Bildersturm am Olympiastadion

Jeder Besucher des Olympiastadions hat sie schon mal gesehen: Die übermannsgroßen Figuren auf dem Stadionsgelände, nackte Männer und Frauen, einige Pferde, aus Sandstein und Bronze. Sie stammen noch aus der Zeit, als sich die Nazis mit den Olympischen Spielen 1936 an diesem Ort präsentierten.

Seitdem sind neun Jahre Faschismus und 61 Jahre Demokratie ins Land gegangen. Die Statuen des Bildhauers Willy Meller („Siegesgöttin“), Sepp Mages („Sportkameraden“), Georg Kolbe („Ruhende Athleten“) und Arno Breker stehen also seit 70 Jahren am Stadion, und natürlich waren sie dazu gedacht, das Bild von Nazi-Deutschland in der Welt zu schmücken. Sie verkörpern das Athletische, das die Faschisten so sehr für sich beanspruchten, wenn diesem Bild auch kein einziger der Nazigrößen gerecht wurde.
Nach der Besetzung Berlins störten sich jedoch weder die Sowjets, noch die später für dieses Gebiet zuständigen Briten an den Skulpturen. Das tun nun aber einige ewige Bedenkenträger, allen voran Lea Rosh. Sicher hat sie sich im Kampf gegen das Vergessen der Naziverbrechen große Verdienste erworben und auch der Schriftsteller Ralph Giordano ist dafür bekannt, dass er gegen alte und neue Nazis Stellung bezieht. Dieses Verdienst ist ihnen unbenommen, verführt sie aber vielleicht manchmal auch zu überzogenen Reaktionen. Giordano forderte, dass die Statuen noch vor der Fußball-WM abgerissen werden sollen, Rosh möchte sie wenigstens verhüllen. Doch diese Art der Vergangenheitsbewältigung geht leicht nach hinten los. Hätten die Alliierten die Figuren in der Nachkriegszeit abgerissen, wäre es etwas anderes gewesen, doch mittlerweile sind sie historische Werke, die einen Teil der deutschen Geschichte – und speziell die dieses Ortes – darstellen. Das hat heute nichts mehr mit zweifelhafter Heldenverehrung zu tun. Wäre man konsequent, so müssten auch die Siegessäule, das Finanzministerium sowie zahlreiche andere Bauwerke abgerissen werden, weil sie einst zu einem moralisch verwerflichen Zweck errichtet wurden.
Aufarbeitung von Geschichte bedeutet auch einen gelassenen Umgang mit den Reliquien aus einer schlimmen Zeit. Immerhin handelt es sich hier nicht um Symbole wie Hakenkreuz oder SS-Rune, sondern die Skulpturen sind im Stellenwert eher wie die von Albert Speer entworfenen Laternen am Kaiserdamm einzuordnen. Im Gegensatz zu denen stammen sie sogar von namhaften Künstlern, manche von ihnen Gegner, andere Anhänger des NS-Systems. Waren sie einst sicher zu Propagandazwecken gedacht, hat sich ihr Stellenwert bis heute jedoch völlig verändert.
Deshalb mutet es etwas hysterisch an, wenn sie nun plötzlich verschwinden oder versteckt werden sollen. Bilderstürmerei, das Zerstören von angeblichem Bösen, ist eher ein Ausdruck von Hilflosigkeit, als von praktiziertem demokratischen Handeln. Nicht die Statuen sind das Problem, sondern die politischen Verhältnisse, in denen sie vor 70 Jahren entstanden. Es ist wichtig, sich mit denen auseinanderzusetzen, so wie es z.B. die neue Ausstellung in der Langemarckhalle unter dem Glockenturm macht. Sie geht offensiv das Thema Krieg, Faschismus und falsche Heldenverehrung an, sie verdammt nicht, sondern erklärt.
Genau solch ein Vorgehen ist auch bei den Skulpturen gefragt. Das Verstecken oder Abreißen der Figuren würde die Unfähigkeit zur Auseinandersetzung mit der Geschichte des eigenen Landes beweisen, nicht eine demokratische Grundhaltung.

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1 Kommentar

  1. …und genau sooooo sehe ich auch den Umgang mit „Erichs Beleutungskörperdiscounter“, – ‚tschuldigung, dem Palast der Republik -, nur dass die Bilderstürmer jetzt aufgeweckter waren und zeitiger der Intention ihrer Puppenspieler gefolgt sind! Aber er/es ist ein Teil unserer Geschichte, basta!!!

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