Aus der Taxi-Funkzentrale

Es ist schon recht lange her, dass ich in der Taxizentrale in der Vermittlung gesessen habe. Damals hatten wir noch Sprachfunk, so dass wir mit den Taxifahrer*innen direkt sprechen konnten. Allerdings so, dass alle anderen mithören konnten. Das hatte durchaus seine Vor- und Nachteile. Offenbar war es aber manchen Fahrern nicht bewusst, dass Funk keine Telefonverbindung zwischen zwei Personen ist.
Aus meinen Aufzeichnungen damals:

Fernsehturm
Kollege fragt über den Funk ernsthaft, wie man denn an den Fernsehturm heran fahren kann. Abgesehen davon, dass dies zum Grundwissen gehört, würde schon der normale Menschenverstand reichen. Denn von der Karl-Liebknecht-Straße, die gleich daneben verläuft, gibt es nur eine einzige Straße, die dort hin führt. Ich habe dem Fahrer nicht geantwortet, dies haben schon die Kollegen in den Taxis drum herum für mich getan.

Quittungen
Kollege fragt über Funk: „Zentrale, bis wie viel darf ich eine Quittung für den Fahrgast ausstellen?“
Ich: „Über den Betrag, der auf dem Taxameter steht plus eventuelles Trinkgeld.“
„Aber der Fahrgast möchte gern eine höhere Quittung ausgestellt haben.“
„Ich habe Ihnen gerade klar geantwortet. Wenn Sie einen höheren Betrag eintragen, ist das Steuerbetrug.“
„Aber das weiß doch niemand, es bleibt doch unter uns.“
„Plus mehreren tausend Fahrern, die das gerade mitgehört haben.“
Kleinlaut: „Danke…“

Drogenkauf
Taxifahrer: „Zentrale, mein Fahrgast möchte gerne Koks kaufen. Irgendwo in Schöneberg. Haben Sie da vielleicht eine Adresse?“
Ich: „Ist das Ihr Ernst? Versuchen Sie es doch mal in der Gothaer Straße. Dort ist die Asservatenkammer der Polizei.“
„Wollen Sie mich verarschen?“
In der Zwischenzeit haben sich so viel Kollegen eingeschaltet und abgelästert, dass ich nicht mehr geantwortet habe.

Michelle
Taxifahrer: „Zentrale, mein Fahrgast will sich beschweren. Er hatte bei Ihnen mein Taxi bestellt und wollte zum Straßenstrich. Dort gefallen ihm aber die Frauen nicht und nun will er nicht bezahlen.“
Ich: „Soll ich Ihnen Kollegen und die Polizei schicken? Wo genau stehen Sie jetzt?“
Kurze Pause.
„Zentrale, es hat sich erledigt, der Fahrgast hat mich jetzt zu Michelle* eingeladen.“
* Bekannter Nachtclub

Kein Funkauftrag
Kollege: „Zentrale, ich habe seit zwei Stunden keinen Auftrag mehr bekommen.“
Ich: „Wenn kein Auftrag da ist, kann ich auch keinen vermitteln.“
„Aber ich bezahle jeden Monat Funkgebühr. Dafür möchte ich auch Aufträge haben.“
„Wie gesagt, ich kann nur vermitteln, was rein kommt.“
„Das glaube ich Ihnen nicht. Ich glaube, dass Sie mir keinen vermitteln, weil Sie mich nicht leiden können.“
„Quatsch. Außerdem kenne ich Sie überhaupt nicht.“
Aggressiv: „Ich komme jetzt zu Ihnen in die Courbiérestraße, Sie kriegen gleich richtig Ärger.“ (Zu diesem Zeitpunkt war die Funkzentrale dort längst ausgezogen).
„Kollege, Sie sind jetzt erstmal zwei Stunden gesperrt wegen Drohung gegen die Zentrale. Schalten Sie bitte Ihr Funkgerät aus.“
„Du Penner hast mir gar nichts zu sagen. Ich komme jetzt zu Dir und hau Dir auf die Fresse!“
„Sie sind jetzt für die nächsten 24 Stunden gesperrt. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass der gesamte Funkverkehr mitgeschnitten wird und Sie die Konsequenzen tragen, falls Sie so weiter machen.“
„Das ist mir scheißegal, Du Arschloch!“
Der Kollege wurde nicht nur gesperrt, sondern später generell vom Funk ausgeschlossen, weil er zusätzlich noch illegal fuhr.

Wo bin ich?
Fahrgast am Telefon: „Ich brauche bitte ein Taxi.“
Ich: „Gerne, wo sind Sie denn?“
„Das ist nicht so klar. In der Nähe vom Wannsee glaube ich. Aber hier ist nichts.“
„Etwas genauer brauche ich es schon. Ist kein Straßenschild zu sehen?“
„Nein, natürlich nicht.“
„Wieso natürlich? Sind Sie nicht an einer Straße?“
„Nicht direkt. Es ist mehr ein Waldweg. Etwa eine halbe Stunde zu Fuß vom Wannsee. Das habe ich doch gerade schon gesagt.“
„Autos dürfen nicht in den Wald fahren. Sie müssten erstmal irgendwo zu einer Straße.“
„Dann kann ich mir ja auch gleich einen Bus nehmen.“
„Wie Sie möchten.“

Prälat Schöneberg
Taxifahrer: „Zentrale, mein Fahrgast möchte zum Prälat Schöneberg, das kenne ich nicht. Können Sie mir bitte die Adresse sagen?“
Ich: „Das kann ich, allerdings gibt es das seit vielen Jahren nicht mehr.“
„Mein Fahrgast sagt, er war da neulich erst drin.“
„Ok. Es war in der Hauptstraße, gegenüber der Polizeiwache. Aber es ist zum Großteil abgerissen worden.“
Einige Minuten Ruhe.
„Zentrale, wenn es schon abgerissen wurde, möchte mein Fahrgast jetzt doch nicht mehr zum Prälat.“
„Aha. Gut zu wissen.“

Keine Ahnung
Taxifahrer: „Zentrale, ich weiß nicht, was ich machen soll. Mein Fahrgast weiß nicht, wo er hin will.“
Ich: „Das kann ich Ihnen aber auch nicht sagen.“
„Aber er hat doch bei Ihnen bestellt.“
„Ja, aber da hat er das Fahrziel nicht angegeben, tut mir leid.“
„Er sagt, dass er jede Woche fährt und immer wissen die Taxifahrer, wo er hin möchte.“
Ich schaute in den Computer, fand aber unter dem Namen des Fahrgastes keinen Eintrag. Aber ich hatte so eine Ahnung.
„Kollege, bitte schalten Sie mal für eine Minute den Funk aus und melden Sie sich dann wieder.“
„Ok.“
Ich fragte dann über Funk die anderen Taxifahrer auf der Straße, ob sie vielleicht was dazu sagen könnten. Tatsächlich stellte sich heraus, dass mehrere Kollegen den Fahrgast kennen. Er wäre geistig verwirrt und will einfach nur ein bisschen durch die Gegend fahren und dann wieder zurück.
Als der Kollege seinen Funk wieder eingeschaltet hatte, gab ich ihm eine Adresse, die etwa sechs Kilometer entfernt war. Dort sollte er einmal im Kreis fahren und dann über eine andere Straße wieder zum Ausgangsort zurück.
Im Nachhinein hat er noch sich bedankt.

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