Das alte Hotel Adlon

Am 24. Okto­ber 1907 berich­tete die Vossi­sche Zeitung in Berlin: “Während des gest­ri­gen Tages hatten Kaiser, Kaise­rin, Prin­zes­sin­nen und Prin­zen den präch­ti­gen Hotel­bau besich­tigt und Herrn Adlon ihre Aner­ken­nung des hier Geschaf­fe­nen in ehrends­ter Weise ausge­spro­chen.” Mit diesem Tag begann die Geschichte des Hotels Adlon, das mit großer Unter­stüt­zung durch Kaiser Wilhelm II entstand und das sich inner­halb von drei Jahren zum schöns­ten und luxu­riö­ses­ten Hotel der Welt entwi­ckelte.

Lorenz Adlon Grün­der jenes Hotels war Lorenz Adlon, Sohn eines Schuh­ma­chers aus Mainz. Sein Berufs­weg führte ihn nicht direkt in die Hotel­le­rie. 1872 been­dete er zunächst seine erste Lehre, die Ausbil­dung zum Tisch­ler. Sein Lehr­herr, die renom­mierte Main­zer Möbel­firma Bembé, über­nahm später die Innen­aus­stat­tung des Hotel Adlon. Doch schon während seiner Lehr­zeit soll es Lorenz Adlon immer wieder in die Gastro­no­mie gezo­gen haben. Bereits 1876 verdiente er sich während der Ausrich­tung des rhei­ni­schen Schüt­zen­fes­tes erste Sporen bei der Leitung eines “Massen­re­stau­ra­ti­ons­be­trie­bes”. Während der Welt­aus­stel­lung 1888 in Amster­dam war er Päch­ter sämt­li­cher Restau­ra­ti­ons­be­triebe. Der Name “Adlon” erhielt erst­mals inter­na­tio­nale Bekannt­heit. 1889 erwarb Adlon sein erstes Hotel, das “Mille Collo­nes” in Amster­dam.

Lorenz Adlon hatte zu dieser Zeit Mainz bereits verlas­sen und war Bürger Berlins gewor­den. 1880 erwarb er hier das berühmte Restau­rant “Hiller” Unter den Linden 55. Heute liegt dort das Café Einstein. 1885 expan­dierte er und erwarb die Zooter­ras­sen im Zoolo­gi­schen Garten, 1896 betrieb er anläss­lich der Gewer­be­aus­stel­lung in Berlin das “Haupt­re­stau­rant von Adlon und Dressel” am Neuen See. Das zweite Stand­bein von Lorenz Adlon war seine Wein­hand­lung in der Berli­ner Wilhelm­straße mit — so erzählt man — über einer Million Flaschen.
Das erwirt­schaf­tete Vermö­gen aus diesen Betrie­ben sowie aus dem 1889 gekauf­ten Hotel “Conti­nen­tal” in Berlin inves­tierte Lorenz Adlon in die Verwirk­li­chung seines Trau­mes, den Bau eines eige­nen Hotels. Die Welt­stadt Berlin sollte ein Luxus­ho­tel erhal­ten, das den Hotels von Paris oder London eben­bür­tig ist. Lorenz Adlon wollte ein Haus bauen, in dem die Welt sich traf. 1905 kaufte er dazu das Grund­stück Redern, ein lang­ge­zo­ge­nes Grund­stück zwischen Behren­straße und Unter den Linden. Erwerb des Grund­stü­ckes und Abriss des Palais Redern, eines verfal­le­nen, ursprüng­lich unter Denk­mal­schutz stehen­den Schinkel’schen Palais, erfolgte mit Hilfe und Billi­gung von Kaiser Wilhelm II. Der Neubau des Hotel Adlon stellte einen archi­tek­to­ni­schen Kontra­punkt zum Stadt­schloss dar. Es bot Kaiser Wilhelm II. in Fußweite jenen Luxus, den er in dem von ihm unge­lieb­ten Schloss vermisste, denn hinter klas­sisch-konser­va­ti­ven Mauern verbarg sich eine für die dama­lige Zeit einzig­ar­tige tech­ni­sche Ausstat­tung. Elek­tri­zi­tät und flie­ßend warmes und kaltes Wasser gehör­ten zur Stan­dard­aus­stat­tung der Gäste­zim­mer. Die expo­nierte Lage am Bran­den­bur­ger Tor sicherte dem Kaiser darüber hinaus seine Einfluss­mög­lich­kei­ten auf die archi­tek­to­ni­sche Gestal­tung und die Ansicht der Fassade.
Knapp zwei Jahre benö­tig­ten die Archi­tek­ten Carl Gause und Robert Leib­nitz, um das neue “Hotel Adlon” Unter den Linden 1 zu bauen. Am 24. Okto­ber 1907 beschrieb die Vossi­sche Zeitung: “Dass das neue Hotel eine außer­or­dent­li­che und groß­ar­tige Leis­tung im Hotel­neu­bau und in der Hotel­ein­rich­tung für eine moderne Groß­stadt ist, will kein Unbe­fug­ter bestrei­ten. Um eine solche Schöp­fung zu ermög­li­chen, bedurfte es frei­lich eines solchen Bauher­ren, seines Zusam­men­wir­kens mit solchen Archi­tek­ten, Künst­lern, Kunst­hand­wer­kern und Tech­ni­kern, wie die hier tätig gewe­se­nen und — eines Kapi­tals von 15 Mill.”

