Aus: Nord-Berliner Lokal-Zeitung, 18.12.1953:
»Jahrhundertelang war die Straße zwischen dem Rosenthaler Platz und der Badstraße das Einkaufs- und Verkehrszentrum des Berliner Nordens. Es ist kein Zufall, daß hier S-, U- und Straßenbahnhöfe errichtet wurden und leistungsfähige Spezialgeschäfte entstanden, lange bevor der Westen Mode wurde. Die Sektorengrenze hat aus der einstmals verkehrsreichsten Verbindungsstraße eine Sackgasse gemacht, in der das Wirtschaftsleben um 40 bis 50 Prozent zurückgegangen ist. Dazu kam, daß die Verwaltungsstellen lange Zeit hindurch die Bedeutung der Brunnenstraße als nordöstliches Tor zum freien Berlin unterschätzten und die Neubautätigkeit nach 1947 hier sehr spät einsetzte.

Erst jetzt will man drangehen, die Straßenbeleuchtung zu modernisieren. Darüber hinaus geht die Förderung der Anwohner dahin, daß der Autobusverkehr von Frohnau und Hermsdorf ebenso wie der Direktverkehr nach dem Westen unter Umgehung des Ostens bis unmittelbar an die ‚Grenze‘ weitergeleitet und der Wohnungsbau auch hier forciert wird. Es ist bezeichnend, daß die Initiative dazu nicht von den politischen Parteien ausgeht, sondern von Bewohnern der Brunnen-, Volta-, Lortzing-, Usedomer, Demminer, Stralsunder und Bernauer Straße.

Die Geschäftsleute, Handwerker und Kaufleute des unter den Kriegsfolgen besonders leidenden Stadtteils haben sich zur ‚Interessengemeinschaft Brunnenstraße‘ (Geschäftsstelle: N 31, Brunnenstraße 62) zusammengeschlossen, um durch Selbsthilfemaßnahmen die strangulierte Brunnenstraße wieder zu einer Hauptgeschäftsstraße des Nordens und einer würdigen Visitenkarte des freien Berlins zu machen. Sie haben sich damit nicht nur eine wirtschaftliche, sondern zugleich eine politische Aufgabe gestellt, für deren Verwirklichung sie volle Unterstützung verdienen. Alles, was das Herz begehrt, vom Aal bis zum Zwillingswagen kann man in der Brunnenstraße kaufen. Es lohnt sich wirklich, hier den Weihnachtsmann zu jagen. Weit über hundert Fachgeschäfte aller Sparten ringen von der ‚Plumpe‘ bis zur Bernauer Straße um die Gunst des Käufers. Einige von ihnen haben uns für den Weihnachtsmann einen besonderen Rat mit auf den Weg gegeben.

Bei Radio-Welker findet man nicht nur die neuesten Rundfunk-Modelle, sondern auch die jüngsten Kinder der Elektrogeräte-Technik: Rasierapparate, die ‚ihm‘ die tägliche Rasur zu einer angenehmen Vibrationsmassage machen können. Kein Mann braucht sich also mehr ,über’n Löffel balbieren‘ zu lassen.
Stolz erinnert die Firma Kinderwagen-Schmidt daran, daß bei ihr heute bereits die Enkel ihrer ‚alten‘ Kunden ihre Kinderwagen kaufen. Auch die Zugezogenen wird dieser Vertrauensbeweis nachdenklich stimmen, denn nur wer aus Prinzip Qualitätsware preiswert liefert, sichert sich heute Dauerkunden.
Doch was ist die Familie ohne Heim, das Heim ohne Möbel? Ganz besonders der Weddinger, der nur selten von seinen Zinsen leben kann, liebt seine Wohnung und erwartet von seinem Möbelhändler gediegene Ware, die seinem persönlichen Geschmack (und Geldbeutel) entspricht und keinen Kudamm-Stil, ganz gleich ob er eine ganze Wohnungseinrichtung oder ein Einzelstück sucht. Und auf die Kundschaft, die individuelle Beratung liebt, hat sich die Firma Möbel-Austel eingestellt.

Zu den persönlichen Festgeschenken gehören seit eh und je Akten- und Handtaschen, wie sie die Firma Flamingo infolge Großeinkaufs besonders preisgünstig anbietet. Ihr Lager gehört zu den größten Berlins. Und da sollten Sie nicht das Passende finden?
Oder wie wär’s mit einem Photoapparat? Bei Photo-Knispel berät Sie der Fachmann und autorisierte Zeiß-Ikon-Händler. Wenn Sie ganz sicher gehen wollen, erledigt er auch Ihre Photoarbeiten im eigenen Labor.
Aber was wäre Weihnachten ohne Weihnachtskarpfen und herzhafte Fischkonserven und Marinaden zum Ausgleich für die vielen Süßigkeiten. Lassen Sie sich verraten, daß die Firma Fisch-Wolleck die Tradition des ältesten Fischgeschäfts des Berliner Nordens fortsetzt, eigene Dauerhälterung für Süßwasserfische besitzt und durch Direktbezug und Selbstherstellung besonders frische Ware liefern kann.

Vor 4 Jahren erst kam die Firma Uhren-Woerneck in die Brunnenstraße und bereits in dieser kurzen Zeit ist sie das anerkannte Fachgeschäft für Armbanduhren geworden. Moderne Lichtgestaltung für Innenräume und Neon-Leuchtschrift für Geschäftsfronten findet man nur bei Ing. Näther. Sein Prinzip: Mehr Licht bei gleichem Preis.
Zur Abrundung des Bildes fehlt eigentlich nur noch etwas für das Gemüt. Wie wär’s also mit einer Schallplatte von Radio-Schmidt? Lieben Sie Weihnachtslieder, Schlagermelodien oder klassische Musik? Auch bei der Erfüllung Ihrer ausgefallensten Plattenwünsche stehen Ihnen die Fachkräfte des Spezialgeschäfts mit dem größten Schallplattenlager des Nordens zu Diensten.

Deshalb unser Rat: Suchen Sie den Weihnachtsmann in der Brunnenstraße, dann klingt es auch bei Ihnen: O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit…«

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