach den Plänen der AEG sollte die U‑Bahn übri­gens kurz vor dem Bahn­hof Gesund­brun­nen aus der Erde heraus­kom­men, den Bahn­hof bereits als Hoch­bahn über­que­ren und bis zur Chris­tia­ni­a­straße (heute Osloer Straße) weiter­ge­führt werden. Doch dazu kam es nicht, die Verlän­ge­rung zur Osloer Straße fand sogar erst 1977 statt. Die Idee, die Bahn über statt unter dem Bahn­hof Gesund­brun­nen entlang zu führen, war eigent­lich nur logisch. Denn schon die Fern­bahn befand sich einige Meter unter dem Stra­ßen­ni­veau und es war tech­nisch sehr schwie­rig, darun­ter auch noch eine U‑Bahn-Station zu bauen. Letzt­end­lich kam der U‑Bahnhof dann aber doch 14 Meter unter die Erde. Er erhielt einen direk­ten Zugang zum Fern­bahn­steig sowie einen südli­chen Ausgang, der sich unmit­tel­bar gegen­über der Himmel­fahrt­kir­che befand, die bis zur ihrer Zerstö­rung im Krieg an der Brun­nen­straße im Humboldt­hain stand. Um die U‑Bahn zu errei­chen, wurde damals die längste Roll­treppe Deutsch­lands instal­liert. Während des Zwei­ten Welt­kriegs sind in die südli­chen Zwischen­eta­gen des Bahn­hofs Bunker einge­rich­tet worden, die bis heute erhal­ten sind.

In der Zwischen­zeit wurde der Bus- und Stra­ßen­bahn­ver­kehr weiter ausge­baut. An der Swine­mün­der Ecke Ramler­straße errich­tete man einen Stra­ßen­bahn­hof, von dem aus insge­samt acht Linien Rich­tung Norden und Süden führ­ten. Schon ab 1899 war auch ein Omni­bus­hof in der Usedo­mer Straße in Betrieb, und ab 1911 ein weite­rer in der Jasmun­der Straße. Als dort am 15. Januar 1905 der erste Omni­bus mit Verga­ser­mo­tor einge­setzt wurde, ging durch die raue Fahr­tech­nik gleich die Front­scheibe zu Bruch. Ein zwei­ter Wagen wurde von begeis­ter­ten Fahr­gäs­ten gestürmt, so dass er eben­falls beschä­digt liegen blieb.

Durch den Zwei­ten Welt­krieg sind auch die Bahn­an­la­gen der U‑Bahn und der Stra­ßen­bahn beschä­digt oder zerstört worden. Doch schon am 25. Mai 1945 konnte ein provi­so­ri­scher U‑Bahn-Betrieb aufge­nom­men werden, vom 28. Juni an fuhr die Bahn wieder regel­mä­ßig. Bereits drei Tage vor der U‑Bahn kamen auch die Stra­ßen­bah­nen wieder ins Rollen. Am 13. Mai ’45 erließ der sowje­ti­sche Stadt­kom­man­dant Gene­ral­oberst Bersa­rin den Befehl, in dem es hieß:
»Zur Verbes­se­rung der Lebens­be­din­gun­gen der Bevöl­ke­rung und zwecks Herstel­lung einer norma­len Arbeit der Berli­ner städ­ti­schen Wirt­schafts­un­ter­neh­men befehle ich, […] die Linie Gesund­brun­nen, Rosen­tha­ler Str., Alex­an­derpl., Klos­ter­str. wieder in Betrieb zu nehmen.«
Die Wagen­be­schil­de­rung musste auf Russisch und Deutsch erfol­gen. Durch die Kriegs­zer­stö­run­gen, durch Engpässe bei der Strom­ver­sor­gung und auch durch die Repa­ra­ti­ons­zah­lun­gen (z.B. wurden intakte Stra­ßen­bahn­wa­gen nach Warschau gebracht) war aber an einen reibungs­lo­sen Ablauf noch lange nicht zu denken.

