Es grenzt an ein Wunder, dass es während der Umbenennungsorgie in den 1990er Jahren nicht auch den Bersarinplatz in Friedrichshain erwischt hat. Zahlreiche Straßennamen wurden damals in Ost-Berlin getilgt und teilweise kamen wieder die alten Preußen und Monarchen zu Ehren. Weit weniger des Kommunismus‘ Verdächtige verschwanden aus dem Straßenbild, aber der Kommandant der Roten Armee, Nikolai Bersarin, blieb. Am 21. April 1945 war der Kommandeur der I. Belorussischen Front der erste sowjetische Kampfverband, der die Stadtgrenze von Berlin erreichte und innerhalb von zwei Wochen den Rest des Nazi-Widerstands brach. Drei Tage später wurde Bersarin Stadtkommandant, doch schon im Juni starb er bei einem Verkehrsunfall.
Bersarin war eine der entscheidenen Personen in der Zeit der Befreiung. Innerhalb von Tagen machte er aus der Eroberungsarmee eine Organisation, die wesentlich für den Wiederaufbau der zivilen Infrastruktur verantwortlich war. Er sorgte dafür, dass in Berlin innerhalb kürzester Zeit die Lebensmittel-, Wasser- und Stromversorgung sowie das Verkehrswesen wieder funktionierte. Er war es auch, der mit einem Dekret die Massenvergewaltigungen und Plünderungen durch sowjetische Soldaten zu beenden versuchte und dagegen drakonische Strafen erließ. Und er kümmerte sich von Anfang an um die kulturelle Versorgung der Bevölkerung. Theater, die Universität, Schulen sowie der Rundfunk wurden soweit möglich in wenigen Wochen wieder hergestellt.
Dabei war er bei der kommunistischen Führung der Stadt gar nicht beliebt. Walter Ulbricht ließ zwar zu, dass der bisherige Baltenplatz 1947 in Bersarinplatz umgenannt wurde, doch die Aufnahme in die Ehrenbürgerliste verhinderte er. Obwohl beide Stalinisten waren, sah Bersarin die Notwendigkeit, auch mit bürgerlichen Kräften zusammenzuarbeiten, um die Stadt wieder zum Funktionieren zu bringen. So setzte er z.B. den rechtskonservativen Arthur Werner als Bürgermeister für Berlin ein. Erst 1975, nach dem Tod Ulbrichts, wurde Nikolai Bersarin in die Liste der Ost-Berliner Ehrenbürger aufgenommen.
Als es 1990 die Wiedervereinigung gab, ist er aus der Gesamtberliner Liste wieder gestrichen worden. Grund dafür war eine Lüge des CDU-Abgeordneten Günter Toepfer, nach der Bersarin an Massendeportationen beteiligt gewesen sei. Nachdem diese Behauptung widerlegt wurde, beschloss das Abgeordnetenhaus im Sommer 2000 die Wiederaufnahme in die Ehrenbürgerliste. Doch der ebenfalls der CDU angehörende, damalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen weigerte sich, diese demokratische Entscheidung umzusetzen. So dauerte es bis 1993, dass der einstige Generaloberst Bersarin vom SPD-Senat wieder als Ehrenbürger eingetragen wurde. Sein Bild hängt nun im Abgeordnetenhaus und sein Name steht weiterhin auf dem Straßenschild am runden Platz in Friedrichshain.
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