Letzter Tag in Freiheit

Man kennt es ja, meistens von jungen Männern: Junggesellen­abschiede. Eine Horde extrem gut gelaunter und meist betrunkener Kerle nerven die Passanten oder Taxifahrer. Letztlich ist man froh, wenn sie schnell wieder weg sind.
Die Lady, die am Taxistand Savignyplatz an mein Fenster klopfte, hatte ich allerdings erst als Werberin für ein Bordell gehalten. Nicht vom Aussehen her, sondern wegen ihres offensiven Auftretens. Sie war ein bisschen als Hase verkleidet, helles Fell, sowas wie hochstehende Ohren. Ich winkte ab und wollte keine weiteren Reklamekärtchen. Aber sie blieb standhaft. „Hey, mach doch mal auf“ – immer wieder klopfte sie gegen die Scheibe. Dann drehte sie sich um und zeigte auf den Rücken. Dort stand groß: „Letzter Tag in Freiheit“. Knackie oder Braut? Ich tippte auf das zweite.
Nun hörte ich mir also ihre Geschichte an. Sie würde morgen heiraten und heute gerne noch was trinken gehen. Ob ich nicht was dazugeben könnte. Ich reichte ihr meine halbvolle Saftflasche: „Klar, bitte!“ Ihre vier Begleiterinnen, die ich vorher gar nicht bemerkt hatte, fingen an zu lachen.
„Ach ne, so doch nicht. Kuck mal, du kriegst auch was dafür“, sagt sie und reichte mir einen Korb voller Süßigkeiten. Jetzt fand ich es doch ganz lustig, nahm mir einen Lolli und gab ihr einen Euro.
„Jetzt musste aber auch noch unterschreiben, ich brauche insgesamt 50 Namen!“ Wieder drehte sie sich um: Auf ihrer Jacke waren schon ca. 20 Autogramme, meines kam jetzt dazu. Dann wünschte ich ihr noch alles Gute.
Die Mädels klapperten noch die Taxis vor mir ab, fast alle Kollegen ließen sich überreden. Es war eine lustige Idee.

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6 Kommentare

  1. Die Idee ist lustig, das stimmt. Leider ist sie aber nicht neu. Wenn man das zum x-ten Mal erlebt hat, nervt es nur noch. Genauso wie wenige Tage später das blödsinnige Gehupe beim Hochzeitskorso. Ich weiß nicht, warum Brautleute und deren Gäste immer annehmen, daß das anderen Leuten gefällt.

  2. das ist uns letztes Jahr in Leibzig auch passiert, da war es allerdings ein junger Mann mit Gefolge, scheint so etwas wie ein neuer Brauch zu sein. Nach anfänglicher Verblüffung fand ich es aber ganz witzig

  3. @ Bernd
    hast Du heute einen schlechten Tag oder bist Du immer so drauf? (tschuldigung) Diese Menschen wollen doch in der Regel nur ihre Freude und positive Stimmung nach außen verbreiten und mit anderen teilen. Und, wo hälst Du dich denn so hauptsächlich auf, dass Du andauernd sowas erlebst und das dauernde Gehupe hören musst? hier in Berlin ist mir das noch nicht übermäßig doll aufgefallen

  4. @Ela
    Er hat dat wohl mit dem Gehupe bei der Fussball-WM verwechselt. ;-)

    Ich finde die Idee echt süß und alle Mal sympathischer als Trübsal blasen am Abend vor der Hochzeit.

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