Der nächste Dämp­fer kam 1949 mit der Spal­tung der Stadt und der Blockade West-Berlins. In dieser Zeit fuhren S- und U‑Bahnen noch durch beide Teile der Stadt, während die meis­ten Stra­ßen­bahn­li­nien getrennt wurden. Immer weni­ger Linien verban­den seit 1949 den sowje­ti­schen mit den drei west­li­chen Sekto­ren. Die Fahr­gäste muss­ten ihre Fahr­scheine immer mit der Währung bezah­len, die bei ihrem Einstei­ge­punkt gültig war. Gerade in grenz­na­hen Berei­chen wie der Brun­nen­straße gingen die West-Fahr­gäste ein paar Schritte über die Grenze und stie­gen dann eine Station entfernt ein — zum weit­aus nied­ri­ge­ren Fahr­preis konn­ten sie nun durch die gesamte Stadt fahren.
Beim Grenz­über­tritt wurden auch das Perso­nal ausge­wech­selt, so dass die Schaff­ner der BVG-Ost nur im Ostteil der Stadt fuhren und die der BVG-West nur im Westen. Aller­dings gab es zwei Ausnah­men, die Linien 47 und 96. Durch einen Vorfall kam dann im Okto­ber 1950 auch der gemein­sam betrie­bene Stra­ßen­bahn­ver­kehr zum Erlie­gen: An diesem Tag wurde ein Schaff­ner der Linie 47 durch die Ost-Poli­zei vorüber­ge­hend fest­ge­nom­men, was West-Alli­ierte und BVG-West mit einer zeit­wei­li­gen Still­le­gung des gesam­ten grenz­über­schrei­ten­den Bus- und Bahn­ver­kehrs beant­wor­tete.
Das Lini­en­netz wurde immer weiter in zwei Teile zerschnit­ten; wo es möglich war, also gerade bei Bus- und eini­gen Stra­ßen­bahn­li­nien, ende­ten die Verbin­dun­gen kurz vor dem Grenz­be­reich. Zum Beispiel wurde die Stra­ßen­bahn­li­nie, die einst vom Rosen­tha­ler Platz aus die Brun­nen­straße hinauf fuhr, an der Inva­li­den­straße Rich­tung Chaus­see­straße wegge­führt und endete dort (bis heute). Im Wedding wurde der Stra­ßen­bahn­hof in der Swine­mün­der Straße zum Endbahn­hof, genauso wie der Busbahn­hof in der Usedo­mer Straße.

Die endgül­tige Tren­nung aber kam dann in der Nacht zum 13. August 1961. Mit dem Mauer­bau wurden einer­seits natür­lich die stra­ßen­ab­hän­gi­gen Linien getrennt, aber man musste sich auch für die U‑Bahn etwas einfal­len lassen. Das Ergeb­nis war, dass die Stre­cken, die zwar Ostber­lin unter­quer­ten, aber im Westen began­nen und ende­ten, für die Bewoh­ner von Ostber­lin ab sofort gesperrt waren. Die beiden U‑Bahnlinien Seestraße-Tempel­hof sowie Gesund­brun­nen-Leine­straße hatten plötz­lich lauter funk­ti­ons­lose Bahn­höfe.
Der Bahn­hof Gesund­brun­nen war ja als Endbahn­hof nicht nur für die U‑Bahn wich­tig, sondern hatte bis zu diesem Zeit­punkt auch noch seine Funk­tion als Regio­nal- und S‑Bahnhof. Doch da die meis­ten seiner Verbin­dun­gen nach Ostber­lin oder in die DDR führ­ten, waren sie mit dem Mauer­bau abge­schnit­ten. Die Linien Rich­tung Norden (Bernau, Orani­en­burg) und Osten (Trep­tow, Köpe­nick) konn­ten nicht mehr befah­ren werden.
Der nächste U‑Bahnhof (Volta­straße) war ursprüng­lich einer der ersten, die fertig­ge­stellt wurden. Schon 1915 trugen seine Granit­säu­len die Bahn­hofs­de­cke, aber es sollte noch 15 Jahre dauern, bis er endlich in Betrieb gehen konnte. Ab 1961 war er dann viele Jahre das, was bei jeder Einfahrt eines Zuges durch Laut­spre­cher ange­sagt wurde: »Letz­ter Bahn­hof in Berlin West!«
Der Bahn­hof Bernauer Straße war zu dieser Zeit ein Geis­ter­bahn­hof, er lag direkt unter dem Grenz­strei­fen, sein nörd­li­cher (zuge­mau­er­ter) Ausgang beschrieb gleich­zei­tig die Grenze zwischen Ost- und West­ber­lin. Eben­falls 28 Jahre verschlos­sen blieb der Bahn­hof am Rosen­tha­ler Platz.
Während die Menschen im West­teil Berlins die Linie 8 wenigs­tens noch einge­schränkt nutzen konn­ten, war es für die im Osten völlig unmög­lich. Die U‑Bahn war passé, man musste Umwege fahren und impro­vi­sie­ren, um z.B. wieder von der Janno­witz­brü­cke zum Rosen­tha­ler Platz zu kommen.

