Erst Kroll-Oper, dann Skulpturen

Gegen­über des Reichs­tags, heute befin­det sich dort das Tipi, stand einst die Kroll-Oper, von der jedoch nichts mehr zu sehen ist. Der preu­ßi­sche König Fried­rich Wilhelm IV. hatte den Unter­neh­mer Joseph Kroll mit dem Bau eines Veran­stal­tungs­kom­ple­xes beauf­tragt. Nach nur zehn Mona­ten Bauzeit wurde 1844 die schloss­ar­tige Anlage eröff­net, die aus einem mehr­ge­schos­si­gen Mittel­teil und zahl­rei­chen Flügeln und Winter­gär­ten bestand. Bis zu 5.000 Menschen fanden hier gleich­zei­tig Platz. Es gab drei große Säle, darun­ter der beson­ders prunk­voll ausge­stat­tete „Königs­saal“ sowie 14 größere Gesell­schafts­räume. Die eben erst einge­führte Gasbe­leuch­tung erleuch­tete die Räume, was damals einer Sensa­tion gleich­kam.

In den Folge­jah­ren fanden in der Kroll-Oper hunderte Veran­stal­tun­gen sehr unter­schied­li­cher Art statt. Es gab natür­lich Opern­auf­füh­run­gen, aber auch Masken­bälle, Thea­ter, Zirkus. Nach­dem die offen­bar nicht ganz sach­ge­mäß betrie­bene Gasbe­leuch­tung 1851 das gesamte Gebäude in Brand gesteckt und bis auf die Grund­mauer nieder­ge­brannt hatte, wurde es schon ein Jahr später neu aufge­baut.
Man setzte nun auf anspruchs­vol­lere Opern, trotz­dem kam das Haus nicht aus seinen roten Zahlen und wurde mehr­fach verkauft. 1896 wurde es an die „König­li­chen Schau­spiele“ verge­ben und damit in staat­li­ches, preu­ßi­sches Eigen­tum.
Kaiser Wilhelm II. wollte an Stelle der Kroll-Oper ein prunk­vol­le­res und größe­res Opern­haus errich­ten lassen. Tatsäch­lich began­nen 1913 erste Abriss­ar­bei­ten, die aber mit dem Ausbruch des 1. Welt­kriegs gestoppt wurden. Während des Kriegs diente das Gebäude als Lager­haus.

Ab 1918 gab es neue Pläne, u.a. für ein Volks­opern­haus. Sie schei­ter­ten, so wie auch wenig später die Vergrö­ße­rung durch den „Verein der Berli­ner Volks­bühne“. Wieder nahm der Staat die Oper in Besitz, ab 1924 diente es als Filiale der Staats­oper Unter den Linden.
Die Geschäfte liefen wie immer schlecht und in Zeit der Wirt­schafts­krise erst recht. 1931 fand in der Kroll-Oper die letzte Vorstel­lung statt und stand in der Folge zwei Jahre lang leer.

Nach der Macht­über­gabe an die Nazis erwachte die Kroll-Oper wieder zum Leben. Am 19. Februar 1933 gab es dort den anti­fa­schis­ti­schen Kongress „Das freie Wort“, an dem 900 libe­rale, sozi­al­de­mo­kra­ti­sche und kommu­nis­ti­sche Poli­ti­ker und Bürger teil­nah­men. Darun­ter Ernst Reuter, Carl von Ossietzky, Theo­dor Lessing und Alfred Döblin. Am Abend stürmte die Poli­zei das Gebäude, been­dete die Veran­stal­tung und nahm zahl­rei­che Teil­neh­mer fest.

Als neun Tage später gegen­über der Reichs­tag nieder­brannte, zog das Parla­ment in die Kroll-Oper ein. Eine Woche später erhiel­ten die NSDAP und die mit ihr verbun­dene Deutsch­na­tio­nale Volks­par­tei die Mehr­heit bei der Reichs­tags­wahl. Ende 1933 bestand der Reichs­tag nur noch aus Natio­nal­so­zia­lis­ten, ein Parla­ment wurde in der Dikta­tur nicht mehr gebraucht.

Ab und zu nutz­ten die Nazis aber die Kroll-Oper noch, meist für medi­en­wirk­same Auftritte. So wurde dort am 18. April 1934 die erste Fern­seh­über­tra­gung in Deutsch­land durch den Fern­seh­sen­der Paul Nipkow der Öffent­lich­keit vorge­stellt.
Am 1. Septem­ber 1939 verkün­dete Adolf Hitler hier den Über­fall auf Polen und damit den Beginn des 2. Welt­kriegs. Bei der Kriegs­er­klä­rung Deutsch­lands an die USA am 11. Dezem­ber 1941 erklärte Hitler in der Kroll-Oper den US-Präsi­den­ten Frank­lin D. Roose­velt für geis­tes­krank.

Wenige Monate später bezog die Staats­oper das Gebäude, weil ihr eige­nes Opern­haus bei einem Luft­an­griff schwer beschä­digt worden war. Dieses Schick­sal traf im Novem­ber 1943 dann auch die Kroll-Oper. Teile des Haupt­ge­bäu­des waren zerstört.

Ab dem Früh­som­mer 1945 wurden Teile des Komple­xes notdürf­tig wieder­her­ge­rich­tet und zeit­weise gastro­no­misch genutzt. 1957 jedoch ist der Rest der Kroll-Oper abge­ris­sen worden. Heute erin­nert dort nur eine Gedenk­ta­fel an sie.

An diesem Ort der Gewalt haben im Winter 1961/1962 junge Künst­ler aus Europa, Israel, Japan, Öster­reich und Frank­reich Zeichen setzen wollen gegen Krieg und den Mauer­bau, der damals erst wenige Monate her war. Die Bild­hauer schu­fen rund 20 Plas­ti­ken, die in den Jahr­zehn­ten in die Natur einge­wach­sen sind. Leider sind nicht mehr alle vorhan­den.

Die Aktion der jungen Künst­ler fand große Unter­stüt­zung: West­deut­sche Stein­brü­che spen­de­ten die Blöcke und orga­ni­sier­ten den Trans­port nach West-Berlin, die US-Army stellte sie mit einem Kran­wa­gen auf dem Platz auf und der Senat über­nahm die Aufent­halts­kos­ten der auslän­di­schen Künst­ler.

Zum 50. Jahres­tag des Mauer­baus kam 2011 noch ein Werk dazu: Ben Wagins Stahl­skulp­tur „Todes Mauer Bruch“ schließt damit die Wunde, die die ande­ren Plas­ti­ken symbo­li­sie­ren.

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3 Kommentare

  1. Sofort wieder aufbauen, denn es gibt in Berlin sehr wenig histo­ri­sche Bausub­stanz. Danach die Versoenungskirche,SPortpalast, Schin­kel­sche Bauaka­de­mie

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