Der aufrechte Hinckeldey

Wer vom Jakob-Kaiser-Platz kommend den Kurt-Schu­ma­cher-Damm Rich­tung Flug­ha­fen Tegel fährt, kommt direkt an einer verkehrsum­tos­ten Brücke vorbei, die hier den Hecker­damm über die Stadt­au­to­bahn führt. Sie ist nach einem Mann benannt, der schon lange verges­sen ist und doch für Berlin eine sehr wich­tige Funk­tion hatte. Vor allem aber war Carl Ludwig Fried­rich von Hinckel­dey ein im Volke belieb­ter Mann, wenn auch nicht von Anfang an.

Nach der Revo­lu­tion 1848 war die bewaff­nete Obrig­keit in Berlin gene­rell nicht gut gelit­ten, die Toten vom 18. März waren noch nicht verges­sen, als Hinckel­dey sein Amt als Gene­ral­po­li­zei­di­rek­tor antrat. Heute würde man ihn den Poli­zei­prä­si­den­ten nennen. Er galt als sehr eigen­sin­ni­ger und gestren­ger Mann, trotz­dem als sozial denkend. Wer sich nicht an die Regeln hielt, bekam es mit ihm zu tun, egal ob Tage­löh­ner, Bürger oder Adli­ger.

Ludwig Hinckel­dey war verant­wort­lich für zahl­rei­che Verhaf­tun­gen, baute den Spit­zel­ap­pa­rat aus, ließ viele Demo­kra­ten einsper­ren. Flächen­de­ckende Kontrol­len auf Stra­ßen und in Bahn­hö­fen verun­si­cher­ten Krimi­nelle und wen Hinckel­dey dafür hielt. Außer­dem über­wachte er scharf die Pres­se­zen­sur. Er nahm sein Amt so ernst, dass ihm jede Günst­lings­wirt­schaft fremd war. Ohne Rück­sicht auf Verdienste oder Stel­lung des ande­ren ging er gegen Unge­setz­lich­kei­ten vor, selbst gegen die fast über dem Gesetz stehende Junker­par­tei. Anders als Seines­glei­chen zog er aus seiner Stel­lung keine mate­ri­el­len Vorteile, weshalb er auch nie reich wurde. Sein Verhal­ten brachte ihm bald Anse­hen in der Bevöl­ke­rung ein, aber scharfe Ableh­nung im Adel.

Die dama­li­gen Poli­zei­prä­si­den­ten hatten im 19. Jahr­hun­dert weit mehr Macht als heute. So führte Hinckel­dey in Berlin die Berufs­feu­er­wehr ein, gemein­nüt­zige Einrich­tun­gen, das Einwoh­ner­mel­de­amt. Außer­dem gestat­tete er Ernst Litfaß die Aufstel­lung seiner Werbe­säu­len, um dem wilden Plaka­tie­ren ein Ende zu berei­ten. Die Berli­ner Schutz­män­ner muss­ten an ihren Zylin­dern, die damals Teil der Uniform waren, öffent­lich ihre Dienst­num­mern tragen, um iden­ti­fi­zier­bar zu sein.

Da sich der Adel für etwas Besse­res und über dem Gesetz stehend hielt, war der Gene­ral­po­li­zei­di­rek­tor immer mehr Anfein­dun­gen ausge­setzt. Doch seine Loya­li­tät und Unpar­tei­isch­keit faszi­nierte den König von Preu­ßen, Fried­rich Wilhelm IV. Reak­tio­näre Kreise des höfi­schen Mili­tärs verab­re­de­ten jedoch, Hinckel­dey loszu­wer­den. Sie stell­ten ihm eine Falle. Als er einen ille­ga­len, von Adli­gen betrie­be­nen Spiel­club schlie­ßen ließ, provo­zierte ihn der Offi­zier Hans von Rochow, bis Hinckel­dey die Kontrolle über sich verlor. Er forderte von Rochow zum Duell heraus. Duelle waren zu der Zeit längst verbo­ten und dass Ludwig Hinckel­dey einen solchen Schritt tat, zeigt, in welcher Erre­gung ihn diese Konfron­ta­tion gebracht hatte. Da Hinckel­dey trotz seiner Posi­tion kaum prak­ti­sche Erfah­rung mit Waffen hatte, war der Ausgang der Ausein­an­der­set­zung vorher­seh­bar – und genau so beab­sich­tigt. Es wurde vermu­tet, dass Ludwig Hinckel­dey darauf hoffte, der König würde das Duell noch verbie­ten, aber das geschah nicht. Die patri­ar­chi­schen Ehren­ko­dexe dieser Zeit verbo­ten aber auch einen Rück­zie­her.

Am frühen Morgen des 10. März 1856 passierte in der Jung­fern­heide, was geplant war: Von Rochow erschoss Hinckel­dey. Er wurde dafür später zu vier Jahren Festungs­haft verur­teilt, aller­dings war er schon nach einem Jahr wieder in Frei­heit. Der König soll nach der Nach­richt von Hinckel­deys Tod geweint haben. Als nach dem Tod des Poli­zei­chefs bekannt wurde, dass er ein sehr armes Leben geführt hatte, wurden in der Bevöl­ke­rung für seine Witwe inner­halb weni­ger Tage 10.000 Taler gesam­melt. Dem Trau­er­zug schlos­sen sich rund 100.000 Bürger Berlins an.

Ein stei­ner­nes Kreuz, das damals für ihn an der Stelle des Duells errich­tet wurde (etwa dort, wo sich heute die Brücke befin­det), wurde 1956 rund 300 Meter weiter nörd­lich in den östli­chen Teil des Jung­fern­hei­de­parks verscho­ben. Ludwig Hinckel­deys Grab befin­det sich auf dem Niko­lai-Fried­hof an der Prenz­lauer Allee.

Foto: Heino Sauer­brey (Heino-Sauerbrey.de)

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