Keine Kiezblocks in Moabit

Die Verkehrs­se­na­to­rin Ute Bonde hat heute ange­ord­net, dass die geplan­ten Stra­ßen­sper­run­gen inner­halb soge­nann­ter Kiez­blocks mit sofor­ti­ger Wirkung unter­sagt werden. Gleich­zei­tig strich der Senat die dafür vorge­se­he­nen Geld­mit­tel.

Das von den Grünen geführte Bezirks­amt Mitte mit dem Stadt­rat Chris­to­pher Schri­ner hatte vor, bis zum kommen­den Früh­jahr bis zu 28 neue “Kiez­blocks” einzu­rich­ten. Damit ist gemeint, dass inner­halb eines Gebiets (z.B. dem Stephan­kiez) Poller auf Stra­ßen­kreu­zun­gen und Einmün­dun­gen aufge­stellt werden. So soll verhin­dert werden, dass Autos dieses Gebiet durch­fah­ren können. Sie können in der Regel nur dort wieder raus­fah­ren, wo sie in das Gebiet einge­fah­ren sind.

Der Sinn einer solchen Maßnahme ist mehr als frag­lich. Angeb­lich soll damit inner­halb des Gebiets der Verkehr beru­higt und die Lebens­qua­li­tät der Anwoh­ner erhöht werden. An bestehen­den “Kiez­blö­cken” sieht man aber, dass diese Rech­nung nicht aufgeht. Anstatt eine Straße zu durch­que­ren, werden Auto­fah­rer gezwun­gen, Umwege zu fahren. Sie müssen um die Kiez­blocks herum­fah­ren und verur­sa­chen dadurch natür­lich mehr Verkehr. Und wer inner­halb des Gebie­tes einen Park­platz sucht, muss oft wieder heraus­fah­ren und über eine andere Seite hinein, weil die Durch­fahrt verschlos­sen ist.

Vor allem in den Bezir­ken Fried­richs­hain-Kreuz­berg und Mitte ist dieser ideo­lo­gisch moti­vierte Unsinn mitt­ler­weile ausgeu­fert. In vielen Kiezen protes­tie­ren Anwoh­ne­rIn­nen dage­gen, Gewer­be­trei­bende bekla­gen teil­weise hohe Einbu­ßen, Rettungs­dienste berich­ten, dass sie länger zu einem Notfall­ort brau­chen.
Für Moabit waren vorerst sechs neue Kiez­blocks vorge­se­hen. Dabei sind die betref­fen­den Stra­ßen bisher gar nicht über­las­tet, anders als die Haupt­stra­ßen. Aber genau diese soll­ten nun zusätz­lich den Verkehr aufneh­men, den die Sper­run­gen produ­zie­ren. Das kommt dabei heraus, wenn Ideo­lo­gie vor Vernunft geht.

Foto: Daniel Obst

Wiki­me­dia Commons, CC BY-SA 4.0
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7 Kommentare

  1. Dieses Projekt als “ideo­lo­gisch moti­vier­ten Unsinn” abzu­tun, verkennt völlig, dass es expli­zit ein Betei­li­gungs­ver­fah­ren war, um über­haupt erst über Möglich­kei­ten zu spre­chen und Lösun­gen im Dialog zu finden. Gestoppt wird damit nicht “Unsinn”, sondern die Chance auf genau die diffe­ren­zierte Problem­lö­sung, die angeb­lich nötig wäre.

    • Doch das ist “ideo­lo­gisch moti­vier­ter Unsinn”. In Moabit gibt es poli­ti­sche Grup­pen, die sich beson­ders im Stadt­teil enga­gie­ren, in Betei­li­gungs­ver­fah­ren invol­vie­ren, etc. Für die sind Autos per se schlecht und es muss alles getan werden, um sie auszu­mer­zen. Das ist aber nicht die Mehr­heits­mei­nung im Kiez. Ich wüsste auch keinen Kiez in Moabit, der ein Problem mit zu vielen Autos hat. Erst recht, seit­dem der Flug­ha­fen Tegel nicht mehr in Betrieb ist.

