Haus der Einheit

Schon viele residierten hier: Jüdische Kaufleute, Nazis, Kommunisten, Kapitalisten. Es ist eine laute, stark befahrene Kreuzung, Torstraße und Prenzlauer Allee treffen hier aufeinander. Nur wenige hundert Meter nördlich des Alexanderplatzes ist das sogenannte „Prenzlauer Tor“ ein ungemütlicher Ort. Wie zufällig platziert stehen einige alte Wohnhäuser, der Nikolai-Friedhof an der Ecke zieht immer wieder alte und neue Nazis zum Gedenken an Horst Wessel an. Gegenüber ein großes Gebäude, seine Fassade, markant geschwungen, mit einer „Bauchbinde“ in der ersten Etage. Es hat eine wechselvolle Geschichte und wechselnde Adressen.
Als der jüdische Kaufmann Hermann Golluber 1928/29 das Haus errichten ließ, hieß die Torstraße noch Lothringer Straße. Die Nummer 1 wurde ein Stahlskelettbau im Stil der Neuen Sachlichkeit. Am Rand des Scheunenviertels wurde ein Warenhaus gebaut, in dem auch der ärmere Teil der Berliner einkaufen konnte. Und es war ein Kreditwarenhaus, die Kunden konnten „auf Pump“ einkaufen.
Das Haus enthielt ein Dachterrassen-Restaurant und großzügige Räume auch für die Angestellten. 1929 war die Eröffnung als „Kaufhaus Jonaß“, doch schon vier Jahre später kam der erste Einschnitt. Im Dezember 1933 nutzten die Nazis einen Teil des Gebäudes als Ausstellungsfläche. Golluber und sein ebenfalls jüdischer Geschäftspartner Hugo Halle nahmen zwei Mitarbeiter in die Geschäftsleitung auf, um nicht enteignet zu werden. Doch Golluber und Halle wurden von den beiden aus der Firma gedrängt und flohen 1939 aus Deutschland.

Warenhäuser galten im NS-Staat als „jüdisch“, selbst wenn diese – was praktisch bei allen der Fall war – gar nicht mehr Juden gehörten. Die neuen Besitzer schlossen das Kaufhaus, bauten es um und vermieteten es an die Reichsführung der Hitler-Jugend. 1942 verkauften sie es an die NSDAP.
Direkt nach dem Krieg zog der „Zentralausschuss der SPD“ in das Gebäude ein. Mit der Zwangsvereinigung von KPD und SPD im April 1946 ging der Komplex an das Zentralkomitee der neugegründeten „Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“. Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl als erster und einziger Präsident bzw. Ministerpräsident arbeiteten in diesem Haus. An sie erinnern noch heute zwei Tafeln am Eingang (noch zu seinen Lebzeiten wurde die Lothringer Straße 1951 in Wilhelm-Pieck-Straße umbenannt, das ehemalige Kaufhaus erhielt damit wieder eine neue Adresse). Das Gebäude hieß nun offiziell „Haus der Einheit“, was auf die Zusammenlegung der kommunistischen und der sozialdemokratischen Parteien hinwies. Während des Arbeiteraufstands am 17. Juni 1953 war es deshalb auch Ziel von Angriffen durch Demonstranten. Im Anschluss daran spielte es eine unrühmliche Rolle in der Verfolgung von Oppositionellen. Die Schauprozesse gegen Aufständische des 17. Juni wurden hier „vorbereitet“, die Todesurteile schon vorher festgelegt. Aber auch andere verheerende Maßnahmen wie Kollektivierung der Landwirtschaft und die Enteignung der Betriebe wurden zum großen Teil in diesem Gebäude beschlossen und organisiert.

Im Jahr 1956 zog das „Institut für Marxismus-Leninismus“ in den Bau ein. Auch das Parteiarchiv der SED, das historische Archiv der KPD sowie mehrerer Massenorganisationen nutzen das einstige Warenhaus.
Mit der Wende kam dann nicht nur das Aus für die DDR, sondern auch für das einstige Parteigebäude. Die Archive wurden ins Bundesarchiv verlagert, die SED-Nachfolgepartei musste das Haus abgeben. Seitdem steht es unter Denkmalschutz. Längst ist es den Erben von Hermann Golluber und Hugo Halle zurückgegeben worden, trotzdem stand es noch jahrelang leer. 2010 zog hier der edle Soho-Club ein. Club, Restaurant, Hotel, Schwimmbad.
Jüdisches Warenhaus in den 1920ern, Hitler-Jugend unter den Nazis, marxistische Lehranstalt in der DDR und nun Wohlfühlort von Reichen. Erneut hat das Gebäude sich der Zeit angepasst.

(Foto: Bundesarchiv)

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