Der Skandal um Andrej Holm

Andrej Holm ist als Staatssekretär für Wohnen im neuen Senat zurückgetreten. Doch es ist kein freiwilliger Rückzug, sondern er ist damit der angekündigten Entlassung durch den Regierenden Bürgermeister Michael Müller zuvorgekommen. Müller hatte ihn bereits seit Tagen zum Rückzug aufgefordert. Damit stellt er sich in eine unselige Tradition der SPD. Seit Jahrzehnten steht diese Partei, die sich mal als sozialistisch verstanden hat, auf Seiten der Bau-Industrie, statt für die Rechte der Mieter einzutreten. Der Berliner Immobiliensumpf entwickelte sich in den 1970er Jahren, was vor allem an der finanziellen Überfütterung der Stadt durch die Bundesregierung zu tun hatte. Der SPD-Senat (und ab 1981 die CDU-Regierung) hatten immer lukrative Aufträge an die Baubranche zu vergeben und schusterten ihren eigenen Leuten damit eine Menge Geld zu. Nach der Wiedervereinigung erlebte diese Branche einen Boom, der bis heute anhält. Und noch immer ermöglichen die jeweils Regierenden den Baubonzen satte Profite. Da werden für lohnende Neubauten Gebäude abgerissen, die unter Denkmalschutz stehen (Charlottenburg), da wird eine Autobahn die Stadt geschlagen und dafür Wohnhäuser abgerissen (Treptow).

Einer der sich seit über 25 Jahren dagegen engagiert, ist Andrej Holm. Schon als Student der Sozialwissenschaften unterstützte er die Hausbesetzungen, schrieb seitdem zahlreiche Artikel zum Thema Stadtentwicklung und machte sich bundesweit einen Namen als Experte zur Gentrifizierung. Holm genießt auch im Ausland Anerkennung bei Soziologen. Er gilt als jemand, der der Immobilienmafia gefährlich werden kann, weil er öffentlichkeitswirksam aufzeigt, dass die Entwicklung in Berlin dazu führt, dass sich ärmere Menschen verdrängt werden. Erst gestern wurde bekannt, dass die Verkaufs- und Mietpreise in Berlin höher steigen, als in München, Hamburg oder Düsseldorf.

Andrej Holm wurde im neuen Senat als Staatssekretär für Wohnen engagiert. Für die Immobilienbonzen muss diese Entscheidung der Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher, wie ein Faustschlag in den Magen gewesen sein. Stand ihnen doch plötzlich ein Mann gegenüber, der bestens über ihre Machenschaften und Interessen bescheid wusste und der diese konsequent bekämpfen würde. Für Mieteraktivisten dagegen war er ein Glücksfall, denn er stand außerhalb jeden Verdachts, mit denen zu klüngeln, die nur ihren Profit im Auge haben und denen das Wohl der Berliner Bevölkerung scheißegal ist.

Ja, Andrej Holm hatte sich als Jugendlicher bei der Stasi beworben und hatte eine viermonatige Ausbildung gemacht. Dies hat er in den vergangenen Jahren mehrmals öffentlich gemacht und es als einen Fehler bezeichnet. Anders als so manche Politiker aus SPD und CDU, die sich als sogar Spitzel verdungen hatten und bis heute gedeckt werden. Anders als Holm haben die sich aber auf die Seite der neuen Herrschenden gestellt, haben schnell ihr Fähnchen in Richtung Kapitalismus ausgerichtet.

Schon Ende 2016, als bekannt wurde, dass Holm Staatssekretär werden soll, schäumten die Vorderen von FDP, CDU und AfD. Aber auch in der SPD regte sich schnell Widerstand gegen ihn. Diejenigen, die sich schon immer lieber an der eigenen Macht berauscht haben, als sich um die wirklichen Probleme der Bevölkerung zu kümmern, bekamen Angst vor seinem Einfluss. Zu diesen Leuten gehört auch Michael Müller, der einer der Ersten war, die sich in der SPD gegen Holm wandten. Dass er im Zweifelsfall auf Seiten der Bauwirtschaft steht, hat sich schon vor Jahren bei der Entscheidung zum Weiterbau der Autobahn A100 von Neukölln nach Treptow und Friedrichshain gezeigt. Während er vor zwei Wochen noch abwarten wollte, bis die Humboldt-Uni zu ihrem Mitarbeiter Andrej Holm Stellung beziehen wollte, führte er nun dessen Interviews in der Presse als Entlassungsgrund an. Offenbar auch, weil er merkte, dass Holm in der Bevölkerung wesentlich mehr Zustimmung erfuhr, als es Müller lieb war. So drängte er ihn nun zum Rücktritt, gemeinsam mit den Grünen, die sich wieder einmal als Wasserträger der Sozialdemokraten erweisen.

Mit seinem Rücktritt will Andrej Holm ein Auseinanderbrechen der Koalition verhindern. Nicht aus Rücksicht auf die SPD oder die Grünen, sondern damit die Linke Katrin Lompscher die begonnenen Änderungen in der Wohnungspolitik so weit es geht umsetzen kann. Wie weit Michael Müller sie gewähren lässt, bleibt abzuwarten. Es ist aber zu vermuten, dass er irgendwann einen Vorwand finden wird, sie ebenfalls abzusägen. Die Interessen der Immobilienbranche wird er sicher nicht verraten.
Jetzt ist klar: In der Wohnngsbaupolitik wird sich in dieser Stadt nicht viel ändern.

