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In den USA ist es mitt­ler­weile üblich, dass sich die Leute beim Vorna­men anspre­chen. Eine förm­li­che Anrede wie „Sie“ gibt es ja dort sowieso nicht, trotz­dem ist dieser Trend schon bemer­kens­wert. Es wird mit dem Vorna­men auch eine gewisse Distanz aufge­ho­ben.

In Deutsch­land kennen wir das vom Möbel­haus Ikea. Die Schil­der, die Radio-Werbung, in den Broschü­ren wird hemmungs­los geduzt. Glück­li­cher­weise halten sich die Verkäu­fer nicht daran, jeden­falls nicht, wenn man fragt: „Könn­ten Sie mir bitte mal helfen.“

Ich halte das Siezen eigent­lich für über­flüs­sig. Aber wenn plötz­lich eine Firma ankommt und mich unge­fragt duzt, finde ich das anbie­dernd. Das schlimmste Beispiel sind die Berli­ner Verkehrs­be­triebe. Die BVG beläs­tigt ihre poten­zi­el­len Kunden mit dem selten dämli­chen Spruch „Weil wir Dich lieben“. Wie bitte? Sie erhö­hen regel­mä­ßig die Fahr­preise, lassen Menschen ohne genü­gend Fahr­geld in den Knast werfen und haben einen grot­ti­gen Umgang mit ihren Kunden. Und trotz­dem behaup­ten sie, uns zu lieben? Das ist ja wie in einer lang­jäh­ri­gen Ehe.

Natür­lich sind das nur Flos­keln, auch andere Firmen duzen die Kunden in der Werbung. Aber was, wenn man darauf eingeht und dann zurück duzt?

Auch die Berli­ner Poli­zei duzt die Bürger*innen. Ihre Kampa­gne heißt „Da für Dich“ und soll Bürger­nähe sugge­rie­ren. Dabei wäre der Name „Da für Sie“ noch frei und die entspre­chende DE-Domain würde nicht zu einem Alten­pfle­ge­dienst in Rhein­land-Pfalz führen.
Außer­dem brau­chen sich die Poli­zis­ten auf der Straße nicht über mangeln­den Respekt beschwe­ren, wenn sie sich von ihrem Gegen­über duzen lassen.

Viel­leicht ist es aber auch ganz anders gemeint. Aus zahl­rei­cher Erfah­rung weiß ich, dass Poli­zis­ten andere Leute gerne mal duzen, was als herab­las­sende Herren­men­schen­geste gemeint ist. Mögli­cher­weise soll dieses wider­li­che Verhal­ten nun auch offen­siv vertre­ten werden?

Ich kann mir jeden­falls vorstel­len, was passiert, wenn ich demnächst einen Poli­zei­be­am­ten duze, der meine Papiere kontrol­liert. „Hier haste meinen Ausweis und Führer­schein. Was ist los, weswe­gen kontrol­lierst Du mich denn?“

Vermut­lich wird er das zum Anlass nehmen, gleich auch noch das Auto zu durch­su­chen oder viel­leicht sogar eine Anzeige wegen Belei­di­gung zu schrei­ben. Immer­hin wurde hier in Berlin erst kürz­lich ein Mann zu 2.000 Euro Strafe verur­teilt, weil er einen Poli­zei­be­am­ten geduzt hat.

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2 Kommentare

  1. Ehrlich gesagt hatte ich früher in Berlin häufi­ger mit der Poli­zei zu tun und bin des öfte­ren geduzt worden. Keiner der Beam­ten hat sich je beschwert wenn ich zurück geduzt habe, im Gegen­teil. Aller­dings war ich auch nie das eigent­li­che Objekt der Amts­hand­lung…

  2. Ich duze ledig­lich Freunde und Gleich­ge­sinnte.

    Die BVG Berlin zählt nicht dazu — aufgrund ausschließ­lich nega­ti­ver, auch extre­mer, Erfah­run­gen. Dass sie dennoch meint, mich (und weitere “Kunden” = Opfer) unge­fragt duzen zu dürfen, passt so gar nicht zu der herrsch­süch­ti­gen Vorge­hens­weise von deren Kontrol­leu­ren.

    Zumin­dest dürfte das Duzen seitens der BVG recht­lich frag­wür­dig sein.

    Auch nach z.B. mutwil­li­ger Nicht­be­för­de­rung seitens der BVG musste ich mir nicht nach­voll­zieh­bare “Argu­mente” anhö­ren und mir ein Taxi nehmen — auf eigene zusätz­li­che Kosten).

    Die BVG geht davon aus, dass sich sogar auslän­di­sche Gäste in deren Tarif­dschun­gel ausken­nen
    müssen und werden erbar­mungs­los zur Kasse gebe­ten, wenn sie etwas nicht verstanden/beachtet haben!

    All dies (und noch viel mehr) widert mich an, aber leider bin ich auf die “Öffent­li­chen” ange­wie­sen.

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