Das Kloster der Dominikaner in Moabit

Mitten in der Berli­ner Innen­stadt, versteckt in einer Seiten­straße, in einem Wohn­vier­tel in Moabit, steht seit dem 19. Jahr­hun­dert ein Klos­ter. Das katho­li­sche Domi­ni­ka­ner­klos­ter St. Paulus ist selbst vielen Bewoh­nern des Stadt­teils kaum bekannt, denn die Mönche, die hier Pater oder Brüder genannt werden, sind im Stra­ßen­bild nicht als solche zu erken­nen. Und dies hat auch einen Grund.

Die Geschichte der Domi­ni­ka­ner in Moabit geht bereits auf das Jahr 1868 zurück. Damals rich­tete der Pater Ceslaus in einer Kessel­schmiede in der Turm­straße das erste Klos­ter ein. Zuvor hatte der “Frau­en­ver­ein St. Hedwig zur Verpfle­gung katho­li­scher Waisen” das Gebäude gekauft und die neben­ste­hen­den Wohn­häu­ser gleich mit. Dort, in der Turm­straße 44, wurde ein Waisen­haus einge­rich­tet.
Ein Jahr nach der Grün­dung des Klos­ters regte sich anti­ka­tho­li­scher Wider­stand in der Bevöl­ke­rung. Am 16. August 1869 versuchte eine gewalt­tä­tige Menge, das Klos­ter zu stür­men. Bei der Vertei­di­gung durch die Poli­zei kamen zwei Menschen ums Leben, über 30 wurden verletzt, die Krawalle wurden als “Moabi­ter Klos­ter­sturm” bekannt. Die feind­li­che Stim­mung nahm auch in den folgen­den Jahren nicht ab. 1875 muss­ten die Mönche das Klos­ter letzt­lich schlie­ßen und verkau­fen, für mehrere Jahre setz­ten sie ihre missio­na­ri­sche Tätig­keit verdeckt fort. Erst 1889, als der soge­nannte “Kultur­kampf” vorüber war, durfte das Klos­ter wieder eröff­net werden.

Der Unbill für St. Paulus ging jedoch weiter: Nach­dem 1892 die Grund­stein­le­gung für das heute noch bestehende Klos­ter in der Olden­bur­ger Straße statt­fand, wurden kurz vor der Eröff­nung 1893 in der Kirche die beiden Glocken gestoh­len. Und auch sonst hatte man mit seinen Schäf­chen so seine Probleme, wie in einer Bitte an den Bischof Kopp deut­lich wird: “Zahl­rei­che Kinder ster­ben ohne die heilige Taufe dahin oder wach­sen als Heiden auf, um die endlose Schar der Sozi­al­de­mo­kra­ten und Gottes­leug­ner zu vermeh­ren.“
1905 bis 1907 wurde der Ostflü­gel und das Gemein­de­haus des Klos­ters an der Olden­bur­ger Straße errich­tet, im Folge­jahr brannte der Dach­stuhl der Kirche durch Brand­stif­tung ab.

Einen mora­li­schen Tief­punkt erreichte das Domi­ni­ka­ner­klos­ter am 1. Mai 1933. Unter der Führung von drei Patres marschierte die gesamte Pfarr­ju­gend zum Lust­gar­ten, zur Kund­ge­bung von Hitler und Hinden­burg. Zu diesem Zeit­punkt war St. Paulus die größte katho­li­sche Gemeinde Berlins. Zehn Jahre später waren viele der Jungs tot, gefal­len als Land­ser oder von den Flie­ger­bom­ben in der Heimat zerfetzt. Trotz­dem wehte im Januar 1943 zum Ponti­fi­kal­amt an den Türmen von St. Paulus neben den weiß­gel­ben Kirchen­ban­nern auch die Haken­kreuz­fahne. Nur wenige Monate danach waren große Teile des Klos­ters zerstört, allein am 24. Januar 1944 fielen 85 Stab­brand­bom­ben und eine Phos­phor­bombe auf den Komplex, die Mönche konn­ten kaum noch etwas retten. Viele der dem Klos­ter ange­glie­der­ten Einrich­tun­gen wurden zerstört oder beschä­digt. Wo noch ein Dach vorhan­den war, wurden Ausge­bombte einquar­tiert, das zerstörte Poli­zei­re­vier aus der Emde­ner Straße zog in die Räume des Waisen­hau­ses.

