Lebens­da­ten: * 24.6.1891 (Stol­berg) + 29.11.1975 (Berlin)

Infor­ma­tio­nen zur Person:
Evan­ge­li­scher Theo­loge
Retter zahl­rei­cher Juden
1934–1940 Pfar­rer in Kauls­dorf
1940–1943 KZ-Häft­ling in Sach­sen­hau­sen und Dachau
1945 Probst in Berlin

Hein­rich Grüber gehörte zu den Berli­ner Pfar­rern, die sich konse­quent gegen den Rassen­wahn der Nazis gewandt haben. Konse­quent heißt in diesem Fall auch tätige Hilfe, um verfolgte Juden zu retten und dafür notfalls das eigene Leben zu riskie­ren. Tatsäch­lich landete Grüber auch im KZ, das er jedoch über­lebte.

Anfangs sah es noch etwas anders aus. Der Absol­vent des Berli­ner Domkan­di­da­ten­stifts war Mitglied des Natio­na­len Clubs, einer Gruppe von Konser­va­ti­ven und Indus­tri­el­len. Auch zum “Stahl­helm” hatte er Kontakte. Kurz nach dem Macht­an­tritt der Nazis war Hein­rich Grüber sogar für den Posten des Staats­se­kre­tärs im Reichs­ar­beits­mi­nis­te­rium im Gespräch. Offen­bar wurde ihm der wahre Charak­ter der neuen Herren erst jetzt bewusst, so dass er sich bereits Mitte März 1933 gegen die Nazis wandte. In den folgen­den Mona­ten musste er deshalb zeit­weise unter­tau­chen.
Ein Jahr später, im Früh­jahr 1934 über­nahm Grüber eine Pfarr­stelle in Berlin-Kauls­dorf, 1935 auch die Betreu­ung der Nieder­län­di­schen Gemeinde. Während seiner Kauls­dor­fer Zeit schloss er sich der Beken­nen­den Kirche an und geriet damit wieder ins Visier der Gestapo. 1937 erfolgte seine erste Verhaf­tung.

1938 grün­dete Hein­rich Grüber in der Orani­en­bur­ger Straße in Mitte das “Büro Pfar­rer Grüber”, das sich als einzige evan­ge­li­sche Hilfs­stelle für rassis­tisch Verfolgte einsetzte. Das Büro orga­ni­sierte die Emigra­tion von 1700 bis 2000 Juden und konver­tierte Juden, was aller­dings nicht leicht war, weil viele Länder keine Juden aufnah­men. Das Büro infor­mierte über neue Verord­nun­gen und half bei Rechts­pro­ble­men. Grüber grün­dete auch eine Wohl­fahrts- und Seel­sor­ge­ab­tei­lung für dieje­ni­gen, die nicht ausrei­sen konn­ten und versorgte sie mit Lebens­mit­teln und Klei­dung.
Teil­weise arbei­te­ten bis zu 35 Menschen für das Büro, in 20 Städ­ten wurden soge­nannte Vertrau­ens­stel­len aufge­baut. Zwar war ein Groß­teil der Geret­te­ten evan­ge­lisch getaufte Juden, doch nach den Rasse­ge­set­zen der Nazis machte das keinen Unter­schied, sie waren genauso gefähr­det wie die nicht getauf­ten.

Eine Zeit­lang wurde die Einrich­tung gedul­det, jedoch stets unter stren­ger Beob­ach­tung durch die Gestapo. Doch nach­dem sich Grüber für Juden einge­setzt hatte, die ins fran­zö­si­sche Lager Gurs verschleppt worden waren, wurde das Büro im Dezem­ber 1940 geschlos­sen. Hein­rich Grüber kam ins KZ Sach­sen­hau­sen. Dieje­ni­gen seiner Mitar­bei­ter, die vor ihrer Konver­tie­rung Juden waren (die große Mehr­heit), wurden 1941 in andere Konzen­tra­ti­ons­la­ger verschleppt und dort umge­bracht. Grüber kam eben­falls in ein ande­res Lager, nach Dachau. Dort erkrankte er schwer, wurde aber geret­tet, weil sich sein Schwa­ger, ein Indus­tri­el­ler, für seine Frei­las­sung einsetzte. Mit der Auflage, sich nicht mehr einschlä­gig zu betä­ti­gen, konnte Hein­rich Grüber im Juni 1943 das KZ verlas­sen. Er über­nahm wieder die Pfarr­stelle in Kauls­dorf.
Unmit­tel­bar nach der Befrei­ung nahm Grüber Kontakt zum sowje­ti­schen Stadt­kom­man­dan­ten Bersa­rin auf und über­nahm zeit­wei­lig das Amt des Kauls­dor­fer Bürger­meis­ters. Weiter­hin enga­gierte sich Hein­rich Grüber poli­tisch und kirchen­po­li­tisch: noch 1945 wurde er stell­ver­tre­ten­der Leiter des Beirats für Kirchen­fra­gen beim neu gebil­de­ten Berli­ner Magis­trat, außer­dem Mitglied des Grün­dungs­krei­ses der CDU.

Von Kauls­dorf wech­selte er nach Mitte, hier wurde er Propst an der Kirche St. Niko­lai und St. Marien. Wie schon zu Zeiten der Nazis eckte Grüber auch im neu entste­hen­den sozia­lis­ti­schem Staat bei der Obrig­keit an. Beson­ders nach einer sehr poli­ti­schen Predigt 1953 wurde er den Macht­ha­bern lang­sam zu unbe­quem. Dabei war er kein Gegner der DDR, er hatte sogar in der Staats­füh­rung einige enge Kontakte, die noch aus seiner Zeit im Konzen­tra­ti­ons­la­ger herrühr­ten. Doch dass sich Grüber auch jetzt wieder für Menschen einsetzte, die ihrer Rechte beraubt wurden, machte ihn in den Augen der SED-Beton­frak­tion zum Feind. Vor allem nach dem Tode von Otto Nuschke, der die DDR-CDU gelei­tet hatte, wurde Hein­rich Grüber immer mehr in die Ecke gedrängt. Dabei ging es aller­dings nicht nur um seine Person, sondern auch um das Verhält­nis der SED zur Evan­ge­li­schen Kirche allge­mein.

Nach dem Bau der Mauer wurde Hein­rich Grüber aus der DDR ausge­schlos­sen, er lebte und arbei­tete dann vor allem in West-Berlin. Er setzte sich weiter­hin für die christ­lich-jüdi­sche Verstän­di­gung ein, dies auch bei mehre­ren Besu­chen in Israel, wo er aufgrund seiner Geschichte gern empfan­gen wurde. Beim Eich­mann-Prozess war er der erste Nicht-Jude, der im Zeugen­stand authen­tisch Zeug­nis able­gen konnte von den rassis­ti­schen Verbre­chen der Nazis.

Am 8. Mai 1970 erhielt Hein­rich Grüber die Ehren­bür­ger­würde von Berlin.
Nach seinem Tod am 29. Novem­ber 1975 wurde er auf dem Evan­ge­li­schen Fried­hof der Domkir­chen­ge­meinde in der Müllerstraße beer­digt.

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