Andrej Holm:
Diese Stadt braucht eine Politik für die Mieterinnen und Mieter. Es muss Schluss sein mit einer Politik, die weiter die Profitinteressen der Immobilienbranche an erste Stelle setzt. Für diese Aufgabe bin ich mit den Hoffnungen, dem Vertrauen und der Unterstützung von vielen … angetreten. Die Polemik derer, die mich als Staatssekretär verhindern wollten, zeigt, dass es bei der Entlassungsforderung nicht nur um meine Zeit bei der Stasi und um falsche Kreuze in Fragebögen ging, sondern vor allem um die Angst vor einer Wende im Bereich der Stadt- und Wohnungspolitik.

Die ganze Erklärung hier

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5 Kommentare

  1. Moin, moin,
    geht eine aktive Stasivergangenheit und ein Amt als Staatssekretär zusammen? Das ist hier für mich die vordringliche Frage. Wenn wir, die Gesellschaft zum Schluss kommen, dass wir das nicht wollen, dann gilt das für alle und wenn dann immer mit gleichem Maß gemessen wird, wäre das in Ordnung. Wird hier allerdings ein dunkler Fleck aus der Jugend instrumentalisiert, um einen unbequemen Kritiker zu entsorgen, dann bekommt das ein Geschmäckle.
    Ich persönlich habe meine Schwierigkeiten Täter der Stasi so einfach zu übernehmen. Dafür gab es zu viel Leid und Elend bei den Verfolgten. Jemand, der die Idee hat, sich hauptberuflich zu einem Abhörer, Verhörer oder gar Folterer ausbilden zu lassen, der muss charakterlich so viel Menschenverachtung in sich haben, da glaube ich schwer an eine Läuterung! Wären wir hier ähnlich betroffen, wenn es sich um eine Vergangenheit bei NSU oder ähnlichen Organisationen gehandelt hätte?

    Was die Immobilienhaie angeht, wird sich die Politik erst dann verändern, wenn große Arbeitgeber abwandern, weil ihr Personal keinen angemessenen Wohnraum findet. Waren nicht viele Industriefürsten auch Gründer von gut durchdachten Arbeitersiedlungen?
    Stadtteilerneuerung ohne Gentrifizierung geht, das kann ich hier zeigen. Abriss, Neubau und Kernsanierung parallel in einem Quartier ohne Verdrängung der alten Mieter hat hier funktioniert. Gut, Neubau wird für ALG2 Bezieher unbezahlbar bleiben, aber Sanierung geht. Umzüge waren nicht vermeidbar, aber im Umkreis von max. 2000 Metern zu realisieren also innerhalb des Stadtteils.
    Gruß Frank

  2. @ Fastdäne:
    „Jemand, der die Idee hat, sich hauptberuflich zu einem Abhörer, Verhörer oder gar Folterer ausbilden zu lassen, der muss charakterlich so viel Menschenverachtung in sich haben, da glaube ich schwer an eine Läuterung! Wären wir hier ähnlich betroffen, wenn es sich um eine Vergangenheit bei NSU oder ähnlichen Organisationen gehandelt hätte?“

    Ich denke nicht, dass man als Stasimann automatisch ein Schwein gewesen sein muss. Bis zu meinem Einreiseverbot in die DDR 1988 (ich stamme ja aus West-Berlin) habe ich mehrmals mit Stasileuten zu tun gehabt. Da waren auch welche drunter, die nicht nur scheiße waren. Aber unabhängig davon muss man eben sehen, dass Holm gerade mal seine Ausbildung angefangen hat und sich auch früh wieder davon distanziert hat.
    Was das Nazibeispiel betrifft: Ja, auch Nazis müssen die Chance bekommen, umzukehren. Wenn aber jemand viele Jahre lang aktiv war, ist es natürlich schwieriger, ihm den Wandel zu glauben. Trotzdem muss es möglich sein, dass sich jemand ändert und man ihn deshalb nicht mehr sein Leben lang verurteilt.

  3. Hallo Aro,
    Ich kenne nicht alle Hintergründe. Aber ich denke, dass Holm nicht aktiv seinen Dienst bzw. seine Ausbildung beendet hat sondern die Auflösung des Systems dazu führte, dass seine Verpflichtung aufgelöst wurde. Das war nicht unbedingt ein aktiver Schritt der Ab- oder Umkehr. Ob es später eine Erkenntnis gab, dass er sich auf einem falschen Weg befand weiß ich nicht. Gibt’s da eine Erklärung von Holm?
    Ich habe aber im Kopf, dass es aktuell noch Unruhe in der Humboldt Uni gibt, da er dort bei seiner Einstellung falsche Angaben gemacht haben soll. Bezieht sich das auf diese Vergangenheit? Dann wäre das kein offener, bereuender Umgang, oder?
    Letztlich hast du völlig Recht, jeder soll seine 2te Chance bekommen. Und ja, es wirkt im Moment sehr politisch, dass da nämlich jemand der unbequem ist, entsorgt werden sollte.
    Gruß Frank

  4. @ Fastdäne
    Ja, Holm hat sich dazu erklärt, schon vor über 20 Jahren. Bei seiner Anstellung an der HU hat er auch angegeben, dass er eine Ausbildung bei der Stasi begonnen hat. Aber das Kästchen als hauptamtlicher Mitarbeiter hat er nicht angekreuzt, weil er der Meinung war, Ausbildung ist noch keine richtige Anstellung. Fakt ist also: Holm hat es NICHT verschwiegen, wie so viele andere.
    Was ohne den Zusammenbruch des DDR-Systems aus ihm geworden wäre, kann man natürlich nicht wissen. Aber das sollte auch heute kein Kriterium sein, finde ich.

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