Schreckensort in der Burgstraße

Die meisten Berliner und Touristen wissen, wo sich einst die Zentrale der Gestapo befand. Während der Mauerzeit lag auf der Prinz-Albrecht-Straße an der Grenze zwischen Kreuzberg und Mitte der Todesstreifen. Der Krieg hatte das alte Hotel zerstört, das der Nazi-Geheimpolizei als Hauptquartier diente. In den Kellern wurden zahlreiche Menschen gefoltert und ermordet. Die Straße heißt mittlerweile Niederkirchnerstraße und auf dem Gelände befindet sich die Topografie des Terrors. Aber dieser Ort beherbergte nur die Reichszentrale der Gestapo. Die „Staatspolizei-Leitstelle Berlin“ war im großen Polizeipräsidium an der Alexanderstraße untergebracht – und in der Burgstraße. Die Burgstraße in Mitte ist heute ein von Touristen überlaufener Ort, der eigentlich gar nichts zu bieten hat. Man durchquert sie lediglich auf 100 Metern Strecke, wenn man vom Hackeschen Markt kommt und auf die Museumsinsel möchte.

Vor den Kriegszerstörungen war es eine belebte Straße, hier befand sich die Berliner Börse und auf der anderen Straßenseite hatte der Zirkus Busch ein festes Haus. Die Burgstraße blickt bereits auf eine 350-jährige Geschichte zurück, die ihren Namen von der 1451 errichteten Burg am gegenüberliegenden Spreeufer hatte, aus der später das Stadtschloss wurde.

Während der Nazizeit nutzte die Gestapo nutzte die Häuser 26 bis 29, vom Hackeschen Markt aus gesehen die Gebäude auf der linken Seite. Die ersten zwei Häuser von der Bahn aus wurden im Krieg stark beschädigt und vor 30 Jahren abgerissen, die beiden anderen stehen noch.

In der Burgstraße 28 befand sich das sog. Judenreferat der Gestapo. Es organisierte die Deportation von rund 55.000 Berliner Jüdinnen und Juden in den Holocaust. In dem Haus befand sich auch ein sogenanntes Schutzgefängnis, in den Kellern und den Gebäuden des zweiten Hofes wurden Häftlinge gefoltert und ermordet.

Ein Hausmeister berichtete später, dass die Keller der Gebäude miteinander verbunden waren. In einem von ihnen sind noch zwei Tresorräume mit 40 cm dicken Stahltüren zu finden. Nach dem Ende der Naziherrschaft berichtete der Zimmermannslehrling Rolf Joseph, dass er genau dort gefoltert worden war, um Namen preiszugeben. Er wurde dort an Händen und Füßen gefesselt, über eine Holzkiste geschnallt und mit einem Ochsenziemer ausgepeitscht.
In den 1970er Jahre lebte in der Burgstr. 22 noch ein ungarischer Jude, der ebenfalls in einem dieser Keller mit Metallringen an die Wand gefesselt worden war und misshandelt wurde.

Anders als andere Orte gilt die Burgstraße heute noch als schwarzes Loch in der Holocaustforschung. Das liegt vermutlich auch daran, dass im März 1945 im großen Stil die Akten vernichtet wurden. Die Folterer wussten, dass sie nach dem Zusammenbruch ihres Reiches für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden könnten.

Diese Leitstelle war ein sehr zentraler Ort in der Organisierung des Holocaust. Direkt um die Ecke, in der Rosenstraße, wurden während der „Großaktion Juden“ (später als Fabrikaktion bezeichnet) die verhafteten jüdischen Ehepartner von nichtjüdischen Männern und Frauen untergebracht. Nur 200 Meter entfernt vom „Judenreferat“ entwickelte sich in den Tagen nach dem 27. Februar 1943 der breiteste Widerstand während der Nazizeit. Hunderte Frauen protestierten lautstark vor dem Gebäude Rosenstr. 2-4 und in den umliegenden Straßen, immer wieder bedroht von Polizei und Gestapo. Zeitweise wurden sogar Maschinengewehre gegen die Demonstrantinnen aufgebaut. Diese forderten die Freilassung ihrer etwa 2.000 jüdischen Angehörigen, die von dort aus deportiert werden sollten. Und tatsächlich war dieser Protest nach etwa einer Woche erfolgreich.

Nicht weiter entfernt von der Burgstraße befanden sich in der Großen Hamburger Straße das Erste Jüdisches Altersheim und eine jüdische Knabenvolksschule, die von den Nazis als Sammellager missbraucht worden sind. Rund 22.000 Menschen wurden von hier aus in den Holocaust geschickt.

Zwischen Burgstraße und Sammellager die Speditionsfirma von Erich Scheffler ihren Sitz, in der Großen Präsidentenstraße 9 am Hackeschen Markt. Für Scheffler war die Gestapo der beste Kunde. Mit seinen LKWs, Kabinenmöbelwagen und Pferdefuhrwerken transportierte die Spedition anfangs das zurückgelassene Eigentum von deportierten Juden zur weiteren Verwertung. Bald aber wurden mit seinen Fahrzeugen auch Juden aus ihren Wohnungen abgeholt, in die Sammellager überführt und von dort zur Deportation zu den Bahnhöfen gebracht. Es war in Berlin die Spedition, die am meisten von den Deportationen profitiert hatte. Und doch gab es noch eine andere Seite: Laut verschiedenen glaubwürdigen Quellen versteckte die Familie Scheffler zwischen 1943 und 1945 untergetauchte Juden in den Geschäftsräumen der Spedition und in ihrem Privathaus in Marzahn.

Insgesamt galt die Gegend um die Burgstraße der jüdischen Bevölkerung als Schreckensort, ausgerechnet nahe der Wohnviertel der armen und traditionellen „Ostjuden“. 1943 richteten einige Bombentreffer großen Schaden in den Räumen des Judenreferats an. Doch seine grausame Arbeit wurde in den verbliebenen Teilen der Gebäude und an anderen Orten weitergeführt.

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