Ange­hö­rige Fami­lien des Adels verkauf­ten ihre Winter­pa­lais in Berlin, um in den Suiten des Hotel Adlon zu resi­die­ren. Wilhelm II. floh vor den zugi­gen Räumen seines Schlos­ses in die Wärme des Hotels. Auch das Auswär­tige Amt nutzte das Hotel gerne als “inof­fi­zi­el­les Gäste­haus”, da es kein eige­nes Gäste­haus für auslän­di­sche Gäste gab.
Unter der Führung seines Grün­ders Lorenz entwi­ckelte sich das Hotel Adlon zu einem Haus des Sehens und Gese­hen-Werdens. Euro­pas Könige, der Zar, der Maha­ra­dscha von Patiala, Edison, Ford, Rocke­fel­ler, Rathenau, Stre­se­mann und Briand waren ebenso Gäste wie Einstein, Sauer­bruch, Strauß, Furtwäng­ler oder Kara­jan. Char­lie Chap­lin verlor auf dem Weg in das Hotel seine Hosen­knöpfe an die Berli­ner, Marlene Diet­rich wurde hier entdeckt. “In der großen Halle des Hotels”, schrieb die Berli­ner Morgen­post 1929, “hörte man die Spra­chen aller Kultur­na­tio­nen durch­ein­an­der­schwir­ren.”
1931 — zehn Jahre, nach­dem Louis Adlon die Leitung des Hotels von seinem Vater über­nom­men hatte — wurde er allei­ni­ger Besit­zer des Hauses. Seine Schwes­ter lies sich ihren Anteil am Haus ausbe­zah­len — eine Summe, die Louis Adlon aufgrund der guten Auslas­tung des Hauses und der guten Einnah­men leicht verkraf­ten konnte. 1,5 bis 1,7 Millio­nen Gäste kamen zwischen 1925 und 1930 pro Jahr nach Berlin. Nicht wenige von ihnen wähl­ten das Adlon als Quar­tier. Der Grie­bens­rei­se­füh­rer von 1928 nannte das Adlon als Hotel aller­ers­ten Ranges mit 450 Hotel­bet­ten, Kiesslings Reise­füh­rer, der Vorgän­ger des Baede­cker, lobte das Wein­re­stau­rant als “beson­ders vornehm”. In den poli­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Umbruch­jah­ren des zwan­zigs­ten Jahr­hun­derts wird aus dem Ort des Sehens- und Gese­hen-Werdens auch noch ein Ort poli­ti­scher und diplo­ma­ti­scher Entschei­dun­gen. Das Hotel Adlon galt in den poli­ti­schen Wirr­nis­sen der Vorkriegs­zeit und des Natio­nal­so­zia­lis­mus als “die kleine Schweiz in Berlin”. Das bevor­zugte Hotel der SS war der Kaiser­hof in der Wilhelm­straße.

1936 schil­lerte im Hotel Adlon noch der Glanz und Glamour, den die Olym­pi­schen Spiele ihrem “offi­zi­el­len Hotel” verlie­hen. Der Krieg ging nahezu spur­los an dem Haus vorbei. Die Reichs­re­gie­rung lud nach wie vor zum Diplo­ma­ten­es­sen, die Promi­nenz aus Staat und Gesell­schaft gab sich im Adlon “die Klinke in die Hand” — ledig­lich Adolf Hitler mied das Haus. Er war nur ein einzi­ges Mal Gast im Adlon.
1945 hörte man in den Räumen des Hotels das Stöh­nen der Verwun­de­ten, die im April 1945 in das im Hotel einge­rich­tete Laza­rett verlegt waren. Das Hotel war nahezu unbe­schä­digt, ledig­lich die Fens­ter im Erdge­schoss waren zuge­mau­ert. Ein Brand in der Nacht vom 2. auf den 3. Mai 1945 zerstörte jedoch den Pracht­bau bis auf einen Seiten­flü­gel und besie­gelte das Schick­sal des heute legen­dä­ren Hotels.
Die DDR rich­tete in dem verblie­be­nen Seiten­flü­gel ein Hotel ein. Trotz des 1952 verkün­de­ten Aufbau des Sozia­lis­mus gab es auch in diesem Hotel Adlon weiter­hin Pagen und Haus­die­ner — in den Origi­nal-Page­uni­for­men. 1964 wurde der Bau reno­viert, die Fassade erhielt neuen Glanz.
Den Schluss­strich unter das Hotel Adlon zog eine Entschei­dung Anfang der sieb­zi­ger Jahre: Aus dem Luxus­ho­tel der Golde­nen Zwan­zi­ger Jahre, dem HO-Hotel der frühen Jahre der DDR, wurde ein Lehr­lings­wohn­heim.
1984 verschwand der letzte Teil des Hotel Adlon, um dem geplan­ten Neubau eines Wohn­kom­ple­xes Platz zu machen.
Als dann am 9. Novem­ber 1989 die Mauer fiel, erwarb die Kempinski Hotel­be­triebs­ge­sell­schaft die Bauge­neh­mi­gung für das Projekt “Wieder­auf­bau Hotel Adlon”. Hedda Adlon, die Witwe von Louis Adlon, hatte ihr nämlich noch zu Lebzei­ten das Ankaufs­recht auf die Firma Adlon sowie auf das Grund­stück über­tra­gen, falls es jemals wieder die Möglich­keit gäbe, das Hotel neu zu errich­ten.
Zur Finan­zie­rung des Hotel Adlon verkaufte Kempinski das Projekt mit allen seinen Rech­ten an die Fundus-Fonds-Verwal­tun­gen GmbH in Köln und erhielt im Gegen­zug einen lang­fris­ti­gen Pacht­ver­trag.
Am 23. August 1997 eröff­nete der Bundes­prä­si­dent der Bundes­re­pu­blik Deutsch­land, Prof. Dr. Roman Herzog, am glei­chen Ort, an dem das legen­däre Hotel Adlon stand, das neue Hotel.

Aus: Hotel-Adlon.de

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