Palazzo Humboldt

Eigent­lich befin­det sich das Humboldt-Schloss ja in Tegel, aber wir wollen im Zeichen des Aufbruchs nicht klein­lich sein. Also wird an Stelle des eins­ti­gen Berli­ner Stadt­schlos­ses in Mitte nun ein Humboldt-Forum gebaut, das wie das eins­tige Schloss ausse­hen soll, aber eben doch ein biss­chen anders, weil es ja keines ist. Ein König oder Kaiser wird voraus­sicht­lich auch nicht drin wohnen, insge­samt wirds also etwa genauso origi­nal wie das Niko­lai-Vier­tel oder die Komman­dan­tur. Disney­land für die Touris­ten aus Fern­ost und Weit­west, die — wenn das soge­nannte Humboldt-Forum erst­mal steht — sowieso alt von neu nicht unter­schei­den können. Wundern werden sich höchs­tens die Russen, die nach vielen Jahren in Moskau mal wieder Berlin besu­chen und sich wundern, wo der Palast der Repu­blik geblie­ben ist. Aber nichts da mit Repu­blik, Monar­chie ist in. Deshalb bekommt das Bauwerk auch wieder eine Kuppel, die Quadriga hat nach der Wieder­eröff­nung des Bran­den­bur­ger Tors ja auch wieder das Eiserne Kreuz in den Ähren­kranz bekom­men. Oder heißt das Ehren­kranz? Schließ­lich stan­den Tor wie Schloss auch stets für die Ehre, ob Kaiser, Prole­ta­rier oder Führer, geju­belt wurde alle­mal und erst Stalins eiser­ner Besen in Gestalt des Schand­männ­chens Walter Ulbricht berei­tete dem ein Ende. Aber nicht ganz, ein Portal des altes Schlos­ses landete am neuen Staats­rats­ge­bäude, man war schließ­lich doch noch preu­ßisch, was schon am Stech­schritt der Solda­ten gegen­über zu sehen war. Ob dieses Portal wohl abge­baut und im neuen Schloss inte­griert wird? Eher nicht, denn wo einst Erich Honecker und später Gerhard Schrö­der regier­ten, resi­diert heute eine Elite­schule, die das Relikt bestimmt nicht heraus­rü­cken will. Steht es doch wie kaum eines für die deut­sche Geschichte, angeb­lich rief von diesem Balkon der Spar­ta­kist Karl Lieb­knecht am 9. Novem­ber 1918 die Repu­blik aus. Ob’s wirk­lich dieser war, weiß man zwar nicht, aber das ist egal, in der Geschichts­aus­le­gung sind alle Partei krea­tiv und einfalls­reich.

Nun jeden­falls wird das Humboldt-Forum dem Volke zur Verfü­gung gestellt, nicht kosten­los natür­lich, denn die Museen darin wollen auch leben. Aber wenigs­tens wird eine Fassade errich­tet, die histo­ri­siert, auch die Innen­höfe erin­nern an das alte Schloss, während sich die Ostseite, die an der Spree, eher am lang­wei­li­gen Berlin-Mitte-Stil orien­tiert: Schieß­schar­ten­ähn­li­che Fens­ter­ver­ti­ka­len anstelle des einzi­gen archi­tek­to­nisch wirk­lich inter­es­san­ten Teils des dama­li­gen Schlos­ses. Die Erker, Türme, versteck­ten Balkons, Trep­pen und winzi­gen Fens­ter, die dem 500 Jahre alten Schloss­teil etwas verwun­sche­nes gaben — ausge­rech­tet all das wird nicht mehr rekon­stru­iert, sondern nur der pompöse Teil von Andreas Schlü­ter.
Da hätte man auch gleich den Repu­blik­pa­last stehen lassen können, der immer­hin tatsäch­lich vom Volk genutzt wurde. Aber so ist das eben mit der Histo­rie. Die Gewin­ner entschei­den und mit den Vertre­tern der alten Ordnung halten auch ihre Symbole wieder Einzug. Moder­ner und ange­pass­ter natür­lich, eine neue Monar­chie ist ja hoffent­lich nicht mehr zu befürch­ten. Aber wer weiß, die Geschichte schlägt manch­mal selt­same Kaprio­len und wenn der Bundes­tag nun entschei­det, den Sieger­ent­wurf des Italie­ners Franco Stella umzu­set­zen, dann geht wenigs­tens mal ein Auslän­der in die Archi­tek­tur­ge­schichte des Berli­ner Zentrums ein. Obwohl, mit Italien gab es ja sogar schon mal eine gemein­same Achse — aber das führe an dieser Stelle zu weit.

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3 Kommentare

  1. Der Repu­blik­aus­ru­fer auf dem Balkon vom Schloss war Karl Lieb­knecht, während von einem Fens­ter auf der Haupt­seite des Reichs­ta­ges Phil­lipp Schei­de­mann seiner­seits die Repu­blik ausrief. Lieb­knecht war damals auch kein KPD Vorsit­zen­der, da selbige erst 1919 gegrün­det wurde.

  2. Hallo,

    das stimmt, mich ärgert es immer wieder von diesem unnö­ti­gen Humboldt-Forum zu lesen. Hat uns einer gefragt ob wir das wollen? Das Geld würde für Wich­ti­ge­res benö­tigt. Aber nein, es muß ein Schloß her.

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