Hertha — was für ein selt­sa­mer Name für einen Fußball­ver­ein. Damals, als »die Hertha« Ende des 19. Jahr­hun­derts gegrün­det wurde, nannte man Sport­ver­eine eher Aleman­nia, Fortuna, Victo­ria oder Germa­nia — das klang doch wenigs­tens nach Kaiser und Reich, nach Stolz und Vater­land! Aber Hertha?

Begon­nen hatte es im Sommer des Jahres 1892. Auf dem Arko­na­platz spiel­ten die Jungs Fußball, so wie auch heute noch. Doch zwei Brüder­pär­chen, Fritz und Max Lind­ner sowie Paul und Otto Lorenz, reichte es nicht mehr, immer nur gegen die glei­chen Kumpels zu spie­len. Sie woll­ten auch mal gegen andere Mann­schaf­ten antre­ten, aber gleich­zei­tig hatten sie keine Lust, den neu entste­hen­den Verei­nen aus der Gegend beizu­tre­ten. Wie dem »Aleman­nia 90«, der nur ein paar hundert Meter weiter trai­nierte, auf dem »Exer«. So nannte man damals den alten Exer­zier­platz, der inzwi­schen »Platz der einsa­men Pappel« hieß und etwa dort lag, wo man heute von der Ebers­wal­der Straße auf das Gelände des Fried­rich-Ludwig-Jahn-Stadi­ons kommt.
Die vier Jungs, alle noch Schü­ler und Lehr­linge, woll­ten also einen eige­nen Verein grün­den. Der 17-jährige Otto Lorenz orga­ni­sierte eine Vereins­grün­dungs­feier in der Zions­kirch­straße, im Lokal seines Onkels. Dort war das Bier beson­ders billig, fünf Pfen­nig der Topp. Da man als Minder­jäh­ri­ger noch keinen Verein grün­den durfte, musste ein weite­rer Onkel einsprin­gen, der schon 22 Jahre alt war.
Der Sage nach dauerte die Diskus­sion um den Namen und die Vereins­far­ben einige Zeit, so dass man schon etwas ange­trun­ken war. Letzt­end­lich erin­ner­ten sie sich an eine gemein­same Damp­fer­fahrt, das Schiff hieß »Hertha« und der Schorn­stein war blau-weiß gestreift. Damit waren nicht nur Namen und Farben des neuen Vereins fest­ge­legt, sondern auch gleich der Ruf, der die Hertha nicht mehr losließ: Noch heute sagt man, »die Hertha wurde im Suff gezeugt«.

Der Verein hieß nun also »Hertha 92«, aber an einen gere­gel­ten Spiel­be­trieb war noch längst nicht zu denken. Erst ein Jahr später, als zwölf Spie­ler der Aleman­nia 90 geschlos­sen zur Hertha über­lie­fen, wurde der Verein ernst genom­men. Doch der Versuch, sich einem der neuen Verbände anzu­schlie­ßen, miss­lang: Man solle sich gefäl­ligst einem der großen Fußball­ver­eine anschlie­ßen, hieß es, zum Beispiel der Aleman­nia.
So dauerte es doch eine ganze Weile, bis sich die Hertha einen gewis­sen Ruf erspielt hatte. In den Folge­jah­ren durfte man nun auch an Turnie­ren und sogar Meis­ter­schaf­ten teil­neh­men — und schnitt fast immer als bester oder zweit­bes­ter Verein ab. 1902, zehn Jahre nach der Grün­dung, gewann Hertha 92 dann zum ersten Mal sogar die Berli­ner Meis­ter­schaft.
Im folgen­den Jahr zog der Verein um, man pach­tete einen Platz direkt neben der Millio­nen­brü­cke am Bahn­hof Gesund­brun­nen. Hier an der »Plumpe« sollte man mit kurzer Unter­bre­chung die nächs­ten sieb­zig Jahre blei­ben. Der Platz war aber nur im Sommer zu bespie­len. In den Winter­mo­na­ten wurde er in eine Eisbahn verwan­delt.

Hertha 92 wurde zu einem der wich­tigs­ten Fußball­ver­eine Berlins, gewann auch gegen briti­sche Mann­schaf­ten — und wurde trotz­dem wieder heimat­los. Der Päch­ter verlangte mehr und mehr Geld für die Benut­zung seines Plat­zes, so dass irgend­wann die Verhand­lun­gen schei­ter­ten. So kam die Hertha 1923 auf die Idee, sich mit einem ande­ren Verein zusam­men­zu­schlie­ßen, dem »Berli­ner Sport-Club« (BSC). Der hatte zwar nur eine unbe­deu­tende Fußball­ab­tei­lung, aber einen eige­nen Platz. Und zwar genau auf der ande­ren Seite der Behm­straße! Dort wurden nun neue Tribü­nen gebaut, die 3.600 (zahlen­den!) Zuschau­ern Platz boten, es wurden Sani­tär- und Umklei­de­ge­bäude errich­tet.
Nun begann der eigent­li­che Aufstieg des Vereins, die besten Jahre lagen vor ihm. Man konnte bald weitere Gebäude bauen, und in der nahen Heide­brin­ker Straße wurde eine Geschäfts­stelle einge­rich­tet.

