Die Bahn gehört zu Moabit

Die Moabi­ter Geschichte ist kaum denk­bar ohne die Eisen­bahn. Nicht nur, dass einige Jahre lang hier Dampf­lo­ko­mo­ti­ven gebaut wurden, sondern der Stadt­teil war zur Hälfte von Schie­nen umschlos­sen. Heute ist das weni­ger, aber trotz­dem immer noch sehr bestim­mend. Im Norden der Güter­bahn­hof am West­ha­fen, im Osten der Haupt­bahn­hof. Aber das sind nur Über­bleib­sel.

Begon­nen hatte es mit der Berlin-Hambur­ger Bahn. Der soge­nannte Hambur­ger Bahn­hof an der Inva­li­den­straße öffnete bereits 1846 und gehörte zu den ersten Bahn­hö­fen in Deutsch­land. Er lag damals noch außer­halb der Stadt­mau­ern und war wie später alle ande­ren in Berlin als Kopf­bahn­hof errich­tet worden. Doch schon 1884 wurde er im Rahmen der Verstaat­li­chung der Eisen­bah­nen wieder geschlos­sen und durch den gleich gegen­über entstan­de­nen, weit­aus größe­ren Lehr­ter Bahn­hof ersetzt. Beide waren von unter­schied­li­chen, priva­ten Bahn­ge­sell­schaf­ten erbaut worden, die auch die jewei­li­gen Gleis­an­la­gen betrie­ben. Der Hambur­ger Bahn­hof wurde 1906 zum Bau- und Verkehrs­mu­seum.

In den 1870er Jahren entstand außer­dem die Ring­bahn um Berlin, deren Form bis heute „Hunde­kopf“ genannt wird. Sie befin­det sich am nörd­li­chen Rand Moabits und wurde vom Staat gebaut, weil sie auch einen mili­tä­ri­schen Nutzen hatte.

Der Hambur­ger und der Lehr­ter Bahn­hof bestan­den aber nicht nur aus dem Gebäude für den Perso­nen­ver­kehr, sondern sie hatten auch Gelände für den Güter­um­schlag, ebenso wie die Ring­bahn, östlich der Beus­sel­straße. Der Güter­bahn­hof der Hambur­ger Bahn befand sich beider­seits der Heide­straße, die Lehr­ter Bahn musste auf den Moabi­ter Werder auswei­chen, wo heute das Innen­mi­nis­te­rium steht und die soge­nannte „Schlange“, also schon südlich an der Spree. Moabit hatte nun drei Güter­bahn­höfe, drei Bahn­be­triebs­werke, zwei Eisenbahn­Werkstätten und jede Menge Gleise, die das alles irgend­wie mitein­an­der verban­den.

Dazu kam ab 1882 die Stadt­bahn, die auf ihrem Weg zwischen Char­lot­ten­burg und Fried­richs­hain auch am Lehr­ter Bahn­hof vorbei führte. Man kann nicht behaup­ten, Moabit hätte an einem Mangel an Eisen­bah­nen gelit­ten.

Dies alles änderte sich einige Jahr­zehnte später. Zuerst hatte Hitler in seinen Groß­machts­fan­ta­sien noch geplant, nörd­lich der Perle­ber­ger Brücke einen neuen riesi­gen Bahn­hof errich­ten zu lassen. Dem haben die Alli­ier­ten einen Strich durch die Rech­nung gemacht.

Nach der Auftei­lung der Stadt in unter­schied­li­che Sekto­ren und dann sogar Staa­ten nahm der Bahn­ver­kehr ab. Der Lehr­ter Bahn­hof wurde 1958 abge­ris­sen, sein Güter­bahn­hof 1980 geschlos­sen. An der Heide­straße waren Hambur­ger und Lehr­ter Güter­bahn­hof schon lange vorher zusam­men­ge­legt worden. Noch heute ist vielen Moabi­te­rIn­nen das Kürzel HuL ein Begriff. Dies prangte auch auf den großen Kränen des Contai­ner­bahn­hofs, der nord­west­lich der Heide­straße errich­tet wurde, wo sich heute ein Teil der Euro­pa­city befin­det.

Dies zeigt auch einen großen Miss­stand in der Poli­tik: Große Gebiete wie gerade Bahn­an­la­gen, die einst im Staats­be­sitz waren, wurden nach und nach an Privat­in­ves­to­ren verkauft und sind damit der Stadt­pla­nung und nicht-kommer­zi­el­len Nutzung entzo­gen. Zudem sind die dama­li­gen Chan­cen zerstört worden, einen ökolo­gi­schen Güter­ver­kehr aufbauen zu können: Mittels Bahn bis in die Stadt und erst von dort durch Liefer­wa­gen weiter­ver­tei­len.

Ein beson­ders schlim­mes Kapi­tel der Moabi­ter Bahn­ge­schichte waren die Depor­ta­tio­nen von Juden während der NS-Zeit. Mehrere Gleise nahe der Quit­zow­straße gehör­ten ursprüng­lich zum mili­tä­ri­schen Teil des Güter­bahn­hofs und wurden bis Anfang der 1920er Jahre von der preu­ßi­schen Armee genutzt. Danach lagen sie aufgrund der durch den Versailler Vertrag vorge­ge­be­nen Trup­pen­re­du­zie­run­gen brach. Ab 1941 fuhren von hier aus Dutzende Züge in die Konzen­tra­ti­ons­la­ger und Ghet­tos Osteu­ro­pas. Etwa 33.000 Menschen traten hier ihren Weg in die Vernich­tung an. Ein großer Teil der Anla­gen dort sind heute mit Gewer­be­bau­ten sowie der Ellen-Epstein-Straße über­baut. Nur zwischen Baumarkt und Discoun­ter erin­nert ein unauf­fäl­li­ger Gedenk­ort an die Depor­ta­ti­ons­züge, die hier abfuh­ren.

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