Alle lieben Helmut

Alle feiern Helmut. Nur weil Kohl 80 Jahre alt gewor­den ist, stehen die Gratu­lan­ten Schlange, in Berlin wie in Oggers­heim. Es werden seine “heraus­ra­gen­den Leis­tun­gen” zur Wieder­ver­ei­ni­gung gewür­digt, er sei eine “Persön­lich­keit mit visio­nä­rem Weit­blick”. Von Merkel über Wester­welle bis zu Wowe­reit und Erzbi­schof Robert Zollit­sch, alle über­schüt­ten ihn mit Lob.

Was soll diese pein­li­che Anbie­de­rei? Da werden in Kommen­ta­ren Behaup­tun­gen aufge­stellt, dass er die Wende in der DDR und die Wieder­ver­ei­ni­gung errun­gen habe. Was bitte hat Helmut Kohl mit den Protes­ten und dem Sturz des SED-Regimes zu tun? Über­haupt nichts. Diese ist, wenn schon, die Leis­tung der Oppo­si­tio­nel­len in der DDR, die oft mit ihrer Frei­heit und Gesund­heit dafür bezahlt haben. Kohl war zu dieser Zeit Bundes­kanz­ler und hat nach dem CDU-Wahl­er­folg am 18. März 1990 in der DDR die Chance ergrif­fen, den Osten der alten Bundes­re­pu­blik anzu­glie­dern. Diesen Umstand blähte er selber zu einer histo­ri­schen Helden­tat auf und verschweigt dabei geflis­sent­lich, dass die Ost-CDU, die er gleich mit einglie­derte, zuvor eine lini­en­treue sozia­lis­ti­sche Partei war, die jahr­zehn­ten­lang das feste Bünd­nis mit der SED geprie­sen hat. Diese Wende­hälse haben, wie auch er selbst, ihre Fähn­chen in den natio­na­lis­ti­schen Wind gehängt. Helmut Kohl war nur zufäl­lig da, er hat weder die Voraus­set­zun­gen für eine Wieder­ver­ei­ni­gung geschaf­fen, noch hat er mit ihr den Willen der meis­ten Deut­schen vertre­ten.

Statt­des­sen hat er immer seinen eige­nen umge­setzt, er war niemals Kanz­ler aller Deut­schen. Allein sein höchst arro­gan­ter Umgang mit der Presse disqua­li­fi­zierte ihn für das höchste Regie­rungs­amt. Kriti­sche Jour­na­lis­ten belei­digte er, wich­ti­gen Medien wie dem Spie­gel oder dem NDR verwei­gerte er während seiner Regie­rungs­zeit Inter­views, weil sie nicht auf CDU-Linie waren. Dass die Presse als “vierte Gewalt” ein Grund­pfei­ler der Demo­kra­tie ist, inter­es­sierte ihn nicht. Parla­ments­prä­si­dent Thierse bezeich­nete er als “schlimms­ten Präsi­dent seit Hermann Göring”, den dama­li­gen sowje­ti­schen Präsi­den­ten Michail Gorbat­schow verglich er mit Goeb­bels. Die neue Armut war für ihn nur eine Erfin­dung des “sozia­lis­ti­schen Jet-Sets” und in Israel sprach er in Bezug auf die Nazi­zeit von der “Gnade der späten Geburt”. Was ihn nicht davon abhielt, mit dem US-Präsi­den­ten Reagan einen Solda­ten­fried­hof zu besu­chen, in dem auch SS-Offi­ziere begra­ben liegen.
Poli­ti­sche Gegner, auch in den eige­nen Reihen, hat er gnaden­los verfolgt, selbst alte Wegge­fähr­ten wie Heiner Geiß­ler wurden von ihm abge­sägt, wenn sie seine Selbst­herr­lich­keit nicht mehr mittru­gen und eigene Gedan­ken formu­lier­ten.

Helmut Kohl war Bundes­kanz­ler, aber kein Vorbild. Spätes­tens mit dem Bekannt­wer­den der CDU-Spen­den­af­färe hat er seine mora­li­sche und poli­ti­sche Inte­gri­tät verlo­ren. Bis heute, denn noch immer weigert er sich, die Namen der Spen­der zu nennen, von denen er Geld am Gesetz vorbei ange­nom­men hatte. Was also gibt es zu feiern, außer der Tatsa­che, dass er in der akti­ven Poli­tik keinen Anteil mehr hat?

Foto: Marie-Lisa Nolte­nius, Konrad Adenauer Stif­tung / CC BY 2.0

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4 Kommentare

  1. Tja, wenn man denn keine Gallionsfigur(en) mehr hat, dann schaue man halt in der Geschichte.

    Ich hoffe nur, daß sich die Bürger davon nicht blen­den lassen, und bei den nächs­ten Land­tags­wah­len die poli­ti­sche Arbeit, und nicht den popu­los­ti­schen Firle­fanz der Parteien, bewer­ten.

    Wir brau­chen keine selbst­herr­li­chen “Oster­eier” an der Spitze der Parteien, sondern endlich wieder Frauen und Männer, die Anpa­cken und Umset­zen können!

  2. Ich will dir ja nicht deinen Opti­mis­mus nehmen, aber wenn man sich Leute wie Wester­welle anschaut, wird es wohl noch eine Weile dauern, bis sich da was ändert.
    Aber wir werden’s ja nächs­ten Monat in NRW sehen.

  3. Kohl ist ein Macht­mensch und solche Menschen sind verlo­gen und korrupt.Siehe Spen­den­af­färe. Aber sind andere besser? Schrö­der, Clemens,Schilly,Westerwelle? Sie reden und regie­ren über eine Bevöl­ke­rung deren Leben sie gar nicht kennen und das sie zum großen Teil auch gar nicht inter­es­siert. Haupt­sa­che sie haben Macht. Gib ihnen Macht und du siehst ihren Charak­ter.

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