Hertha BSC blieb, auch als 1940 die Holz­tri­büne abbrannte. Zwei Jahre später, zum 50. Geburts­tag des Vereins, wurde in der »Licht­burg« direkt am Bahn­hof Gesund­brun­nen ein Hertha-Sonder­post­amt einge­rich­tet. Danach war Schluss, der Krieg forderte auch bei Hertha BSC seine Opfer.
Im Sommer 1945 traf man sich wieder. Die Häuser waren zerstört, der Platz mit Bomben­trich­tern über­sät. Die neuen sowje­ti­schen Macht­ha­ber erlie­ßen zudem einen Erlass, nach dem man nur in dem Stadt­be­zirk Mitglied eines Sport­ver­eins werden dürfe, in dem man lebt. Schlechte Zeiten für einen stadt­weit agie­ren­den Verein wie die Hertha.
Erst im Sommer 1949 wurde Hertha BSC durch einen von Louise Schroe­der unter­schrie­be­nen Ukas wieder ein einge­tra­ge­ner Verein, der aber zu seiner endgül­ti­gen Zulas­sung insge­samt 29 Anträge auszu­fül­len hatte — davon sechs in engli­scher Spra­che, drei in fran­zö­si­scher und vier in Russisch!

Zur selben Zeit plante der Berli­ner Magis­trat, im Humboldt­hain ein Groß­sta­dion zu errich­ten. Hertha hatte Angst, dass sie auf ihrem rampo­nier­ten Platz sitzen­blieb und keine finan­zi­elle Hilfe zu dessen Wieder­her­stel­lung erwar­ten konnte. In dieser Situa­tion musste sich der Verein natür­lich profi­lie­ren — und vergeigte sein Spiel um die Deut­sche Meis­ter­schaft gegen Wupper­tal mit einem Endstand von 1:14 Toren. Glück­li­cher­weise wurde das Stadi­on­pro­jekt trotz­dem nicht reali­siert, so dass doch immer wieder etwas für den Hertha-Platz abfiel.
Aber es war nicht von Dauer. Denn die Geschichte von Hertha BSC ist auch die Geschichte von sport­li­chen und finan­zi­el­len Krisen. 1972 hatte der Verein mehrere Millio­nen Mark Schul­den und musste seinen tradi­ti­ons­rei­chen Platz am Gesund­brun­nen letzt­lich doch verkau­fen.
Seit­dem trai­niert und spielt man im Olym­pia­sta­dion, und seit eini­ger Zeit auch ab und zu wieder vor ausver­kauf­ten Haus! Aber was ist hier am Gesund­brun­nen übrig­ge­blie­ben? Dort, wo einst der erste Platz lag, stehen heute Neubau­ten, einige Bron­ze­skulp­tu­ren erin­nern aber daran, dass hier einmal Fußball gespielt wurde. Und dann gibt es noch einen Hertha-Fanclub:

André vom Hertha-Fanclub »Plumpe«:
André S. ist 15 Jahre alt und Grün­der des »Hertha BSC Fanclub Plumpe«. Er wohnt im Weddin­ger Teil der Brun­nen­straße.
»Früher hatten wir den Fanclub ‘Hertha-Kids’, dit war so vor zwee Jahren, da war ick zwölf oder so. Ick hab mir zuerst bei Hertha dit Stadion-Maga­zin geholt und da stand das drin, so mit Fanclub grün­den und so. Dann hab ick meene Kumpels gefragt, wie isses, woll’n wir ’nen eige­nen Fanclub grün­den, und dann ham’se ja gesagt.
Denn hab ick mal ange­ru­fen bei dem Fan-Beauf­trag­ten und der hat gesagt, so und so sieht’s aus. Wie wollt ihr den Club denn nennen? Hab ick gesagt Hertha-Kids, und denn hat er okay gesagt. Dann hat mir meene Oma den Tip mit der Plumpe gege­ben. Damals hat man immer gesagt, hier der Gesund­brun­nen, das ist Plumpe. Und so sind wir auf den Namen gekom­men. Is doch besser. Ick wohn inna Nähe davon, und jetzt nennen wir den Fanclub eben Plumpe.Wir sind dann auch zusam­men zu Spie­len gefah­ren. Ick hatte da auch schon so Mitglieds­aus­weise gemacht und dann woll­ten wir Beitrag nehmen, dass wir uns auch mal ’nen eige­nen Fanbus mieten können. Aber da ist dann nichts draus gewor­den.«

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