Doch merk­wür­di­ger­weise unter­nahm der Magis­trat in all den 28 Jahren nach dem Mauer­bau nichts, um die Spuren der für DDR-Bürger uner­reich­ba­ren U‑Bahnhöfe zu tilgen. Die alten Eingänge wurden nur zuge­mau­ert, durch eine einzige Stahl­tür konn­ten die Grepos diese »verbo­tene Stadt« betre­ten. Und doch stan­den sie über­all im Weg, diese Zeug­nisse dessen, dass es ein gemein­sa­mes Leben vor dem Mauer­bau gege­ben hatte. Allein am Rosen­tha­ler Platz führ­ten fünf Trep­pen ins Nichts. Jeder, der diesen beleb­ten Platz zu Fuß über­querte, musste aufpas­sen, nicht an die stäh­ler­nen Umran­dun­gen zu stoßen, die wie zum Trotz den Bürger­steig blockier­ten, mit ihren leeren Räumen hinter zuge­schlos­se­nen und zuge­schweiß­ten Gittern. Im Haus Brun­nen­str. 10 gab es noch einen spezi­el­len Eingang, der wegen der gerin­gen Stra­ßen­breite einst in das Wohn­haus inte­griert worden war. An dieser Stelle betra­ten die »Grenz­or­gane« ihren Arbeits­platz, durch eine unauf­fäl­lige Tür unter dem Schild mit dem »U«.

Der Dorn­rös­chen­schlaf endete erst kurz vor Weih­nach­ten 1989. Sechs Wochen nach dem Fall der Mauer war schon längst wieder Ordnung einge­kehrt im Verhält­nis zweier Staa­ten. Statt der anfäng­li­chen Anar­chie war wieder Kontrolle ange­sagt, und da man in der DDR-Haupt­stadt eine andere, nicht frei konver­tier­bare Währung benutzte, musste man das Volk auch kontrol­lie­ren. So öffnete der U‑Bahnhof Rosen­tha­ler Platz am 22. Dezem­ber 1989 wieder — als Grenz­über­gangs­stelle. Je ein Eingang wurde zur »Einreise« und »Ausreise« geöff­net, die rest­li­chen blie­ben teil­weise noch bis Ende 1992 geschlos­sen. Wie der, der direkt in der Brun­nen­straße heraus­kommt und wo man bis zur Reno­vie­rung noch den alten Hinweis lesen konnte: »Zum HO-Möbel­haus«. Erst zur Währungs­union am 1. Juli 1990 wurde der U‑Bahnhof Rosen­tha­ler Platz dann endlich wieder eine ganz normale Station.
Seit­dem ist sehr viel passiert. Die Bahn­höfe wurden größ­ten­teils saniert, die Stra­ßen­bahn­gleise erneu­ert, Busli­nien fahren wieder von Ost nach West. Für die Zukunft ist sogar eine Weiter­füh­rung der Stra­ßen­bahn­li­nie 20 geplant, die dann von der Ebers­wal­der Straße (Ost) über die Bernauer Straße (West) zum Nord­bahn­hof (Ost) führen und dabei die Brun­nen­straße kreu­zen soll. Und noch später soll sie dann viel­leicht sogar über die Inva­li­den­straße (Ost und West) zur Turm­straße (West) in Moabit ausge­baut werden. Träume.

Reali­tät dage­gen ist die Entwick­lung am Bahn­hof Gesund­brun­nen, der seit dem Baube­ginn, der zuerst mal ein Abriss war, sein Gesicht schon sehr verän­dert hat. Wenn man da über­haupt noch von einem Gesicht spre­chen kann, denn viel ist von dem alten Bahn­hof nicht mehr übrig. Das Eingangs­ge­bäude und der Vorplatz mit seinen Läden und Knei­pen stan­den einst dort, wo einen heute dezent das Gesund­brun­nen-Center erschlägt. Sämt­li­che Gebäude auf dem S‑Bahnhof und auch die rest­li­chen alten Bahn­an­la­gen wurden abge­ris­sen. Übrig geblie­ben sind nur der U‑Bahnhof und seine Eingänge.
Der Bahn­hof Gesund­brun­nen und das dane­ben liegende Gelände wurden zu einem Schwer­punkt des Umbaus der Berli­ner Fern­bahn. Mit der Entschei­dung für das »Pilz­kon­zept«, nach dem eine Ost-West-Verbin­dung im Norden Berlins gebraucht wird, wird der Bahn­hof Gesund­brun­nen bald wieder zu einem der wich­tigs­ten Verkehrs­kno­ten­punkte der Stadt. Direkt östlich des Bahn­hofs wird das »Nord­kreuz« komplett neu gebaut, das sich dann bis zum S‑Bahnhof Born­hol­mer Straße hinzie­hen wird. Nach der Fertig­stel­lung soll dann auch die S‑Bahn wieder vom Gesund­brun­nen über Moabit Rich­tung Westen führen, also der S‑Bahn-Ring im Norden geschlos­sen werden. Und wenn die Behm­stra­ßen­brü­cke wieder eröff­net ist, dann wird auch der Platz am Bahn­hof Gesund­brun­nen endlich wieder Welt­stadt­flair verbrei­ten — umne­belt von den Abgas­schwa­den der sich stau­en­den Autos an den vier Einmün­dun­gen der Kreu­zung.

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