      Im Gegen­teil. Moabit ist “tot” verkehrs­be­ru­higt. Die unzäh­li­gen “Moabi­ter Kissen” im Stephan­s­kiez oder um die Armi­ni­us­halle herum, die es quasi unmög­lich machen, mit dem Auto einzu­fah­ren, sind für die Entwick­lung der Kieze hinder­lich. Klar hier und da ein “Moabi­ter Kissen” ist okay, um dafür zu sorgen, dass mit ange­mes­se­ner Geschwin­dig­keit gefah­ren wird. Es wurde aber völlig über­trie­ben und führt zu ausge­stor­be­nen Kiezen. Lang­sa­mer Anlie­ger­ver­kehr ist nämlich gar nicht das Problem. Das Problem ist der Durch­gangs­ver­kehr. Wie man den sinn­voll ohne Poller und Kiez­blö­cke orga­ni­sie­ren kann, zeigt die Turm­straße. Auf der ist Platz für alle Verkehrs­teil­neh­mer, ohne dass jegli­ches (Verkehrs)Leben erstickt wird.

  2. Ja, das entspricht den Tatsa­chen. Denn nur Verkehrs­le­ben ist rich­ti­ges, wahres Leben und kann nur völlig frei von sämt­li­chen Asso­zia­tio­nen mögli­cher Begriffe, wie “Ideo­lo­gie”, “Exis­tenz” oder gar tenden­ziös links­grün­ver­siff­ter Termini, wie “Daseins­für­sorge”, “Gemein­wohl” oder “Zugang zum Recht” sein. Die Aner­ken­nung von nicht durch Parti­ku­lar­in­ter­es­sen geschütz­ter Rechts­sub­jekte darf nicht gewähr­leis­tet werden. Ziel­füh­rend kann deshalb nur eine Umwand­lung aller Gehwege entlang der Turm­straße in zwin­gend notwen­dige zusätz­li­che Verkehrs­spu­ren sein. Die Nöti­gung zur Einver­nahme des Verkehrs erlischt somit im gesam­ten Einzugs­ge­biet, eine Haftung bleibt ausge­schlos­sen.

    • Ich habe mit keinem Wort gesagt, dass nur der moto­ri­sierte Indi­vi­du­al­ver­kehr “wahres Leben” ist und dem Auto­fah­rer der abso­lute Vorrang zukom­men soll. Ich bin für Verkehrs­be­ru­hi­gung, Tempo 30-Zonen, Verkehrs­in­seln, gute ausge­baute Fahr­rad­wege, breite Bürger­steige.

      Trotz­dem bin ich aber dage­gen, dass die Kieze “tot” verkehrs­be­ru­higt werden. Deswe­gen bin ich der Meinung, dass in Moabit in eini­gen Kiezen bereits über­trie­ben wurde und zu viele “Moabi­ter Kissen” instal­liert wurden und es keine zusätz­li­chen Kiez­blö­cke braucht. Ich kenne nicht einen Kiez in Moabit, der mit zu viel Auto­ver­kehr zu kämp­fen hat. Weil es für weite­res “ausbrem­sen” keinen sach­li­chen Grund gibt, sondern nur noch “Anti-Auto” Ideo­lo­gie ist. Was ein Problem in Moabit ist, sind die Durch­gangs­stra­ßen wie die Strom­straße. Wie man das sinn­voll lösen kann, zeigt — meiner Meinung nach — der wegen der Stra­ßen­bahn neuge­stal­te­ten Berei­che der Turm­straße.

      Wer wegen dieser Meinung Schnapp­at­mung bekommt, sollte sich viel­leicht wirk­lich mal hinter­fra­gen, ob er oder sie so ideo­lo­gie­frei ist, wie sie denkt.