Trotz des poli­tisch äußerst frag­wür­di­gen Stand­punkts der Domi­ni­ka­ner, gab es unter ihnen auch einzelne, die den Nazis von Anfang an — und bis zum Ende — in herz­li­cher Ableh­nung gegen­über­stan­den. Genannt sei vor allem Pater Odilo Braun, der immer wieder öffent­lich gegen die Rasse­ge­setze der Nazis und die Verfol­gung Anders­den­ken­der auftrat. Er orga­ni­sierte einen anti­fa­schis­ti­schen “Ausschuss für Ordens­an­ge­le­gen­hei­ten” und baute eine inner­kirch­li­che Kommu­ni­ka­tion auf, die unab­hän­gig von den Nazi-Anhän­gern funk­tio­nierte. Natür­lich waren Brauns Akti­vi­tä­ten den Faschis­ten ein Dorn im Auge, so dass die Gestapo am 27. Okto­ber 1944 das Klos­ter besetzte und durch­suchte, Olido Braun und seine Sekre­tä­rin wurden verhaf­tet. Er über­lebte jedoch die Verhöre und wurde Anfang 1945 aus der Gesta­po­haft entlas­sen. Am 27. April stürm­ten Solda­ten der Roten Armee das Klos­ter und versu­chen es auszu­rau­ben. Doch die Mönche und Gemein­de­mit­glie­der konn­ten die Solda­ten heraus­drän­gen.

Heute sieht der Alltag der Domi­ni­ka­ner­mön­che fried­li­cher aus. Sie arbei­ten als Seel­sor­ger in den Gefäng­nis­sen der Stadt, als Dozen­ten an mehre­ren Hoch­schu­len oder als Beauf­tragte für Sekten- und Welt­an­schau­ungs­fra­gen. Das Colle­gium Domi­ni­ca­num veran­stal­tet regel­mä­ßige Veran­stal­tun­gen, in denen welt­li­che wie reli­giöse Themen behan­delt werden. Es gibt sogar eine eigene Gruppe von Amnesty Inter­na­tio­nal im Klos­ter. Die Patres bieten Gesprächs­run­den zu spiri­tu­el­len Fragen und wenden sich immer auch nach außen, St. Paulus ist ein recht offe­nes Klos­ter. Den immer­hin 5.000 Gemein­de­mit­glie­dern wird nicht nur konven­tio­nelle Kirchen­ar­beit gebo­ten, sondern auch Frei­zeit­an­ge­bote: Kinder finden hier ihren Garten, die Jugend­li­chen eine Pfad­fin­der­gruppe, Erwach­sene mehrere Grup­pen für Sport und andere Akti­vi­tä­ten.

So hat sich das Domi­ni­ka­ner­klos­ter St. Paulus doch noch in seiner einst feind­lich gesinn­ten Umge­bung durch­ge­setzt. Und einen erneu­ten Moabi­ter Kirchen­sturm hat es nun sicher nicht mehr zu fürch­ten.

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1 Kommentar

  1. Wieder was gelernt, danke!
    Aber ich staune über die Into­le­ranz der Grün­dungs­zeit. Je nach Gegend waren damals z. B. Juden schon mehr oder weni­ger gleich­ge­stellte Bürger.
    Zum Thema Kirche und Drit­tes Reich gibt es u.a. von Karl­heinz Desch­ner Lesens­wer­tes; sollte in jeder besse­ren Biblio­thek vorrä­tig sein.

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