Barrikaden auf der Kösliner

Versteckt zwischen Reinickendorfer und Pankstraße im Wedding liegt die Kösliner Straße. Wer heute durch die kurze Straße geht, kann sich das Elend nicht mehr vorstellen, der hier vor hundert Jahren geherrscht hat. 1954 wurden sämtliche alten Gebäude abgerissen und durch helle Neubauten ersetzt. Nichts erinnert mehr an den Schrecken, den diese Straße erlebt hat.
Wie viele andere im Wedding war auch die Kösliner Straße ein Quartier, in dem Hunger und Not herrschten. In den nur 24 Häusern wohnten mehrere tausend Menschen, in engen Mietkasernen mit drei bis vier Höfen. Die Kösliner galt als die kinderreichste elendste Straße Berlins.
So ist es kein Wunder, dass hier die Kommunistische Partei großen Zulauf hatte, versprach sie doch, der Not ein Ende zu machen. Am 1. Mai 1929 plante die KPD mehrere Demonstrationen in Berlin, 100.000 Teilnehmer wurden erwartet. Doch die Aufmärsche wurden vom SPD-geführten Magistrat verboten, stattdessen rückte die Polizei in die Hochburgen der Kommunisten ein. So auch in die Kösliner Straße.

Aus einem Bericht:

„An den 23 Vorderhäusern der Kösliner Straße hingen 80 rote Fahnen. Die Arbeiter sahen, dass die Straße, die keine Nebenstraße hat und auch über die Höfe hinweg nur geringe Ausweichmöglichkeiten bietet, eine gefährliche Mausefalle wäre, in die sie von der Polizei hineingetrieben wurden, um schutzlos vor den Mündungen der Polizeipistolen zu stehen. ‚Genossen – ich sage, die Polizei darf nicht mehr in die Gasse … Draußen liegen Baumaterialien – wir müssen damit sofort ein Hindernis quer über die Straße legen…‘
Dann ging es los. Salve auf Salve krachte … pfeifend klatschten die Bleikugeln der Polizei gegen die Häuser, von denen der Putz rasselnd nach unten fiel…
‚Schießt doch … schießt, … mordet, tötet. Was wollt ihr eigentlich töten? Könnt ihr unsere Elendswohnungen totschließen … unseren Hunger … unsere Krankheit … unsere Arbeitslosigkeit? Ihr Arbeitermörder! Es lebe, es lebe, was ihr nie totschießen könnt: Es lebe der Sieg der Weltrevolution.‘

Sofort begann die Polizei, auf die Menschen in der Straße einzuschlagen, und als diese sich wehrten, wurde scharf geschossen. Die Leute flüchteten in die Häuser, die jedoch von der Polizei aufgebrochen und gestürmt wurden. Am Ende des Tages waren allein in der Kösliner Straße drei Menschen erschossen worden, 15 weitere durch Schüsse teilweise schwer verletzt. In ganz Berlin ermordeten Polizisten am 1. Mai 33 Menschen.
Einen Tag später kam die Polizei noch einmal in die Kösliner Straße, diesmal setzte sie sogar Handgranaten ein. Sämtliche Häuser wurden durchsucht, dabei aber keine einzige Waffe gefunden.“

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