  3. Danke Paul, du hast voll­kom­men Recht, wie konnt ich nur so falsch liegen, danke für die Aufklä­rung :) Ich war nur so begeis­tert, wie ange­mes­sen takt- und verständ­nis­voll du die berech­tigte Kritik von Poller­power vernich­tet hast, das macht echt Mut sich für Fehl­dar­stel­lun­gen einzu­set­zen und gewalt­frei und dennoch nicht sach­fremd kommu­ni­zie­ren zu wollen. Klasse, ich hab meine Sylter Part­ne­rin deshalb grad ange­wie­sen unser PKW in der Nord­see zu versen­ken, da du mich durch deine schlüs­si­gen Argu­mente voll­ends über­zeugt und inspi­riert hast, deshalb noch einmal ein herz­li­ches merci ☮️✌

  4. Ich verstehe den Zusam­men­hang von Verkehrs­be­ru­hi­gung (Spielstraßen/Moabiter Kissen) und “toten Kiezen” nicht. Meines Erach­tens ist die Lebens­qua­li­tät und die Leben­dig­keit der Kieze nicht von der Anzahl der Moabi­ter Kissen oder Zufahrt­sper­ren (Poller) gefähr­det. Aus lang­jäh­ri­ger Beob­ach­tung möchte ich darauf hinwei­sen , dass viel­mehr der unge­re­gelte Durch­gangs­ver­kehr und über­höhte Geschwin­dig­keit, insbe­son­dere von Taxis und Miet­wa­gen vor allem die Sicher­heit nicht nur von Kindern, Gehan­di­cap­ten und Alten gefähr­det und beein­träch­tigt.

    • Wie bei Vielem kommt es auf die Dosis an. Ich habe nichts gegen Verkehrs­be­ru­hi­gun­gen und Moabi­ter Kissen. Aber in Moabit wurde es in machen Kiezen über­trie­ben. Aus meiner lang­jäh­ri­gen Beob­ach­tung gibt es in Moabit nämlich keinen Kiez, der ein Problem mit Durch­gangs­ver­kehr hat. Das mag früher anders gewe­sen sein, als der Flug­ha­fen Tegel noch in Betrieb war, aber heute verir­ren sich kaum noch Fahr­zeuge in die Kieze, außer die Anwoh­ner.
      Moabit hat hier und da ein Problem mit zu viel Verkehr auf Durch­gangs­stra­ßen; zb Strom­straße, Beus­sel­str. und teil­weise Alt Moabit. Da ist es für Anwoh­ner und Fußgän­ger unschön. Wie das besser geht, zeigt, wie ich oben schon geschrie­ben habe, der Bereich der Turm­straße, der wegen der Tram neuge­stal­tet wurde. Da gibt es für alle Verkehrs­teil­neh­mer Raum; für Fahr­rä­der, Fußgän­ger, ÖPNV und auch für Autos: und siehe da, auf dem west­li­chen Teil der Turm­straße entwi­ckelt sich ein biss­chen Leben.
      Ich glaube daher, es würde viele Kieze bele­ben, wenn auch moto­ri­sierte PKW komfor­ta­bel einfah­ren könn­ten. Ein gutes Beispiel ist das west­fä­li­sche Vier­tel, da kann man eigent­lich über­all gut fahren. Der Kiez ist leben­dig. Trotz­dem hält sich das Verkehrs­auf­kom­men in Gren­zen. Ich finde, mehr Kieze in Moabit könn­ten etwas Leben a la west­fä­li­sches Vier­tel vertra­gen. Das heißt übri­gens nicht, dass es nirgendswo Moabi­ter Kissen geben darf. Auch Verkehrs­in­seln oder versetze Verkehrs­füh­run­gen machen Sinn. Das hat aber nichts mit dem zu tun, was im Stephan­s­kiez oder um die Amini­us­halle herum gemacht wurde. Da wurde alles mit Moabi­ter Kissen komplett „voll­ge­pflas­tert“. Da ging es nicht um ausbrem­sen und Verkehrs­be­ru­hi­gung, sondern um Autos raus­hal­ten. Genau wie mit den Kiez­blö­cken. Und das halte ich eben für falsch.

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